Echter Verlag, Würzburg, 2017, ISBN 978-3-429-04359-9, 216 Seiten, 51 Farbabbildungen, Hardcover
gebunden, Format 23 x 15,5 cm, € 17,90 (D) / € 18,40 (A)

Der von dem katholischen Schriftsteller und Diplomaten Paul Claudel nach dem Zweiten Weltkrieg
begründete Aschermittwoch der Künste findet inzwischen weltweit in über 100 Städten statt und nimmt die
ganze Bandbreite künstlerischen Schaffens in den Blick, angefangen von Literatur, Musik und Theater bis
hin zur Architektur und zur Bildenden Kunst. Kardinal Josef Frings hat die Idee 1950 in Köln aufgegriffen.
In Würzburg wurde er 1957 von dem damaligen Bischof Josef Stangl eingeführt. Friedhelm Hofmann war
der Dialog von Kunst und Kirche in seiner Zeit als Dompfarrer, Künstlerseelsorger und Weihbischof in Köln
und dann auch als Bischof von Würzburg eine Herzensangelegenheit. „Das Gespräch zwischen Kunst und
Kirche ist keineswegs ein überflüssiger Luxus, sondern führt geradewegs in das Herz der Kirche. Mehr denn
je laufen wir heute Gefahr, dass wir Religion allzu sehr spiritualisieren und zur Privatsache erklären […].
Seit der Geburt Jesu […] hat das Christentum jedoch eine Verleiblichung erfahren, die immer wieder
aktualisiert und in die jeweiligen Zeiten und Kulturen hineingetragen werden muss. Diese
Standortbestimmung sind wir unserem Glauben schuldig und dazu braucht es […] die Hilfe und den
Beistand der Kunst. Sie hilft uns die Zeichen der Zeit zu lesen und sie […] als Stimme Gottes zu
deuten“ (Friedhelm Hofmann S. 9 f.).

Der sehens- und lesenswerte Band fasst über den Tag hinausweisende Impulse des Würzburger
Aschermittwochs der Künste aus den Jahren 2008 – 2017 zusammen und dokumentiert unter anderem Reiner
Kunzes Gedicht:

„Geistlicher Würdenträger, Künstlern ins Gewissen

Er sagte nicht: seid
schöpfer

Er sagte: dient
dem glauben

So gering ist sein glaube
in die Schöpfung“.

Reiner Kunze hatte 2009 in der Neubaukirche in Würzburg mit zwei Medaillons an die Schwierigkeit
erinnert, denen ein Schriftsteller im dörflichen Alltag ausgesetzt ist. Einmal hatte er das Altenteil
angestrichen, in dem er und seine Frau unter der Bedingung billig wohnen konnten, dass sie es instand
setzen. „Ich hatte noch nie ein Haus angestrichen. Die Besitzerin lieh mir einen ausgedienten Wurstkessel
und wies mich darauf hin, dass ich den Kalk über Nacht weichen lassen müsse. Mein Vater […] riet mir,
zwei Handvoll Salz hinzuzugeben. Außerdem hatte ich verschiedentlich beobachtet, dass der Maler so lange
Farbpulver beimischt, bis ihm der Farbton zusagt. Und so kaufte ich anderthalb Kilo Trockenfarbe Ockerhell
und tat, wie mir geheißen. Als ich alles Pulver zugesetzt hatte […], begann ich zu streichen.

Tags darauf führten auf dem gegenüber liegenden Hang eine Bäuerin und die erwachsene Tochter unserer
Wirtin beim Rübenziehen folgendes Gespräch: ›Welcher Maler hat denn euer Haus angemalt?‹ ›Das war
Herr Kunze.‹ ›Ob der unser Haus auch machen würde? So einen Ockerton hat’s im Dorf überhaupt noch
nicht gegeben!‹ ›Der Herr Kunze ist doch kein Maler.‹ ›Dann hat er aber Maler gelernt.‹ ›Soviel ich weiß, hat
er studiert, und dann war er Lehrer an der Universität.‹ ›Du willst mir doch nicht weismachen, daß jemand,
der kein Maler ist, so einen Ockerton zustande bringt! Das schafft doch der zehnte Maler nicht.‹ „Der Herr
Kunze ist Schriftsteller.‹ ›Na, was sich heute so alles Schriftsteller nennt.‹“ (Reiner Kunze S. 37 und 43 ff.).

Im zweiten Medaillon gibt Kunze wieder, was ihm die Briefträgerin aus Greiz in Thüringen eines Morgens
erzählt: „›Was die Leute so reden, Herr Kunze.‹ Sie wollte sich nicht nur der Post entledigen, und ich
ermutigte sie. ›Sie hätten eine so tüchtige Frau‹, sagte sie. ›Stimmt‹, sagte ich. ›Jeden Morgen halb sieben
geht Ihre Frau auf Arbeit, und Sie bleiben zu Haus.‹ ›Stimmt auch‹, sagte ich. ›Sie müssten doch von etwas
leben!‹ Auch das stimmte. Mit anderen Worten: Mein Ansehen bei den Nachbarinnen war denkbar gering.
(Es besserte sich mit den Jahren, als ausnahmslos ich die Fenster putzte.)“ (Reiner Kunze S. 45).

Helmut A. Müller, 16. April 2018

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