Jan 23

Der montierte Mensch

Von Helmut A. Müller | In Katalog, Kunst

Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 8. November 2019 bis 15. März 2020 im Museum Folkwang, Essen mit Texten von Sabine Breitwieser, Maren Butte, Nadine Engel, Anna Fricke, Antje Krause-Wahl, Olaf Möller, Bernd Stiegler, Lena Trüper, Nisaar Ulama und Arbeiten von Walter Heinz Allner, Bettina von Arnim, Gerd Arntz, Ed Atkins, Giacomo Balla, Joachim Bandau, Lenora de Barros, Willi Baumeister, Thomas Bayrle, Rudolf Belling, Ella Bergmann-Michel, Renato Bertelli, Umberto Boccioni, Wilhelm Braune, John Cage, Helen Chadwick, Computer Technique Group (CTG), Charles A. Csuri, Mariechen Danz, Fortunato Depero, Walter Dexel, Otto Dix, Marcel Duchamp, Raymond Duchamp-Villon, Charles & Ray Eames, Max Ernst, Alexandra Exter, Öyvind Fahlström, Harun Farocki, William Allan Fetter, Otto Fischer, Herbert W. Franke, Carl Grossberg, George Grosz, Richard Hamilton, Barbara Hammer, Sidsel Meineche Hansen, Raoul Hausmann, John Heartfield, Lynn Hershman Leeson, Eva Hesse, Lewis Wickes Hine, Heinrich Hoerle, Rebecca Horn, Vilmos Huszár, Boris Ignatowitsch, Fritz Kahn, Wassily Kandinsky, Anne-Mie van Kerckhoven, Friedrich Kiesler, Konrad Klapheck, Jürgen Klauke, Paul Klee, Heinrich Kley, Josh Kline, Iwan Kljun, Gustavs Klucis, Alexander Kluge, Kiki Kogelnik, Germaine Krull, Boris Kudojarow, Helmuth Kurth, Jürgen van Kranenbrock, Maria Lassnig, Fernand Léger, Alice Lex-Nerlinger, Roy Lichtenstein, El Lissitzky, Hilary Lloyd, Goshka Macuga, René Magritte, Kasimir Malewitsch, Man Ray, Étienne-Jules Marey, Rémy Markowitsch, Caroline Mesquita, László Moholy-Nagy, Johannes Molzahn, Alexei Morgunow, Martin Munkácsi, Eadweard Muybridge, Otto Neurath, Katja Novitskova, ORLAN, Tony Oursler, Trevor Paglen, Nam June Paik, Eduardo Paolozzi, Georgi Petrusow, Antoine Pevsner, Walter Pichler, Jon Rafman, Robert Rauschenberg, Timm Rautert, Alexander Rodtschenko, Thomas Ruff, Walter Ruttmann, James Shaffer, Arkadi Schaichet, Xanti Schawinsky, Helmut Schenk, Oskar Schlemmer, Nicolas Schöffer, Franz Wilhelm Seiwert, Avery K. Singer, Stelarc, Friedemann von Stockhausen, Thayaht, Paul Thek, Jean Tinguely, Patrick Tresset, Anna Uddenberg, Andor Weininger, Erwin Wendt, Hugo von Werden, George Widener

Museum Folkwang, Essen / Kerber Verlag, Bielefeld / Berlin, ISBN 978-3-7356-0637-2, 384 Seiten, 334 farbige Abbildungen, Hardcover gebunden, Format 27 x 21,5 cm, € 65,00

Nach dem Entwurf des Weißbuchs der EU-Kommission für einen europäischen Umgang mit der künstlichen Intelligenz (KI), der Ende Februar 2020 veröffentlicht werden soll, könnte sich das globale Bruttosozialprodukt von 2030 an durch höheren Konsum und die Einsparung von Arbeitsplätzen jährlich um 15,7 Billionen Dollar erhöhen (vergleiche dazu Andrian Kreye, Künstliche Intelligenz. Das neue Plutonium. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 17 vom 22. Januar 2020 Seite 4). Positive Effekte werden unter anderem in der Medizin, der Logistik, der Qualitätskontrolle und der Bekämpfung der Erderwärmung erwartet. Aber: In den USA würden nach einer Studie der Oxford-Universität 47 Prozent der Arbeitsplätze wegdigitalisiert und in Deutschland jeder fünfte Job von einem Roboter übernommen werden, so jedenfalls eine Studie der OECD (vergleiche dazu Benedikt Fuest in der ›Welt‹ vom 25.11.2016: https://www.welt.de/wirtschaft/article159739614/Diese-Jobs-erledigt-kuenftig-die-kuenstliche-Intelligenz.html). Ob alle wegfallenden Arbeitsplätze durch neu zu schaffende ersetzt werden könnten, bleibt offen.

