Beiträge zum 1. Evangelischen Bildertag in Marburg 2018
Hermeneutik und Ästhetik Band 2
Mit Beiträgen von Hans-Martin Barth, Sigurd Bergmann, Reinhardt Brand, Thomas Erne, Ferdinand Fellmann, Markus Firchow, Jan Hermelink, Klaas Huizing, Joachim Knape, Malte Dominik Krüger, Joachim Kunstmann, Anna Niemeck, George Pattison, David Plüss, Anne Steinmeier, Alice Thaler-Battistini, Dirk Westerkamp und Thomas Wabel.
Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2020, ISBN 978-3-374-06467-0, 472 Seiten, 34 Abbildungen, Paperback, Format 19 x 12 cm, € 38,00
Im Protestantismus dominiert traditionell das Wort der Heiligen Schrift, nicht das Bild. Pioniere wie Hans-Eckehard Bahr (vergleiche dazu Hans-Eckehard Bahr, Theologische Untersuchungen der Kunst. Poiesis, Stuttgart 1961) sind mit Sprüche 20,12 dafür eingetreten, Auge und Ohr und damit auch Text und Bild gleichursprünglich und gleichwertig zu behandeln: „Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der Herr“. Theologen wie Rainer Volp (Das Kunstwerk als Symbol, 1966), Horst Schwebel (Kirche und moderne Kunst, 1988; zusammen mit Andreas Mertin), Hermann Timm (Das ästhetische Jahrzehnt. Zur Postmodernisierung der Religion, 1990) und Günter Rombold (Ästhetik und Spiritualität. Bilder – Rituale – Theorien, 1998) haben den Ball aufgenommen und das Verhältnis von Kunst und Kirche, Raum und Religion und Ästhetik und Spiritualität auf je eigene Art und Weise ausgeleuchtet.
Mit den von Thomas Erne und Malte Dominik Krüger unter dem Titel ›Bild und Text‹ herausgegebenen und um weitere Essays ergänzten Beiträgen zum ersten Evangelischen Bildertag liegt jetzt das Kompendium der nächsten Generation zum Thema vor. Es greift weit aus, schürft tief uns lässt kaum einen Aspekt außen vor. Ein erster Abschnitt fragt aus philosophischer und systematisch-theologischer Perspektive nach dem Verhältnis von Bild, Wort und menschlicher Einbildungskraft. Im zweiten Abschnitt werden Schrift- und Bildlichkeit im Kontext konkreter Kunstbilder bedacht. Der dritte Abschnitt thematisiert die Frage nach Bild und Wort im Horizont des gelebten Glaubens und formuliert mögliche Konsequenzen für die Liturgik, Seelsorge und Homiletik.
Wer nicht die ganzen 472 Seiten durcharbeiten möchte, sollte sich im ersten Abschnitt die Essays von Reinhard Brandt zur Frage, was ein Bild ist, von Joachim Kunstmann zur Rolle des Bildvermögens in der Religion und von Malte Dominik Krüger zur bildhermeneutischen Transformation des evangelischen Schriftprinzips nicht entgehen lassen. Im zweiten Abschnitt empfehlen sich Sigurd Bergmanns Überlegungen zu transkulturellen Bildräumen und Klaas Huizings kurzweilige Annäherung an das Bildprogramm zur Jungfrauengeburt im Tympanon am Nordportal der Marienkapelle in Würzburg (vergleiche dazu http://www.heribert-graab.de/bild-text/verkuendigungsrelief.html). Im letzten Abschnitt stellt Gerhard Marcel Martin vor, wie das „Bildern“, also die nonverbale Inszenierung von biblischen Texten in bibliodramatischen, therapeutischen und spirituell-meditativen Prozessen die optische, haptische und olfaktorische Wahrnehmung von Teilnehmern anspricht und die Imagination einen eigenständigen Zugang zu biblischen Texten ermöglicht. Thomas Ernes Überlegungen zu einer ikonischen Homiletik beschließen den Sammelband: Demnach muss jede gute Predigt mit einem Bild vor Augen reden, aber nicht notwendig über ein Bild.
ham, 4. Januar 2021