Nikolaus Koliusis, Das blaue Haus oder wie Kunst Orte auszeichnen kann
Hrsg. von Stefan Nägele mit Texten unter anderem von Nikolaus Koliusis, Reinhard Lambert
Auer, Werner Sobek und dem Herausgeber
Stuttgart 2013, Vertrieb: avedition Ludwigsburg, ISBN 978-3-89986-196-9, 130 S.,
zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 28 x 20 cm, € 19,90
Wer in Stuttgart unter dem Schlossplatz Richtung Liederhalle fährt oder in der umgekehrten
Richtung auf den Charlottenplatz zu, trifft an der Decke der beiden Tunnel jeweils auf ein
sich zu einem virtuellen Quadrat ergänzenden „in die Breite gestrecktes U. Sein 16 Meter
langer Schenkel läuft jedoch nicht parallel zur Fahrbahn, sondern ist … um wenige Grad aus
der Achse verschoben, wodurch die beiden kurzen Schenkel 4.9 und 6.9 m lang sind… Das U
besteht aus einer 88 cm breiten Trägerkonstruktion, in die Leuchtmittel und transluzente
Folienbahnen eingespannt sind“ (Katharina Henkel). Die Arbeit ‚50 KM/H‘, 2004, 2-teilig,
verweist auf die Ausstellungsfläche, die für das Kunstmuseum Stuttgart aus einem
stillgelegten Tunnel gewonnen worden ist. Im Museum zeigen zwei Monitore den Verkehr.
2007 hat über der Markuskirche in Stuttgart ein 450 cm langer blauer Balken geleuchtet, der
den Glockenturm zu durchstoßen schien. Koliusis hat mit seinem Lichtbalken ‚Über den
Dingen‘ den üblichen Blick auf die Markuskirche irritiert und mit dieser Störung an das
Jubiläum des Vereins erinnert, der seit 150 Jahren die Kunst in der Kirche wichtig nimmt.
„Mit meinem Beitrag lenke ich den Blick in die Höhe … (und) … in die Ferne… Ich zeichne
aus… Ich markiere, unterstütze mit Licht, vollziehe eine Bewegung, lege eine Spur…,
zugleich markiere ich, wie das Blau des Tages, des Alltages, in den Turmraum, in den
Kirchenraum hinein, ja sogar hindurch ragt… Kulturelle Anstrengungen stehen für
Aufmerksamkeit, sie erfordern und fördern zugleich Wachsamkeit“ (Nikolaus Koliusis).
Das „Blaue Haus“ im Stuttgarter Herdweg 15 ist mit einem vergleichbaren, aber 6 m langen
Balken markiert. Koliusis‘ ‚Grundlinie‘, 2012 bezeichnet das 2009 vom Förderkreis
krebskranke Kinder e.V. mit Hilfe privatwirtschaftlicher Spenden gekaufte und danach
umgebaute und nachhaltig renovierte Haus. „Heute bietet das Blaue Haus Familien mit
krebskranken Kindern ein Zuhause auf Zeit… Betroffene können hier während der stationären
Behandlung ihrer Kinder wohnen, zur Ruhe kommen und vor allen Dingen ganz nah bei ihren
Kindern sein…“ Die Realisierung des Gedenk- und Informationsorts für die Opfer der
nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde am Ort der Planungszentrale in der
Tiergartenstrasse 4 in Berlin steht noch aus. „Mit zwei Elementen … sollen das geschichtliche
Verbrechen und die Menschen, die unter dem Verbrechen gelitten haben und getötet wurden,
thematisiert werden. Die Gestaltung dieser beiden Elemente ist abstrakt – nur Material, Farbe
und Form – ohne Worte. Sinnbildlich deutet die blaue Glaswand, die aufrecht stehend, nach
oben, zum Himmel deutet, … zu den durch die NS – >>Euthanasie<< zwar physisch
getöteten aber durch unser Nicht-Vergessen und Erinnern doch weiter lebenden Menschen.
Sie stehen uns gegenüber, sie stehen zwischen uns, unter uns. Die dunkle Fläche steht für die
>>Schräglage<< und den immer bleibenden >>negativen Abdruck<<, den die
>>Euthanasie<< des NS-Staates in der Geschichte unserer Gesellschaft hinterlassen hat“
(Ursula Wilms, Nikolaus Koliusis, Heinz Heimann).
ham, 20.11.2013
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