„Fest steht, dass künftig wohl nicht nur Ingenieure werden lernen müssen, mit dem Algorithmus zusammen- zuarbeiten. Mediziner, Programmierer, Journalisten, Banker oder Manager – viele Berufsgruppen, deren Angehörige sich aufgrund ihrer hohen Qualifizierung bislang als unersetzlich sehen, werden zumindest einen Teil ihrer Aufgaben künftig an Algorithmen abgeben, sagt Bob Lord, Chief Digital Officer von IBM, im Gespräch mit der ›Welt‹. ›Überall dort, wo auf Basis komplexer Datensammlungen nach Mustern gesucht wird, können Algorithmen eventuell effizienter Probleme lösen als Menschen‹“ (Benedikt Fuest, a. a. Ort).

Da es von der digitalen Gesellschaft „noch keine Bilder gibt“ (Peter Gorschlüter), präsentieren die Ausstellung und der vorzügliche Katalog ›Der montierte Mensch‹ im Folkwang-Museum einen kunst- und kulturhistorischen Rück- und Überblick auf das schon bisher durchlebte ambivalente Verhältnis von Mensch und Maschine vom Beginn des Maschinenzeitalters bis in die Gegenwart. Die Exponate zeigen und reflektieren die Auswirkungen der Industrialisierung, Mechanisierung, Kybernetik, Robotik, Digitalisierung und anfänglich auch der Künstlichen Intelligenz auf die Lebens- und Arbeitswelt und das Erleben der Menschen. Schwerpunkte liegen bei den Themen Krieg, Beschleunigung und den mit der Verschmelzung von Mensch und Maschine verbundenen Hoffnungen und Ängsten. Gezeigt werden mehr als 200 Werke der Malerei und Grafik, frühe fotografische Experimente, Filme, Skulpturen, Installationen, Collagen, Bilder und Relikte von Performances und aktuelle Arbeiten der Post-Internet-Generation von 116 Künstlerinnen und Künstlern (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=der+montierte+mensch&tbm=isch&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwiRmbnj95bnAhVRUlAKHRGxAuEQsAR6BAgKEAE&biw=1535&bih

=916).

Der Titel ›Der montierte Mensch‹ verdankt sich dem Konstanzer Literaturwissenschaftler Bernd Stiegler, der ihn mit dem technischen Menschen der Moderne verbindet und sich diesen als Fotografen oder als jemand vorstellt, der mit diesem technischen Medium vertraut ist. In der Ausstellung wird ›Der montierte Mensch‹ breiter als „mechanisierter Mensch verstanden, in dessen Körper und Geist das Maschinelle […] eingedrungen ist, sich verfestigt hat oder ganz offenbar zur Voraussetzung des Denkens geworden ist“ (Anna Fricke S. 14). Mit am besten wird dieses breitere Verständnis durch den 1946 in Limassol geborenen zypriotisch-australischen Medien- und Performance-Künstler Sterlac repräsentiert, der mit Prothetik, Robotik, Virtual Reality Systems und auch dem Internet experimentiert und sich neben einem künstlichen Ohr auch eine künstliche dritte Handprothese implantieren ließ (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Stelarc, https://www.youtube.com/watch?v=uKE2XPBPvyo, https://www.youtube.com/watch?v=y3I72ct02iY und https://www.google.de/search?q=stelarc+third+hand&tbm=isch&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwjf_emW2JfnAhXlxMQBHdyICmQQsAR6BAgJEAE&biw=1535&bih=916).

Wenn man nicht nur auf rund 120, sondern auf die letzten 2000 Jahre zurückblickt, erscheint der ›montierte Mensch‹ als die ins Säkulare gewendete szientistisch-technizistische Version des neuen Menschen, der in der Taufe den alten Adam mit seinen Werken ausgezogenen hat, jetzt die Wesenszügeham Christi trägt (Kolosser 3,9 f.), für Frieden, Gerechtigkeit und die Erhaltung der Schöpfung eintritt und mit Christus auferstehen wird (vergleiche dazu https://books.google.de/books?id=UuMsDwAAQBAJ&pg=PA46&lpg=PA46&dq=Der+neue+Mensch+nach+dem+kolosserbrief&source=bl&ots=TlNXpZdPlU&sig=

ACfU3U2MBrVHB94cTzESixaWQWDEeewKrQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwif856nsJnnAhWLbVAKHZc1DnQQ6AEwCHoECAoQAQ#v=

onepage&q=Der%20neue%20Mensch%20nach%20dem%20kolosserbrief&f=false).

ham, 22. Januar 2020

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