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Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 28. April – 26. August 2018 im Hamburger Bahnhof –
Museum für Gegenwartskunst – Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, entwickelt von Udo Kittelmann mit
Sven Beckstette, Daniela Bystron, Jenny Dirksen, Anna-Catharina Gebbers, Gabriele Knapstein, Melanie
Roumiguière und Nina Schallenberg sowie weiteren GastkuratorInnen. Herausgegeben von Udo Kittelmann
und Gabriele Knapsten mit Beiträgen von D. Ananth, Z. Badovinac, S. Beckstette, A. Bertina, E. Blume, D.
Bystron, C. Deliss, J. Dirksen, D. Garza Usabiaga, R. Gadebusch, V. Galstyan, A. C. Gebbers, N. Ginwala,
A. Giunta, U. Kittelmann, G. Knapstein, V. König, T. Mamine, A. Neufert, A. Nwagbogu, M. Pehlivanian,
M. Roumiguière, G. Samboh, N. Schallenberg, K. Schrei, N. Sheikh, E. Supriyanto, H. Völckers

Nationalgalerie / Hirmer Verlag München, 2018, ISBN 978-3-7774-3046-1, 432 Seiten, 600 Abbildungen,
Fälzelbroschur gebunden, 32 x 24 cm, € 59,90 (D) / 60,70 (A) / SFR 73,10 (CH)

Keine Kuratorin, kein Kunsthistoriker und auch keine noch so fähige und fleißige Leiterin eines Museums
kann übersehen, was weltweit an Kunst entsteht. Deshalb hatten es die national ausgerichteten Museen am
Beginn der Moderne in gewisser Weise leichter, als sie ihre Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit auf die
Kunstproduktion des eigenen Landes konzentriert und Paris, London, New York und Berlin zu den weltweit
wichtigsten Kunstzentren erklärt haben. Dass der Stülerbau auf der Berliner Museumsinsel DER
DEUTSCHEN KUNST gewidmet war, war im Kontext des Werdens der Nation nur konsequent. Aber die mit
der nationalen und – nach dem Zweiten Weltkrieg – westlichen Selbstbezüglichkeit einhergehende
Verengung der Wahrnehmung wurde mit dem Fortschreiten der Globalisierung zunehmend unübersehbar und
wirkt heute nachgerade peinlich: Es war deshalb höchste Zeit, „der Erkenntnis Geltung zu verschaffen, dass
die Entwicklungslinien moderner Kunst global und vielgestaltig verlaufen.“ (Hortensia Völckers und
Alexander Fahrenholtz S.9). In den Blick kommen muss dann auch, was in Kairo, Dakar, Neu-Delhi, Tokio,
Mexiko, Ljubljana, Jerewan und an den Rändern der Kunstproduktion entstanden ist und entsteht. Die als
retrospektive Vision angelegte Ausstellung der Nationalgalerie Hello World. Revision einer Sammlung hat
genau dieses versucht und gefragt, wie die Sammlung der Nationalgalerie ausgesehen hätte, wenn die
Multiperspektivität, Verflechtung und Hybridität der Kunstproduktion schon bei ihrem Aufbau im Blick
gewesen wäre. Dass die Kunstgeschichte dann pluraler, komplexer, vielschichtiger und damit auch
unübersichtlicher wird und auf eine Vielzahl von Spezialisten angewiesen ist, zeigen die vielstimmigen
Erzählstränge des umfangreichen Katalogs.

So wird an den transkulturellen Austausch und die künstlerische Kollaboration von KünsterInnen wie
Tomoyoshi Murayama, Walter Spies, Rabindranath Tagore, Heinrich Vogeler, Wolfgang Paalen, Anni und
Josef Albers, Mathias Goeritz, Marta Minujin, Julie Knifer, Siah Armajani und weiteren mehr erinnert.
Eigene Kapitel sind unter anderem der Forschungsarbeit zur Revision der Sammlung, der Suche nach neuen
Inspirationsquellen in den Avantgarden gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts und den
skulpturalen Formen der Aneignung, den Sehnsuchtsorten von Paul Gauguin bis Tita Salina und der
Erfindung von Paradiesen, den Bildkulturen Nordamerikas, der indischen Moderne und der Kommunikation
als globalem Happening gewidmet. Nach Udo Kittelmann und Gabriele Knapsten ist die retrospektive Vision
als ein großes Experiment, als Beginn und als Aufbruch zu verstehen, das die Verpflichtung in sich trägt,
„aus den gesammelten Erkenntnissen vorausschauende Entwürfe für die Zukunft zu entwickeln. Diese
Erfahrungen werden nicht nur die Planungen für ein Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum
beeinflussen, nachdem sich gezeigt hat, dass die Moderne als hybrider, von Pluralität geprägter
weltumspannender Entwurf zu verstehen ist. Sie haben schon jetzt ihre Folgen im Denken und Handeln der
Institution hinterlassen […]. Mit […] Hello World positionieren wir uns als ein Museum, das die Welt
buchstäblich empfängt und entschieden für Offenheit, Komplexität und Vielstimmigkeit eintritt“ und „einmal
mehr die Imaginationskraft und die Freiräume der Kunst zur Geltung bringt“ (Udo Kittelmann, Gabriele
Knapsten S. 14).

ham, 22. November 2018

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