Hrsg. von Esther Schlicht und Max Hollein zur gleichnamigen Ausstellung vom 28.02. – 02.06.2013 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt mit Beiträgen unter anderem von Hannes Böhringer, Johannes Meinhardt und Paul Taylor
Schirn Kunsthalle Frankfurt / Hirmer Verlag, München, 2013, ISBN 978-3-7774-2039-4, 160 S., 104 Farb- und 25 s/w-Abbildungen, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 29,5 x 24,5 cm, € 39,90 (D) / 41,10 (A)

Heute in Deutschland lebende 65-Jährige können damit rechnen, dass Sie gegenüber früheren Generationen 15 gute Lebensjahren gewonnen haben. In diesen Jahren sind sie in aller Regel von einschneidenden Alterskrankheiten verschont. Diese Prognose verdankt sich einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach und gehört zu den wesentlichen Ergebnissen der Generali Altersstudie 2013. Ob Alexej von Jawlenskys ab seinem 70. Lebensjahr geschaffene weltberühmte, an Ikonen erinnernde Serie der kleinformatigen Meditationen je entstanden wäre, wenn er nicht fünf Jahre früher an Arthritis deformans erkrankt wäre, ist mehr als unwahrscheinlich. Vergleichbares gilt für Stan Brakhages zweiminütigen tonlosen Film ‚Chinese Series‘ von 2003, in dem der amerikanische Avantgardefilmer Linien mit den Fingernägeln in das schwarze Filmmaterial eingeritzt hat. „Um die Filmschicht besser bearbeiten zu können, weichte er sie zuvor mit seinem Speichel auf. Auf der Grundlage der von Brackhage hinterlassenen Anweisungen erstellte die Filmemacherin Courtney Hoskins nach seinem Tod eine Vorführversion der ‚Chinese Series‘… Künstlerische Kreativität zeigt sich als ein aus organischen und physischen Vorgängen erwachsendes Phänomen aus, wie Brackhage sich äußerte, >>seinem Fleisch<< und >>seinen Fingernägeln<<“ (Henning Engelke). Vergleichbares gilt schließlich auch für die Folge von Scherenschnitten von Henri Matisse, die in der Zeit nach seiner Darmoperation im Jahr 1941 entstanden. Jawlensky, Brackhage und Matisse sind drei von 14 Künstlern, deren „letzte Bilder“ in der Schirn unter Aspekten wie ‚Neubeginn im Alter‘, ‚Variation und Wiederholung‘ und ‚Das letzte Bild‘ vorgestellt werden. Wie die Genannten dürfte auch Martin Kippenberger geahnt haben, dass er, als er seine Jacqueline-Serie ‚Ohne Titel (The Paintings Pablo Couldn’t Paint Anymore)‘ von 1996 begann, gewusst haben, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt. Bas Jan Ader dagegen hat in seiner letzten Ausstellung in Los Angeles im Jahr 1975 eine Atlantiküberquerung auf einem Segelboot und danach einen Spaziergang in Amsterdam angekündigt. Das Boot wurde später gefunden. Wie Bas Jan Ader gestorben ist, bleibt offen.
(ham)

Download:  Letzte Bilder, Von Manet bis Kippenberger

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