Eine Veröffentlichung des Ateliers Sprache e. V., Braunschweig
Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2017, ISBN 978-3-374-05132-8, 136 Seiten, 20 Abbildungen,
Broschur, Format 21,4 x 15,4 cm, € 24,00
Heinz-Ulrich Schmidt und Horst Schwebel haben 1989 in der ersten Veröffentlichung von Bildpredigten
unter dem Titel „Mit Bildern predigen“ nach dem homiletischen Ort dieser vernachlässigten Predigtkategorie
gefragt und Rainer Volp mit der Einschätzung zitiert, dass die Bildpredigt belastet ist, weil sie allzu lange
Bilder als Anschauungsmaterial für Literatur verwendet hat. Nach Volp kastrierte man Bilder „›zum
Anschauungsmaterial in Bibeln und Katechismen, um zu zeigen, was einst und woanders passierte. Aber so
werden Bilder nicht ernst genommen … Eine Bildpredigt mißlingt, wenn die Bilder nur Stoff für Dogmen
und historische Hintergründe sind‹“ (Rainer Volp in Heinz-Ulrich Schmidt / Horst Schwebel, Mit Bildern
predigen. Beispiele und Erläuterungen Gütersloh 1989, S. 12). Für Schmidt ist die Bildpredigt als besondere
Möglichkeit der Predigt „sowohl dem Anliegen der Verkündigung als auch dem Geltungsanspruch der Bilder
verpflichtet in dem Sinn, daß die Bilder den Prediger auf eine Spur bringen, die er ohne sie, beschränkt auf
die textgeschichtlichen Verfahrensweisen, nicht gefunden hätte […]. Ein Bild als Interpretament der
Überlieferung zu verstehen bedeutet nicht, der Autonomie der Kunst in den Rücken zu fallen und an einem
Bild (nachträglich) einen verborgenen christlichen Nebensinn zu entdecken […]. Gegenüber dem
textanalytisch gelenkten Verstehen […] weitet eine ästhetisch orientierte Rezeption den Blick für die
Transparenz biblischer Aussagen, nämlich daraufhin, daß sie nicht alles sagen, in Sprache übersetzen können
[…], was sie mitteilen“ (Heinz-Ulrich Schmidt a. a. O. S 12 f.).
Wenn Jan Hermelink und David Plüss die Dokumentation der Beiträge zum 6. Internationalen Bugenhagen-
Symposion im September 2016 im Titel „Predigende Bilder“ zusammenfassen, deutet dieser Titel nichts
weniger als einen Paradigmenwechsel an: Es wird nicht mehr gefragt, wie Bilder biblische Texte
erschließen, sondern inwiefern und wodurch Bilder selbst zu predigen, zu trösten, zu verstören, zu mahnen
und zu verheißen vermögen. Damit ist die Bildpredigt zu einer „Predigt par excellence“ geworden (Jan
Hermelink, Von der Bildpredigt zur bildbewussten Predigt. In: Predigende Bilder S. 115). In die Bildpredigt
fliessen die subjektiven Erfahrungen der Prediger, ihre Fragen, Zweifel und Glaubensgewissheiten ein und
betreffen dadurch die Hörer. Man redet nicht mehr über ein Bild, sondern ist mit ihm ins Gespräch
gekommen. Homiletisch fruchtbar ist nicht mehr eine Erklärung des Bildes, sondern eine Haltung der
Neugier, die von der Betrachtung des Bildes etwas Neues, noch nicht Gewusstes und noch nicht Gesagtes
erwartet. Für Horst Schwebel war das autonome Bild noch eine Quelle für Erfahrung im Kontext der
Predigtarbeit, nicht aber für das Evangelium. „Heute wird man einen Schritt weiter gehen müssen: Auch das
›autonome‹ Bild kann als Quelle einer religiösen Botschaft erscheinen, nicht nur in der Rezeption, sondern
ggf. schon in seiner Intention; und es kann auf diese Weise zu einem zweiten, ja zum ersten Text der Predigt
avancieren, der mit dem biblischen Predigttext in Korrespondenz und unter Umständen in (produktive)
Konkurrenz tritt“ (Jan Hermelink a. a. O.S. 117). Im Zwischenraum zwischen Bild und Betrachter können
sich Gotteserfahrungen ereignen. Das Bild wäre aber „auch dann nicht einfach Quelle oder Träger einer
Offenbarung“; gleichwohl „kann es – als radikales Gegenüber – in der Predigt zum Medium einer –
durchaus verstörenden – Gotteserfahrung werden“ (Jan Hermelink a. a. O. S. 118).
