Aug 29

GAMA. Tal der Königin

Von Helmut A. Müller | In Katalog, Kunst

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 3. September – 8. Oktober 2016 in der Galerie Michael Schultz Berlin mit einem Text von Gerhard Charles Rump

Galerie Michael Schultz, Berlin, 2016, ISBN 978-3-939983-74-3, 44 Seiten, eine schwarzweiße und 15 farbige Abbildungen, Broschur mit Rückstichheftung, Format 28 x 24 cm

 

GAMAS 2010 auf der zentralen Wand im Foyer des Hospitalhofs Stuttgart erstmals gezeigtes Großformat Labsal, 2009, Öl auf Leinwand, 278,1 x 400 cm wird gegenwärtig von Chambers Fine Art, New York über artnet zum Verkauf angeboten (In: artnet. Siehe http://www.artnet.de/künstler/gama/labsal-alchemy-a- IJgyPBRSWPwtALVw-FyCnQ2. Abgerufen am 28. 8. 2016). In Labsal sind wie in seinen anderen Gemälden aus diesen Jahren Innen-, Außen- und Seelenräume untrennbar ineinander verwoben. Ein Urwaldriese deutet „den Innenraum an. Die rückwärtige Wand lässt in ihren erdig leuchtenden Farben an Erdschichten, aber auch an Spektralfarben denken. Man imaginiert die Evolution des Lichts, des Kosmos und der Arten. Die Figurengruppe im Vordergrund rechts zitiert Rembrandts »Anatomie des Dr. Tulp« von 1632. Es bleibt nicht beim einfachen Zitat. Die Figuren haben sich verwandelt. Aus dem Mediziner, seinen Kollegen und den Studenten sind Kunstkritiker geworden. Der Chefkritiker steckt seine Hand in die geöffnete Leiche. Es liegt aber keine menschliche Leiche auf dem Tisch. […]. Die Leiche erweist sich als die Erfindung des Künstlers, als Kunstfigur mit einem Farbflecks als Kopf“ (Helmut A. Müller, Fluchtpunkt Archaik. In: GAMA, Losung. Katalog zu den Ausstellungen in Stuttgart 2010, Essen 2010 / 2011 und Leimen 2011, herausgegeben von Frank Schlag, Essen, 2011, S. 24).

Tanzender Schamane II, Acryl auf Leinwand, 200 x 180 cm ist wie Labsal im Jahr 2009 entstanden. Die Arbeit zeigt einen Schamanen, der vor einer Birkengruppe in einem Innenraum mit einer Schwarzwalduhr und einem Doppelfries aus grün-schwarzen Quadraten tanzt. Die Birken zeigen erste lindgrüne Blätter und scheinen zu blühen (GAMA, Losung, a. a. O. S. 23). Es ist Frühling. Gama hat seine Malerei weiter bearbeitet, in ein Herbstbild verwandelt und seinen surreal-mythischen Charakter stärker betont. An den Spitzen der Birkenzweige sind jetzt herbstlich gelbe und braune Blätter zu finden; an den Zweigen darunter werden sie türkis und an den untersten Ästen dunkelrot und dunkelblau. Der Doppelstreifen auf der weinroten Trainingshose des Schamanen ist jetzt einheitlich grün und sein Federschmuck weist gelbe Zusatztöne auf. Die nach ihrer Überarbeitung als Tanz der Schamanen, 2009 – 2016 bezeichnete Malerei erinnert an die Großtante von GAMA, eine bedeutende Schamanin und Heilerin, die vorzugsweise in den Birkenwäldern der Mongolischen Steppe auf ihre Seelen- und Jenseitsreisen ging. Weiterentwickelt und erweitert haben sich in den neueren Arbeiten neben den Farbspektren auch die Komposition, die Malgründe und die Formate (vergleiche GAMA, Tal der Königin, S. 37).

Neben seinen ineinander verschränkte Innen-, Außen- und Seelenräume werden jetzt auch klassische Landschaften wie Fjord, 2014, Öl auf Leinwand, 160 x 140 cm und Fußreise IV, 2014, Öl auf Leinwand, 160 x 140 cm gezeigt (vergleiche dazu http://www.schultzberlin.com/de/node/6081, abgerufen am 28.8.2016). An die früheren Innenräumen erinnern in diesen beiden Arbeiten nur noch die Tapeten, in Fjord zusätzlich die Lampe, die einstens das Oben und das Unten angezeigt hat. In Arbeiten wie Rückkehr IV, 2016, Öl auf Leinwand, 200 x 250 cm geht die Komposition in eine freie malerische Erfindung mit einem flächigen violetten Hinter-, einem violett-grünen Vordergrund und einer dort eingelagerten Erzählung in Weiß und Rot über: In Rückkehr IV trinkt ein weißes Pferd in einer grünen Wiese aus einem violetten See. Auf dem Pferd sitzt ein Reiter mit einem Strohhut, einer roten Jacke , einer hell- und dunkelrot karierten Hose, gelben Socken und dunkelvioletten Schnabelschuhen. Sein Kopf fehlt. Um das Maul des Pferds bilden sich Farbringe. Der Himmel hat sich in eine violette Farbwolke verwandelt (vergleiche dazu http:// www.schultzberlin.com/de/exhibitions/upcoming. Abgerufen am 28.8.2016). Die parallele Malerei Rückkehr III, 2016, Öl auf Holz, 60 x 50 cm kann für das jetzt neben den Großformaten auftauchende kleine Format und den vor sechs, sieben Jahren noch nicht ins Kalkül gezogenen Malgrund Holz stehen. Auf seinen Kleinformaten zeigt Gama, wie er das an der Central Akademie of Fine Arts in Beijing und bei Gustav Kluge an der Kunstakademie in Karlsruhe Gelernte und damit die fernöstliche und die westliche Maltradition zusammendenkt. In den Farbspuren an den Bildrändern und in der flächig ausgebreiteten Farbe wird die Phase der westlichen Malereigeschichte aufgerufen, in der man die Farbe als Farbe zu erforschen begann; das Pferd, der Reiter ohne Kopf und die anderen Erzählungen stehen dagegen für seine mongolische Herkunft und die östliche Welt der Mythen. Es bedarf der „»westlichen« Oberfläche, um auch »östliche« Narrative transportieren zu können“ (Gerhard Charles Rump, Die Seelenwanderung der Vergangenheit. In: GAMA. Tal der Königin S. 3).

ham, 28. August 2016

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