Waldbilder von Thomas Kohl

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 19. Mai bis 30. Juni 2017 bei H. W. Fichter Kunsthandel und
Editionen in Frankfurt mit einem Essay von Ulrich Pfarr

H. W. Fichter Kunsthandel und Editionen, Frankfurt/Main, 2017, ISBN 978-3-943856-67-5, 64 Seiten, 54
Farbabbildungen, Broschur, Format 21 x 29,8 cm, € 24,99

Landschaften sind es nicht, die Thomas Kohl mit Blei- und Farbstiften, Pinsel, Aquarell- und Ölfarben auf
Papiere, Kartons und Leinwände bringt. „Es gibt keine Landschaft“ hat Kohl einmal geschrieben.
„Landschaft ist ein Modell, das sich der Mensch geschaffen hat, um die Natur zu verstehen. Landschaft ist
ein Schnitt, ein Blick auf ein vielleicht ökologisch zu nennendes Ganzes, das irgendwo anfängt und aufhört“.
Wenn es in Kohls Bildern aber keine Landschaften zu sehen gibt, dann gibt es auch keine Wälder und
Bäume.

Insofern führt der Untertitel des zur Frankfurter Ausstellung erschienenen Katalogs Waldbilder von Thomas
Kohl ebenso in die Irre wie Bildtitel wie Waldstück, Forȇt Bessȇde, Föhren oder Ulme in Kohls Werk.
Entschieden mehr mit dem Geschehen auf Kohls Bildern zu tun haben dagegen Titel wie der aus Georg
Büchners Lenz entlehnte Titel Keine Regung in der Luft als ein leichtes Wehen (vergleiche dazu https://
www.lesejury.de/media/samples/675/9783943856675_leseprobe.pdf und https://www.fichterart.de/keineregung-
in-der-luft-als-ein-leichtes-wehen-5362, abgerufen am 17. 7.2017). Er bringt die schwankende
Stimmung, die Lenz nach seiner Ankunft bei Pfarrer Oberlin im Bergdorf Waldbach empfindet, auf den
Punkt: „Er ging des Morgens hinaus, die Nacht war Schnee gefallen, im Thal lag heller Sonnenschein, aber
weiterhin die Landschaft halb im Nebel. Er kam bald vom Weg ab, und eine sanfte Höhe hinauf, keine Spur
von Fußtritten mehr, neben einem Tannenwald hin, die Sonne schnitt Krystalle, der Schnee war leicht und
flockig, hie und da Spur von Wild leicht auf dem Schnee, die sich ins Gebirg hinzog. Keine Regung in der
Luft als ein leises Wehen, als das Rauschen eines Vogels, der die Flocken leicht vom Schwanze stäubte. Alles
so still, und die Bäume weithin mit schwankenden weißen Federn in der tiefblauen Luft“ (Georg Büchner,
zitiert nach http://www.sterneck.net/literatur/buechner-lenz-1/index.php).

Um Stimmungen, die Thomas Kohl beim Zeichnen und Malen von Landschaften, Wäldern und Bäumen
empfindet, geht es auch in seinen Bildern. Seine Zeichnungen, Aquarelle und Ölmalereien übersetzen diese
in Landschaften und Wäldern erlebten Stimmungen in Atmosphären. Aus Geflechten von chaotischen,
naturwüchsigen und rhythmisierten annähernd abstrakten Zeichen und Chiffren und aus Grün-, Blau-,
Ocker-, Braun-, Rot-, Gelb- und Grautönen ist ein Bildganzes zusammengewachsen. Das Bildganze macht
etwas sichtbar, was es sonst nicht zu sehen gäbe. Aber es bleibt trotz seiner ästhetischen Evidenz mehrdeutig.
Deshalb kann der Betrachter das, was Kohls Bilder zeigen, als Landschaften, Waldbilder und Bäume lesen,
auch wenn es keine Landschaften, Wälder und Bäume sind. Und er kann sich fragen, ob das, was er sieht,
seinen wechselnden Stimmungen in Landschaften und Wäldern entspricht.

ham, 17. Juli 2017

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