Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 1. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018 im Museum Sinclair-
Haus, Bad Homburg, herausgegeben von Andrea Firmenich und Johannes Janssen mit einem Text von
Johannes Janssen
Kerber Art, Kerber Verlag, Bielefeld/Berlin, 2017, ISBN 978-3-945674-09-3, 144 Seiten, 101 farbige und 4
s/w Abbildungen, Klappenbroschur, broschiert, Format 29,00 x 22,00 cm, € 38,00 / CHF 46,66
Wer die Publikation Buchwelten in die Hand nimmt, wird unmittelbar von der Fotografie einer ruinösen
Bibliothek von Lori Nix aus dem Jahr 2007 angesprochen (vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=lori+nix+library+2007&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwimsNfFx6LZAhUDOBQ
KHWNjCdAQsAQIMw&biw=1656&bih=935), in der die Kuppel ein-, die Stühle umgestürzt und die
Lesetische verwaist sind und in der sich Bäume den verlorenen geglaubten Raum zurückerobern und
zwischen den Bücherwänden in den Himmel wachsen. „In ihren Inszenierungen erinnert die Fotografin an
archäologische Dokumentationen von überwachsenen Architekturen in den Ur-Wäldern vergangener
Kulturen. Wenn Jorge Luis Borges schreibt: ›Ich hatte mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek
vorgestellt‹, dann haben wir es in den Fotografien von Lori Nix ganz offenbar mit der Vertreibung des
Menschen aus diesem Paradies zu tun“ (Johannes Janssen S. 33). Da Bilder deutungsoffen sind, könnte man
sich aber auch vorstellen, dass Nix auf das digitale Zeitalter anspielt und daran erinnert, dass Bücher und
Bibliotheken gegenwärtig möglicherweise immer mehr überflüssig werden.
So passen, wenn man der Wochenzeitung Die Zeit Nr. 6 vom 1. Februar 2018 Seite 35 folgt, die 625
Kilometer Bücherregale in der British Library auf drei externe Festplatten. Einen Tag später fragt Stephan
Speicher in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 14 „Wozu noch Bücher im Google-Zeitalter?“. Zwar seien
Bibliotheken höchst erfolgreiche Einrichtungen und im Jahr 2015 hätten sie 220 Millionen Menschen
besucht. „Und doch stimmt etwas nicht. In der Bibliothek des Goethe-Instituts Bratislava kann man
Nähmaschinen ausleihen und Spielzeug für den Kindergeburtstag; im zentralen Library and Learning Center
der Wirtschaftsuniversität Wien, einem Bau von Zaha Hadid, sind die Bücher ins Untergeschoss verbannt
worden, ein Schild erklärt dem Unerfahrenen, womit er zu rechnen hat: ›Books‹. Die Bibliotheken sind sich
nicht mehr sicher, was sie sind und sein sollen, selbst Bibliothekare sind vom Buchverdruss angesteckt:
endlich sei der ›Gutenberg-Terror‹ gebrochen. Und der Chef der Bibliothek der Eidgenössischen Hochschule
Zürich erklärte: ›Jetzt ist das Internet da. Wer Inhalte sucht, braucht keine Bibliothek mehr‹“ (Stephan
Speicher a. a. O). Sollten Bücher also nicht doch wieder in Natur überführt und ihr überlassen werden?
Einige der in der vorliegenden Publikation versammelten Künstler haben das schon vorgemacht. So hat Guy
Laramée in seiner Arbeit The Grand Library die komplette Ausgabe der Enzyclopædia Britannica zum
Grand Canyon umgestaltet. Wohl „nicht ganz zufällig entstand die Grand Library im Jahr 2012, als bekannt
wurde, dass die Enzyclopædia Britannica fortan nur noch in digitaler Form erscheinen wird“ (Johannes
Janssen S. 21, vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=guy+laram%C3%A9e&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwjlzN7h-6LZAhUKbxQKH
Tr9CHgQsAQINQ&biw=1656&bih=935#imgdii=8z4PqzbGz5oEyM:&imgrc=Xj4LVVDfEPAURM:).
Anselm Kiefer scheint in seinem Bleibuch Mutterkorn (vergleiche dazu https://www.pinterest.de/pin/
176907091586501816/) die Geschichten von der Fragilität des menschlichen Lebens und auch jener „der
kulturellen Errungenschaften“ zusammenzufassen (Stephan Speicher S. 27). Hannes Möller schließlich
erinnert in seiner Serie der Aschebücher (vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=Hannes+M%C3%B6ller,Ascheb%C3%BCcher&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwi
Ei83E_aLZAhUGaxQKHayFD9UQsAQIQw&biw=1656&bih=935.9) an den Brand der Herzogin Anna
Amalia Bibliothek am 2. September 2004, bei dem 50 000 Bücher zerstört und 118 000 unterschiedlich stark
beschädigt worden sind.
ham, 13. Februar 2018