Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 18. Oktober bis 1. Dezember 2019 im Zeppelin Museum Friedrichshafen, herausgegeben von Matthias Lenz und Regina Michel mit einem Text von Clemens Krümmel
ZF Kulturstiftung Friedrichshafen / modo Verlag Freiburg i. Br., 2019, ISBN 978-3-86833-277-3, 48 Seiten, 50 Farbabbildungen, Hardcover, Fadenheftung, Format 28,5 x 23,5 cm, € 20,00
Wer im Biologie- und Chemieunterricht aufgepasst hat, weiß, dass Pflanzen und Algen mithilfe des Licht absorbierenden Farbstoffs Chlorophyll Licht in chemische Energie umwandeln, um aus Wasser und Kohlenstoffdioxid eine energiereiche organische Verbindung, die Glucose aufzubauen. Die Fotosynthese findet bei den Nadelbäumen in den Nadeln und bei den Laubbäumen in den Blättern statt (vergleiche dazu https://www.sofatutor.com/biologie/biologie-der-pflanzen-und-pilze/lebensweise-aufbau-und-stoffwechsel-von-pflanzen/fotosynthese-und-atmung?sofa_cn=[T]_Biologie_topic_exact-adults_(SP)&gclid=EAIaIQobChMI5K66-uyt6AIVC553Ch2cxwwaEAAYASAAEgJTpvD_BwE). Der Schweizer Chemiker deutscher Abstammung Michael Grätzel hat die mit dem Farbstoff Chlorophyll verbundene Energieumwandlung in den von ihm erfundenen Grätzel- oder Farbstoff-Solarzellen in einer technischen Fotosynthese nachgeahmt. Die elektrochemische Farbstoff-Solarzelle verwendet zur Absorption von Licht keine Halbleiter, sondern in hauchdünnen Schichten auf Glaselektroden aufgetragene organische Farbstoffe (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Grätzel-Zelle).
Der 1960 in Maktleuggast, Oberfranken, geborene Fotograf, Bildhauer und Installationskünstler Franz John hat durch seine an der Schnittstelle zwischen menschlicher und maschineller Wahrnehmung konzipierten Projekte internationale Beachtung gefunden. Während seines Stipendenaufenthalts in Friedrichshafen hat er seine Arbeit mit Grätzel-Zellen (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=franz+john+k%C3%BCnstler&tbm=isch&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwj8zYjMga7oAhUH4aQKHU31ADcQsAR6BAgKEAE&biw
=1588&bih=888#imgrc=ne8S46dx4L_JwM) in seinem Projekt ›Ressource Farbe‹ weitergeführt und daran geforscht, wie aus den Farbstoffen des am Bodensee beheimateten Hopfens Farbstoff-Solarzellen gebaut werden können. Mit der in den Farbstoff-Solarzellen gewonnenen Energie hat er seine im Zeppelin Museum gezeigte Lichtinstallation zum Leuchten gebracht (vergleiche dazu http://modoverlag.de/neuerscheinungen/product-page/buch/titel//franz-john/show/ und die unter dem Buchtitel abgebildeten Farbstoff-Solarzellen: Wenn man die Solarzellen und danach die unter ihnen positionierten Ziffern 01, 02, 03 und 04 antippt, öffnen sich weitere Fenster zu den Installationen im ZF-Turmatelier und im Zeppelin Museum).
„Aufgrund seiner ungewöhnlichen Offenheit gehört das Werk von Franz John zu jenen seltenen Fällen, in denen die schon seit geraumer Zeit zum Klischee gewordene Vorstellung von einem Arbeiten zwischen Kunst und Wissenschaft auch über einen längeren Zeitraum immer wieder zu überzeugenden und überraschenden Ergebnissen führt. Was seine Arbeitsweise so bemerkenswert macht, ist seine Unabhängigkeit gegenüber den eingeschliffenen Routinen der Arbeitsteilung – und seine gedankliche Beweglichkeit, die ihn zu einem der wenigen interdisziplinären Künstler*innen macht, die diesen Namen mit vollem Recht tragen. Die Ernsthaftigkeit seiner forschungsnahen Arbeit, die von ihm hartnäckig und mit methodischem Perfektionismus betrieben wird, zeigt sich deutlich an Johns Interesse an metakünstlerischen Diskursen […]. Auch in seinem Friedrichshafener Hopfen-Projekt, das neben seiner Nutzung photovoltaisch aktiver pflanzlicher Solarzellen und damit neben der Ressource Farbe auch auf die gegenwärtige und zukünftige Bedeutung der Ressource Kunst zeigt, treten einem die Nachhaltigkeitspoteniale der […] unmittelbaren Umgebung leuchtend vor Augen – wenn Franz John für seine Kunst photosynthetische Energie aus Pflanzenpigmenten einsetzt, nutzt er damit nicht nur die derzeit avancierteste Solartechnologie, er bezieht sich auch mit undramatischen künstlerischen Mitteln auf ein Register, das bis zu den Ursprüngen allen Lebens zurückreicht“ (Clemens Krümmel S. 25).
ham, 23. März 2020