Eine Auswahl von Pressetexten, Gesprächen, Texten und Gedichten aus den Jahren 1999 – 2017,
zusammengestellt nach Vorarbeiten von Christian Malycha und Hinweisen von Marcel Hüppauf und Bernd
Hammelehle
Edition Linn, Heidelberg / Verlag für Moderne Kunst, Wien, 2017, 191 Seiten, Broschur, Format 19,5 x 14,5
cm, 15,00 €
Der 1973 in Stuttgart geborene Künstler André Butzer ist als Mitglied der Künstlergruppe Isotrop, Erfinder
des Science-Fiction-Expressionismus, der utopischen Künstlerorte Annaheim und Nasaheim und der farbund
lichtgesättigten abstrakten N-Bilder bekannt geworden (vergleiche dazu unter anderem https://
de.wikipedia.org/wiki/André_Butzer und https://www.google.de/search?
q=andr%C3%A9+butzer&tbm=isch&imgil=_Vs6CNVIEYwClM%253A%253BYteWoGTxGBmJnM%253
Bhttp%25253A%25252F%25252Fwww.artfacts.net%25252Fde%25252Fkuenstler%25252Fandrbutzer-
5125%25252Fprofil.html&source=iu&pf=m&fir=_Vs6CNVIEYwClM%253A%252CYteWoGTxGB
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0u6C1JrWAhVL1RQKHeMsAtsQyjcIjAE&ei=BjW1Wdi3I8uqU-PZiNgN#imgrc=_Vs6CNVIEYwClM:).
Dass er auch fiktionale, kunsttheoretische und Gebrauchstexte schreibt und Gedichte verfasst, ist bisher
allenfalls Freunden und intimen Kennern seines Werkes bekannt gewesen. Mit der jetzt vorliegenden
Textsammlung dürfte sich das ändern.
In einem Pressetext von 2001 zeichnet er den Weg, den seine Friedens-Siemens-Menschen, die Annaheimer
und die Nasaheimer zu gehen hatten, wie folgt nach: „Annaheim ist die Hauptstadt von Deutschkalifornien
und wird eingerahmt durchs Friedensgebirge. Nasaheim ist seine Partnerkolonie draußen im Weltraum.
Beide Reiche sind vor wenigen Jahren durch Schande- und H-Menschen besiedelt worden. Ihre Populationen
haben die Friedens-Siemense hervorgebracht und einen Schädelstaat errichtet. Friedens-Siemense sind vom
Körper abgetrennte, schwebende Kopfwesen. Sie sind bezahlt und entschädigt worden von der Großindustrie
durch Ausgleichszahlungen. Sie sind friedliche schwache Herrscher über das schöne Fußvolk, über
Annaheimer und Nasaheimer. Alle Beteiligten werden porträtiert […]. Jedes Bild hat einen Himmel!“ (André
Butzer S. 5).
In einem Text vom November 2007 zur Ausstellung KOMMANDO TILMAN RIEMENSCHNEIDER stellt
er die von ihm unter dem Titel „KOMMANDO …“ kuratierten und mitkuratierten Gruppenausstellungen,
den titelgebenden Schutzheiligen und seine Mitstreiter in Kurztexten vor, so unter anderem Bara, Andreas
Hofer und Ulrich Wulff. Demnach entstehen die Skulpturen und Gemälde von Bara „im Zuge eines
spirituellen Formalismus“; Hofer erweckt nach Butzer Trashkultur, Hollywood und vergrabene Mythen zu
einer „Art Neu-Erzählung der Geschichte im staubigen Kleid“ und Ulrich Wulff wird als ein „Meister der
Fläche“ angekündigt. „Die meisten hier beteiligten Künstler haben vorher nie im kirchlichen Bereich ihre
Kunst ausgestellt. Das macht nichts, weil ihre Kunst jetzt nicht einfach nur von außen in die Kirche herein
kommt, sondern weil diese Kunst auch in der Kirche schon vorhanden war […], noch bevor dann dieser
Raum sich nach den Fresken Tiepolos der großen Kunst und der Menschen entledigt hatte“ (André Butzer S.