In den Beiträgen des Bandes deutet David Plüss im Hinweis auf das Vorverständnis und die Wirkung von
Predigten eine Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise von predigenden Bildern gesprochen werden
kann. Wenn eine Predigt die Zuhörer in befreiender Weise berühren und verändern soll, wird man diese
Wirkung auch vielen Bildern zuschreiben können; wenn sie aber als Auslegung eines Bibeltextes und als
Verkündigung des Evangeliums verstanden wird, „muss die Antwort viel zurückhaltender und […]
differenzierter erfolgen. Drei Faktoren scheinen […] jedoch in beiden Fällen von entscheidender Bedeutung:
werkästhetische, konzeptuelle und rezeptionsästhetische. Ob ein Bild […] berührt und verändert, hängt vom
Bild selbst ab […]. Ob ein Bild Menschen in evangelischer Weise berührt und verändert, hängt wohl
weitgehend vom Kontext ab, in dem es betrachtet wird. Ob ein Bild […] in einer Kunsthalle oder einem
Kirchenraum […] oder in einem Gottesdienst betrachtet wird, hat maßgeblichen Einfluss auf dessen
Rezeption. Damit sind wir beim dritten Faktor: Ob ein Bild Menschen berührt und verändert, ist letztlich
eine Frage des subjektiven Erlebens, Deutens und Verarbeitens“ (David Plüss S. 25).
Thomas Erne erinnert in seinem Beitrag an die konfessionellen Konturen der Bildbetrachtung von der
Orthodoxie bis zum reformierten Protestantismus und zeigt, wie sich die jeweiligen theologischen
Grundentscheidungen bis heute in den Kirchengebäuden, der Predigt- und der Gottesdienstkultur auswirken.
Wenn Kirchenräume als Hybridräume der Transzendenz verstanden werden, können sich in Predigten die
orthodoxen, lutherischen, reformierten und autonomen Bildstrategien überlagern oder auch miteinander
kollidieren. „In diesem Zwischenraum erscheint das Bild, gewissermaßen orthodox, auf der Bühne der
Predigt in seiner Präsenz und wirkt in seiner ikonischen Performanz, nun aber als ein autonomes Kunstwerk
und nicht mehr als Kultbild, machtvoll, faszinierend und erschreckend […]. In und aus der Präsenz und
Performanz autonomer Bilder wird in der Predigt um Worte gerungen; Sprachcollagen, hymnische und
poetische Passagen gehen über in lutherische Bilddeutung und reformierte Bildkritik. Denn in der
Kontinuität von Bild und Religion als autonomen Formen der Transzendenz macht die Predigt auch die
Diskontinuität stark. Dann vertreibt die Predigt das Bild aus der religiösen Sphäre, sofern und weil der
Glaube rein als Gottesbewusstsein hervortritt“ (Thomas Erne S. 42). Johannes Stückelberger fragt, wie
Bilder predigen und Markus Zink erörtert, wie sich ein Bild anschauen und angemessen dazu predigen lässt.
Im zweiten Hauptteil werden Einsichten aus den Workshops des Symposiums dokumentiert und am Schluss
ein „dramatischer Tagungskommentar“, der die Atmosphäre und ausgewählte
Höhepunkte des Symposions nacherleben lässt.
ham, 18. Dezember 2017