Publikation zu den Ausstellungen vom 12. Februar bis 1. Mai 2017 im Kunstverein Reutlingen, vom Mai
2017 bis September 2018 in der Kunststiftung Erich Hauser, Rottweil und vom 18. März bis 17. Juni 2018
im Museum Art.Plus, Donaueschingen, herausgegeben von Simone Jung, Heiderose Langer und Christian
Malycha mit Texten von Robert Kudielka, Hendrik Lakeberg, Heiderose Langer, Christian Malycha und
Sebastian Steinhäußer
DISTANZ Verlag, Berlin / Kunstverein Reutlingen / Kunststiftung Erich Hauser, Rottweil / Museum
Art.Plus, Donaueschingen, 2018, ISBN 978-3-95476-238-5, 176 Seiten, 114 Farb- und
Schwarzweißabbildungen, Hardcover, Format 27,5 x 20,5 cm, € 28,00
Der 1971 in Wriezen geborene Tony Cragg-Meisterschüler Axel Anklam lebt und arbeitet heute in Berlin und
Bad Freienwalde. Seine handwerkliche Perfektion verdankt er seiner Ausbildung als Kunstschmied in den
Jahren 1987 – 1990 und seiner Arbeit als Restaurator in den Jahren 1996 – 1998. Im Kunstkontext ist er ab
den ersten 2000er Jahren unter anderem durch Ausstellungen von sockellos auf dem Boden platzierten
Stahlskulpturen aufgefallen, die mit Latex überzogen waren und im weiteren Sinn an Kokons, Raupen und
Schmetterlinge erinnern (vergleiche dazu etwa Approximativ, 2005 und Shine, 2006). Später kamen mit
Edelstahl statt mit Bleiruten gerahmte Fenster hinzu, die auf glasfaserverstärkten Kunststoff zurückgegriffen
und sich nach und nach auch den Luftraum erobert haben (vergleiche dazu etwa Early Dew, 2008 und Honey
Hills, 2008). Weitere ab 2008 die an Schleier erinnernden frei im Raum schwebenden Boreaden aus
Edelstahlnetzen, die aus aufeinander zu laufenden Linien entwickelten und auf Sockeln platzierten
tiefschwarz schwingenden Skulpturen aus Carbonfaser, Edelstahl und Epoxyd (vergleiche dazu etwa
Melancholia, 2016) und neuerdings die Schneeland-, Massiv- und Clime -Serien aus collagierten
titaniumbeschichteten Edelstahlblechen (vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=Axel+Anklam&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwjY9sHRgqvbAhUlJ5oKHVEYAx
sQsAQINg&biw=1656&bih=912, abgerufen am 29. Mai 2018). Die von Anklam innerhalb von knapp zwei
Jahrzehnten entwickelte Ausdifferenzierung, Vielfalt und Vielgestaltigkeit seines Werks überrascht und
erfreut in einem Kontext, in dem andere auf Marktkompatibilität und einen wiedererkennbaren Markenkern
setzen.
Christian Malycha hat Anklams Skulpturen deshalb zurecht „erstaunliche Schöpfungen“ genannt. Sie
erscheinen für ihn „klar in sich gefasst und doch für jeden Blick unabschließbar. Bei aller Monumentalität
sind sie sinnlich, fein gegliedert und leicht. Unbewegt, in sich aber vollendet dynamisch. Sie besitzen
unverkennbares Volumen, doch gleichsam sind sie offen, nahezu körperlos, transparent sogar. Alles, was für
herkömmliche Bildhauerei gilt – Schwere, Undurchdringlichkeit und träge Massen – scheint in ihnen
vollkommen umgekehrt. Axel Anklam ist ein Bildhauer des Lichts“ (Christian Malycha S. 6). Wenn man wie
Malycha nach der inneren Logik der Arbeiten fragt und nicht bei ihrer äußeren Erscheinung stehenbleibt,
findet sich die durchgängige Idee also doch.
Heiderose Langer stellt Malychas Metapher „Bildhauer des Lichts“ in den größeren kunstgeschichtlichen
Zusammenhang, wenn sie daran erinnert, dass das Licht schon im Konstruktivismus wesentlicher
Gestaltungsfaktor war. „Licht verwandelt die Skulpturen, macht sie lebendig, lässt sie in ihrer Schönheit
erstrahlen und bringt sie aufgrund der flüchtigen und durch die Bewegung wechselnde Beschaffenheit zum
Schweben, ein Raumgefühl, das im Konstruktivismus zu einem zentralen Thema wurde“ (Heiderose Langer
S. 91 f.). Anklam knüpft also an die künstlerischen Avantgarden der 1920er und 1930er Jahre an und befragt
deren Prinzipien auf ihre Gültigkeit unter den Bedingungen der Gegenwart. „Zentrale Fragestellungen
waren: Wie kommt das Licht in das Innere der Skulptur? Eng damit verbunden sind Überlegungen zur
Auflösung von Volumen, Gewicht und Masse als zentrale Kriterien der klassischen Bildhauerei und damit
zur Verwendung transparenter Materialien, um ein neues bildhauerisches Gestaltungsrepertoire zu
entwerfen“ (Heiderose Langer S. 92). Naum Gabo (1890 – 1977) hat dann in den 1930er Jahren als erster
begonnen, virtuelle Volumen unter Verwendung von Kunststoffen wie Plexiglas und später von gespannten
Kunststoff-Fäden zu entwickeln (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=naum+gabo+Model+for+
%27Spheric+Theme%27&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwjV0q2tk6vbAhVLb5oKH
eovCQkQsAQIMw&biw=1656&bih=912, abgerufen am 29. Mai 2018).
Nach Robert Kudielka geben Anklams Plastiken „Licht und Farbe ein plastisches, aber fest umrissenes
Volumen. Von der Decke Schweben ist daher eine naheliegende Alternative zur Aufstellung auf dem Boden“.
Für ihn hat Axel Anklam der „Bildhauerei, dieser Kunst der Massen und Gewichte, die musikalische
Prägnanz und Grazie der Lyrik erschlossen“ (Robert Kudielka S. 56).
ham, 29. Mai 2018