Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 22. Januar bis 14. Mai 2017 in der LUDWIGGALERIE
Schloss Oberhausen. Herausgegeben von Christine Vogt mit Texten von Christin Lahr und der Herausgeberin

LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen / Kerber Verlag Bielefeld / Berlin, 2017, ISBN
978-3-7356-0320-3, 264 Seiten, 276 farbige und 34 schwarzweiße Abbildungen, Hardcover, gebunden, mit
Schutzumschlag, Format 28,5 x 22,5 cm, € 50,00 (D) / E 51,0 (A) / CHF 61,40

Der Nürnberger Maler, Zeichner, Kupferstecher, Holzschneider und Radierer Albrecht Dürer hat es bestens
verstanden, mit Kunst Geld zu verdienen. Weil er an aufwendigen Auftragsarbeiten zu wenig verdient hat,
hat er auf Auflagen gesetzt und diese zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Für seinen Holzschnitt „Kleine
Passion“ verlangte er einen Viertel Gulden, für die Kupferstich-Version das Achtfache. Als einer der Ersten
hat er seine Grafiken systematisch mit seinem Monogramm AD gekennzeichnet, AD zum Gütezeichen
gemacht und erfolgreich dafür gestritten, dass andere Künstler es nicht unter ihre Werke setzen können. In
der Forschung wird erwogen, dass von ihm zwischen 100 000 und 200 000 Blätter im Umlauf gewesen sein
könnten. Die in Let’s buy it ! vertretenen Dürer-Holzschnitte Tempelgang Mariens, um 1503, Vertreibung
der Händler, um 1508/09, Das Letzte Abendmahl, um 1508/09 und Gefangennahme Christi, um 1509 zeigen
aber auch, dass er wusste, dass sich in der christlichen Tradition Geld und Gott ausschließen und dass Jesus
um dreißig Silberlinge verraten worden ist.

Andy Warhol hat in seinem The Factory genannten Studio Dürers Umstellung vom Nachfrage- zum
Angebotsprinzip und auch die Umstellung zur Massenproduktion übernommen. Seine 1967 entworfene
Marilyn Monroe-Serie, eine Reihe von zehn Serigraphien, die alle das gleiche Gesicht von Marilyn Monroe
in unterschiedlichen Farben zeigen, wurde zunächst in einer Auflage von 250 signierten Exemplaren
gedruckt. Die Originalauflage war so erfolgreich, dass sich die Druckerei entschloss, weitere Exemplare in
der Originalgröße und mit den Originalfarben zu drucken und auf dem Markt anzubieten. Warhol hätte die
Reproduktionen wie Dürer verbieten und vom Markt nehmen lassen können. Aber er entschied sich, den
Drucker zu zwingen, jedes Exemplar auf der Rückseite mit den Stempeln „published bei Sunday B.
Morning“ und „fill in your own signature“ zu versehen. Eine der beiden in Oberhausen gezeigte grünen
Marilyn Monroes gehört zur Originalserie von 1967, der zweite grüne Siebdruck ebenso wie der
pinkfarbene und silberne zur Sunday B. Morning-Serie. Die Auflagedrucke der Originalserie kosten heute
um die 100 000 €, die von ars mundi angebotenen gerahmten 980 Nachdrucke von „Shot Orange
Marilyn“ (1967) auf handgeschöpftem Bütten 295,00 €. Warhol hätte seine Freude an diesen weiteren
Nachdrucken gehabt, war er doch der Überzeugung, dass du, wenn „du mit deiner Arbeit kein Geld machen
kannst“, sagen musst, „dass es Kunst ist; und wenn du Geld machst, sagst du, dass es etwas anderes
ist“ (Andy Warhol, zitiert nach WikiArtis, http://www.wikiartis.com/zitate-ueber/geld/. Abgerufen am
28.2.2017).

Gerhard Richter gehört zu den derzeit weltweit teuersten Künstlern. Bei Versteigerungen von 1382 Losen
mit Richter-Arbeiten auf Kunstauktionen konnte zwischen 2012 und 21. Oktober 2016 ein Umsatz von
1 032 158 191 USD erzielt werden (vergleiche dazu die Artnet News vom 24. 10. 2106). Richter hätte bei
diesem Milliardenergebnis zwar auch wie Markus Lüpertz sagen können, dass ein „Künstler, der viel Geld
für seine Bilder bekommt“, nicht unbedingt schlecht sein muss (Markus Lüpertz, zitiert nach WikiArtis,
http://www.wikiartis.com/zitate-ueber/geld/. Abgerufen am 28.2.2017). Er zieht es aber vor,
immer wieder davon zu sprechen, dass er nichts dafür kann, dass seine Werke seit Jahren steigende Preise
erzielen. Das der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen gehörendes Ölgemälde von Gerhard Richter Mutter
und Tochter, 1965, 180 x 110 cm konnte 1974 noch für 28 000 Deutsche Mark angekauft werden. Heute
müsste man für die Arbeit einen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen. Reicher und zugleich umstrittener
ist aber der Brite Damien Hirst. „Sein Vermögen wird 2010 auf 215 Millionen Britische Pfund geschätzt“.
Der Verkauf seines in Formaldehyd eingelegten Tigerhais „an den Hedge-Fonds-Manager Steven A. Cohen
ist eine der teuersten Transaktionen der Zeit“. Man geht davon aus, dass der Kaufpreis etwa neun Millionen
Pfund betragen hat (FAZ vom 29.6.2006). „Doch den vielleicht größten Meisterstreich stellt die zweitägige
Auktion im September 2008 unter dem Namen Beautiful Inside My Head Forever dar. Genau zu dem
Zeitpunkt, als die US-Investmentbank Lehman Brothers in die Pleite geht, lässt Hirst eine Jahresproduktion
seiner Werke bei Sotheby’s versteigern. Die Süddeutsche Zeitung titelt: »Ich bin Kunst. Der Kunstmarkt als
Kunstwerk: Der britische Künstler Daniel Hirst bietet bei Sotheby’s in London rund 223 seiner Arbeiten zum
Gesamtpreis von 65 Millionen Pfund an.« Dass es bei dieser Summe nicht bleiben würde, war wohl schon
von Anfang an klar: 111 Millionen Britische Pfund sind das Ergebnis. Banken brechen zusammen, aber die
Kunst feiert […] Millionen-Erfolge“ (Christine Vogt S. 11).

