Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 14.6.-22.9.2013 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, herausgegeben von Darren Pih und Max Hollein. Mit einem Vorwort von Max Hollein, Essays von Jean-Christophe Ammann, Michael Bracewell, Dominic Johnson, Darren Pih, Mike Kelley, Neil Mulholland, Glenn O’Brien, Simon Reynolds, Alwyn W. Turner und Judith Watt, einer Chronologie von Jonathan Harris und Barry Curtis sowie einer Bibliografie von Ron Moy. Kerber Verlag, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-86678-836-7, 164 S., 134 Farb- und 70 schwarz-weiß Abbildungen, Klappenbroschur, Format 24 x 21,5 cm, Preis: 25 € (Schirn), 32 € (Buchhandel).
Das in den frühen 1970er Jahren entstandene Stilphänomen „Glam“ ist vor allem durch die Musik dieser Ära und Performer wie David Bowie und Marc Bolen bekannt geworden. Die Popularversion von Glamour/Glam verbindet Hoch- und Subkultur, stellt traditionelle Begriffe wie Identität und Geschlecht infrage und ist mit seiner Nähe zur Theatralik, Künstlichkeit, Mythologisierung und Androgynie in den Jahren 1970 bis 1975 auch in Mode, Kunst, Film und Fotografie zu finden. Die Wurzeln von Glam gehen auf Andy Warhol, seine 1962 gegründete Factory und sein Konzept der Superstars ebenso zurück wie auf den Pop-Art-Künstler Richard Hamilton, der an der Newcastle- University für die Gleichwertigkeit von Hoch- und Massenkultur eingetreten ist. Die von den Newcastle-Absolventen Bryan Ferry und Brian Eno 1971 gegründete Band „Roxy Music“ verstand sich als überkommene, mondäne, kühle und erotisch aufgeladene Stile verbindendes Gesamtkunstwerk. Die konzeptuelle Entwicklung von Roxy Music stand ebenso unter Warhols Einfluss wie Bowies Erfindung zahlreicher fiktiver Charaktere. „So wird Warhol-Superstar Baby Jane Holzer namentlich im Songtext von ‚Virginia Plain‘ erwähnt, der ersten Single von Roxy Music (deren Titel sich auf ein Gemälde von Bryan Ferry bezieht, das er während seiner Studienzeit bei Richard Hamilton gemalt hatte). Ferrys Studienkollege Mark Lancaster, der (auf Hamiltons Empfehlung) einige Zeit in der Factory verbrachte, wo er Jack Smith kennen lernte und die Hauptrolle in Warhols Film ‚Kiss‘ (1964) übernahm, ist ein weiteres Verbindungsglied zwischen Warhol und Glam. Bowies Erfindung zahlreicher fiktiver Charaktere während der 1970er Jahre lässt sich als ‚warholesk‘ begreifen. 1971 verkündete Bowie, von Warhol inspiriert: >>Ich greife nur das auf, was andere Leute sagen…Ich denke nicht mehr selbst…Lieber übernehme ich die Position eines Fotokopierers mit einem Image<<“ (Darren Pih). Im Kunst-Kontext wird das Phänomen unter anderem durch die inszenierten Fotografien von Cindy Sherman, Katharina Sieverding und Jürgen Klauke aufgegriffen. Die von Jean- Christophe Ammannn 1974 im Kunstmuseum Luzern unter dem Titel „Transformer“ organisierte Ausstellung brachte Künstler wie Sieverding, Klauke und Urs Lüthi mit Rock-und Pop-Künstlern wie David Bowie, Mick Jagger und Brian Eno zusammen. Für Ammann war es „eine Zeit der fließenden Übergänge und Durchdringungen in der Popkultur, die auch in der bildenden Kunst und der Performance ihren Niederschlag fanden. Der Körper war immer das eine und das andere; männlich und weiblich. Die Rede ist vom männlichen Körper!…“ „Vor 1968 gab es, überspitzt gesagt, Frauenkunst, nach 1968 gab es Künstlerinnen. Nach 1968 haben Frauen nicht den männlichen Part in sich herausgearbeitet und entwickelt, sondern den spezifisch weiblichen. Jenen Part, der durch die ‚Geschichte der Frauen‘ unterdrückt worden war“… „Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach dem Begehren…Durch die kontinuierliche Medialisierung des erotischen und sexuellen Körpers driftet die Kunst mehr und mehr in die ‚Forschung‘ ab. Unter Forschung verstehe ich eine Verlagerung in sozioökonomische und ökofeministische Strategien. Hinsichtlich ‚Transformer‘ heißt das: der Körper als Form des Begehrens, die das Eigene reflektiert, entschwindet aus der Kunst. Der Körper als Hort der Sinnlichkeit und Erotik wird zum Labor für operative Praktiken. Uns bleibt heute die Frage, ob dies die Zukunft der Kunst ist“ (Jean-Christoph Ammann).
In weiteren Kapiteln wird Glam unter anderen in seinen perfomativen Aspekten, in seiner Künstlichkeit und als Fortführung von psychodelischen Wahrnehmungen der 1960er Jahre thematisiert.
ham , 16.7.2013
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