Feb 8

André Butzer

Von Helmut A. Müller | In Katalog, Kunst

Katalog zur Ausstellung vom 13.12.2015 – 28.2.2016 im Kunstverein Reutlingen, herausgegeben von Christian Malycha mit einem Vorwort des Herausgebers und einem Gespräch zwischen André Butzer, Hendrik Lakeberg und Christian Malycha

Neske Verlag, Pfullingen 2016, ISBN 3-7885-0008-5, 64 Seiten, zahlreiche doppelseitige Farbtafeln, Broschur, Format 30 x 24 cm, € 15.00

Wer den durch massive Stahlträger geprägten Ausstellungsraum des Kunstvereins Reutlingen im ersten Stock der vormaligen Chr. Wandel Metalltuch- und Maschinenfabrik in der Eberhardstrasse 14 in Reutlingen kennt, hat sich kaum vorstellen können, dass sich die in der Einladung zur Ausstellung angekündigten Kleinformate von André Butzer in dem knapp 1000 qm großen lichtdurchfluteten Raum behaupten würden. Die gezeigten 18 Arbeiten aus Butzers N-Serie aus den Jahren 2014 und 2015 in Formaten zwischen 31 x 22 cm und 60 x 80 cm haben alle Bedenken mit großer Selbstverständlichkeit hinweggefegt und eine vorher kaum vorstellbare Nähe zwischen den von den Malereien evozierten Licht- oder Seelenräumen und den Betrachtern hergestellt. Die Arbeiten wurden in der Reihenfolge ihrer Entstehung in zweier- und dreier- Gruppen und auch einzeln gehängt und laufen auf die schon in der Ausstellung „Für Johann Peter Hebel“ in der Nordheimer Scheune gezeigte jüngste Arbeit der Serie im Format 30 x 24 cm zu. Das Kleinformat hängt an der zwischen 14 und 16 m langen Stirnwand und trägt die gesamte Wand. Es scheint sich auf ihr
auszudehnen und es beherrscht auch noch im Abstand von 20 oder 30 Metern den Raum. Frank Kleinbachs brillante Aufnahmen in der durchgehend weiß gestrichenen vormaligen Fabrikhalle lassen den Gang durch die Ausstellung nachempfinden und die Kraft der Malereien des 1973 in Stuttgart geboren Künstlers erahnen. Aber der von Butzer in seinen Arbeiten angestrebte und erreichte feinstens ausbalancierte Lichtklang entzieht sich jeder Reproduktion. Deshalb geht das vor Ort empfundene Gefühl, in den Malereien eine ferne Heimat finden zu können, beim Betrachten der Abbildungen verloren. So wird ein weiteres Mal deutlich, dass existentiell berührende Kunst von der direkten Begegnung lebt.

Dem Vorwort von Christian Malycha spürt man ab, dass er die Entwicklung der Malerei Butzers schon seit Jahren verfolgt. Es erlaubt einen komprimierten Überblick über die bisherigen Werkphasen und einen Einblick in die Dramaturgie der Reutlinger Ausstellung. Im Gesprächs von Hendrik Lakeberg und Christian Malycha mit André Butzer beginnt man sehr schnell zu begreifen, dass dem Künstler Bilder gelungen sind, die das gängige Verständnis von Kunst weit hinter sich lassen. Gefragt, ob er manchmal so etwas wie Avantgarde suche, antwortet Butzer: „Da komme ich her und dahinter kann ich nicht mehr zurück. Was würde ich denn jetzt suchen? Kunst ist das nicht mehr unbedingt, gewisse andere Formen von Einsicht oder Aussicht vielleicht […]. Mich beschäftigt etwa die männliche Ausprägung des Göttlichen, dass die Männer versuchen, das Göttliche im Außerweltlichen zu treffen. Diesen Weg bin ich sicher auch gegangen, nur meiner hat sich hoffentlich mit einer weiblichen Suche nach Gott verschränken lassen. Das wäre eine irdische, ›demeterhafte‹ Gottessuche. Diese Verschränkung wäre etwas, das mir vorschwebt für ein Dasein »nach der Kunst«. Dass sich die transzendentale Lichtsuche mit der malerischen Lichtfindung im Irdischen
versöhnt. Bilder sollen wohl auch bei uns Licht machen […]. Bilder erscheinen ja immer in der Welt und erfüllen ihre Arbeit hier am Menschen, geben diesem […] damit sein irdisches Kleid […]. Indem sie auf sich selbst und auf die Welt verzichten, indem sie zum wahren bildnerischen Verzicht werden, finden sie erst wirklich ihren Ort in der Welt. Und wir müssen lernen, was es heißt, dass die Bilder keine Welt mehr sind“ (André Butzer S. 48).

Mit dem Butzer – Katalog scheint der 1993 von Klett-Cotta übernommene und vormals in Pfullingen ansässige Neske – Verlag wiederaufzuleben, in dem Autoren wie Martin Heidegger, Ernst Bloch, Walter Jens, Peter Härtling und auch der Tübinger Philosoph Walter Schulz veröffentlicht haben. Seine Gestaltung erinnert an die von Brigitte Neske erarbeiteten Vorgaben und sein Signet an den lange Jahre auf der Achalm bei Eningen lebenden Holzschneider HAP Grieshaber. Aber man wird vergeblich auf weitere Bände warten. Dem Künstler und dem Herausgeber waren die lokalen Bezüge als Anknüpfungspunkte für die Ausstellung wichtig. Deshalb haben sie bei Klett-Cotta nachgefragt, ob sie in der Gestaltung des Katalogs an den Verlag Neske erinnern können. Klett-Cotta hat die Nachfrage positiv beschieden und eine einmalige Genehmigung erteilt.

ham, 5.3.2016

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