Wolfgang Ullrich hat Kunst wie die von Gerhard Richter und Damian Hirst als Siegerkunst und als
wichtigsten Bestandteil der Lebenswelt der Erfolgreichen bezeichnet. Dass sich die mit Massenauflagen und
günstigen Auflagenobjekten von Joseph Beuys einst angestrebte kulturelle Grundversorgung und seine in der
Formel „Kunst = Kapital“ ausgedrückte Adelung von Kunst als kreativem und kulturellem Kapital schwer
erreichen und durchsetzen lässt, wenn Arbeiten aus seiner Serie „Wirtschaftswerte“ wie die mit
Wirtschaftswerte und der Signatur Joseph Beuys von ihm auf der Packung handschriftlich bezeichnete
Pomerin-Zahncreme (1976 -1984, Unikat) in der Edition Klaus Staeck heute für 1600 €, eine entsprechend
behandelte und bezeichnete Packung Verbandszellstoff für 1400 €, der 1985 in einer Auflage von 180 + XX
gedruckte Beuys-Siebdruck auf Karton Elch in der Strömung für 1600 € und der 1973 in einer 80er-Auflage
gedruckte Siebdruck Demokratie ist lustig für 7200,00 € angeboten werden, ist verständlich. Kunst, die sich
jeder leisten kann, Kunst für alle sind diese Arbeiten von Beuys schon lange nicht mehr. Ob man, wenn man
das Konzept Kunst für alle vertritt, dann mit Felix Droese auf weitere Verkaufsaktionen des Discounters Aldi
setzen soll? „Am 1.12.2003 startet Aldi Süd […] den Verkauf von 14 Grafiken, darunter zwei Blätter von
Felix Droese: Silberfinger […] und Wind, Wasser, Wolken. In den etwa 1500 Aldi-Filialen werden innerhalb
kürzester Zeit 140.000 Exemplare verkauft. Droese kommentiert: da sehe man ja, wie groß die kulturelle
Unterversorgung in Deutschland sei. Die Frage nach dem Wert der Kunst wird hier erneut gestellt. Unter
dem Aldi-Logo scheint es möglich, Menschen für Kunst zu interessieren. Die Aldi-Devise »Qualität ganz
oben – Preis ganz unten« überträgt Droese auf die von ihm angebotenen Arbeiten. Als »Aktion
Grundversorgung« bezeichnet, wird er immer wieder mit dem Satz zitiert: »Ich hab’ die Kunde und Aldi hat
die Kunden« “ (Christine Vogt S. 14).

Die den zwölf Kapiteln „Kunst und Einkauf“, „ Kunst und Geld“, „Menschen im Warenhaus“, „Dürer und
immer wieder Dürer“, „Original, Kopie, Reproduktion, Fälschung“, „Tulpomania“, „Kunst und Markt“,
„Kunst und Auftrag“, „Kunst für alle / Meisterwerke massenhaft“, „Sex sells“, „Der Künstler als Marke /
Marken in der Kunst“ und „ Kunst und Ware / Kunst und Werbung“ zugeordneten knapp 300 Arbeiten aus
fünf Jahrhunderten bestätigen die bekannte Einsicht, dass sich der Gebrauchswert der Kunst nach der
Auflösung des goldenen Bandes zwischen Kunst und Religion dramatisch verändert hat. Spätestens seit
2005, als die Ergebnisse von Auktionen mit Gegenwartskunst die der Impressionisten und der Klassischen
Moderne übertreffen, treten der Spekulations-, der Waren- und der Kunstwert drastisch auseinander. Die in
Galerien, auf Messen und bei Auktionen erzielten Preise spiegeln zumindest auch, wenn nicht vornehmlich
das Raffinement der Verkaufsstrategen und das Geltungs- und Abgrenzungsbedürfnis potenter und reich
gewordener Käufer. Am Ende der Moderne wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich ein von großen
Mehrheiten getragener und geteilter Kriterienkatalog aushandeln lässt, der dauerhaft Gültiges über die
Qualität von Kunst zu sagen erlaubt. Damit wird aber jede Antwort auf die Frage, was Kunst jenseits ihres
Versicherungs- und Verkaufswerts auszeichnen könnte, in hohem Maße strittig, zum Ausgangspunkt weiterer
gelehrter Abhandlungen und zum Generator einer sich gleichsam selbst perpetuierenden Buchproduktion.

ham, 28. ‚Februar 2018

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