6 ff.). Im Gespräch mit Max Dax berichtet Butzer, dass sich die meisten Ausstellungsmacher und Kuratoren
bei den Kommando-Ausstellungen auf die von ihm vorgeschlagene Künstler-Auswahl und das
Erscheinungsbild der Ausstellungen eingelassen haben (vergleiche dazu S. 62). Aber jede Kommando-
Ausstellung sei anders gewesen.
Im Gespräch mit Hendrik Lakeberg und Christian Malycha deutet Butzer an, dass er seinen Science-Fiction-
Expressionismus als Angriff auf die Kategorien der Kunst des 20. Jahrhunderts verstanden und diese zerstört
habe (vergleiche dazu André Butzer S. 125). Seine N-Bilder kämen dagegen eher aus der Zukunft. In ihnen
würden Nähe und Ferne, Kunst und das, was über Kunst hinausgeht, zusammenfallen. „Kunst ist das nicht
mehr unbedingt, gewisse andere Formen von Einsicht oder Aussicht vielleicht […]. Mich beschäftigt etwa
die männliche Ausprägung des Göttlichen, dass die Männer versuchen, das Göttliche im Außerweltlichen zu
treffen. Diesen Weg bin ich sicher auch gegangen, nur meiner hat sich hoffentlich mit einer weiblichen Suche
nach Gott verschränken lassen. Das wäre eine irdische, ›demeterhafte‹ Gottessuche. Diese Verschränkung
wäre etwas, das mir vorschwebt für ein Dasein ›nach der Kunst‹. Dass sich die transzendentale Lichtsuche
mit der malerischen Lichtfindung im Irdischen versöhnt“ (André Butzer S. 131).
ham, 10. September 2017
André Butzer
Sieben Zeichnungen, alle „Ohne Titel“, 2017, Bleistift, Buntstift und Wachsmalstift, 21 x 14,8 cm und 14,8 x
21 cm
Edition Linn, Heidelberg, herausgegeben von Alexander Linn, 16 Seiten, 7 Farbabbildungen, Broschur mit
Rückstichheftung, Format 25 x 30 cm
Zur Ausstellung KOMMANDO TILMAN RIEMENSCHNEIDER – EUROPA 2008 im Hospitalhof
Stuttgart ist eine stark nachgefragte und rasch ausverkaufte Edition von Zeichnungen von André Butzer
erschienen. Sieben Jahre später hat Butzer im Gespräch mit Hendrik Lakeberg und Christian Malycha
angedeutet, dass er eigentlich gar nicht mehr zeichne und wenn, dann nur noch mit seinen Kindern. „Früher
habe ich viel gezeichnet. Da ich jetzt aber die Linien in der Malerei völlig zerstört habe, kann ich keine
Zeichnungen mehr machen. Ich könnte natürlich schöne Sachen machen und glaube sogar, viele Leute
würden das total gut finden […]. Allerdings soll man nicht das machen, was man gut kann, sondern das, was
man nicht kann“ (André Butzer, Texte, Edition Linn / Verlag für Moderene Kunst, 2017, S. 129 f.).
Grundsätze sind gut. Aber gelegentlich ist es besser, seine Grundsätze über den Haufen zu werfen und über
den eigenen Schatten zu springen. Für seine jetzt vorgelegte Edition von sieben in Originalgröße gedruckten
Zeichnungen scheint Butzer über den eigenen Schatten gesprungen zu sein. Vielleicht sind die Zeichnungen
aber wieder beim Zeichnen mit seinen Kindern entstanden. Dann kann er weiter darauf verweisen, dass er
eigentlich gar nicht mehr zeichnet.
ham, 10. September 2017