Ausstellung auf Schloss Achberg und vom 26. Oktober 2024 bis 9. März 2025 in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen und Katalog, herausgegeben von Michael C. Maurer und Isabell Schenk-Weininger. Mit einem Vorwort der Herausgeber und Texten von Uwe Degreif, Carla Heussler und Corinna Steimel 

Beteiligt Künstlerinnen:

Anna Peters (1843 – 1926), Pietronella Peters (1848 – 1924), Paula von Waechter (1860 – 1944), Sally Wiest (1866 – 1952), Anna Huber (1868 – nach 1943), Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1875 – 1943), Käte Schaller-Härlin (1877 – 1973), Maria Caspar-Filser (1878 – 1968), Johanna Dann (1878 – 1974), Helene Wagner (1878 – 1943), Maria Hiller-Foell (1880 – 1943), Emma Joos (1882 – 1932), Anna Eichler-Sellin (1886 – 1970), Marie Sieger (1886 – 1970), Luisa Deicher (1891 – 1973)

Der Impressionismus wird herkömmlich  mit Werken wie Claude Monets ‚Impression, Sonnenaufgang‘ von 1872 (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Impression,_Sonnenaufgang), Édouard Manets ‚Eine Bar im Folies-Bergère‘ von 1882 (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Bar_in_den_Folies_Bergère), Edgar Degas’ ‚Tänzerin mit Blumenstrauß (Der Stern des Balletts)‘, um 1878 (vergleiche dazu https://www.barnebys.de/blog/der-skandal-um-degas-kleine-tanzerin) und ihrem Interesse an freundlichen und hellen Farben, lichtdurchfluteten Boulevardszenen  mit elegant gekleideten Damen, Tänzerinnen, Frauen bei der Toilette, Blumenverkäuferinnen und der Wiedergabe eines realistischen Moments verbunden.

Dem „Schwäbischen Impressionismus“ ordnet man in der Regel Maler wie Christian Landenberger, Otto Reiniger, Gustav Schönleber oder den Landschafts- und Eisenbahnmaler Hermann Pleuer zu (vergleiche dazu https://www.portalkunstgeschichte.de/meldung/der_schwaebische_impressionismus-4856.html ). Die von Uwe Degreif kuratierte Ausstellung ‚Schwäbische Impressionistinnen‘ zeigt mit mehr als 100 Werken aus den Jahren 1895 bis 1925, dass Künstlerinnen ihren männlichen Kollegen durchaus das Wasser reichen konnten. Nach Isabell Schenk-Weininger ist es eines der Ziele der Ausstellung, den Kanon der Kunstgeschichte so zu erweitern, dass reine Frauen Ausstellungen überflüssig werden.

Frauen in der Kunst waren über Jahrhunderte undenkbar. Selbst der bedeutende Kunsthistoriker, Museumsleiter und Kunstpädagoge Alfred Lichtwark (1852 – 1914) konnte giftig fragen, warum Töchter nicht lieber ordentlich kochen lernen: „Es gibt so viele schlechte Künstlerinnen und so wenig gute Köchinnen“ (Alfred Lichtwark). Was Lichtwark an dieser Stelle nicht sagte: Man hielt es für unsittlich, dass Frauen im Aktsaal zeichneten und schloss sie deshalb vom Kunststudium aus. In Stuttgart war das anders. Dort durften Frauen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kunst studieren. 1874 waren 30 Prozent der Studierenden an der Königlichen Kunstschule weiblich. Das war deutlich mehr als an anderen Kunstakademien in Deutschland (vergleiche dazu die Canstatter Malerin Johanna Koch. In: https://cannstatterfrauengeschichten.wordpress.com/tag/wurttembergischer-malerinnenverein/#:~:text=; Anne-Kathrin Herber, Frauen an deutschen Kunstakademien im 20. Jahrhundert. Ausbildungsmöglichkeiten für Künstlerinnen ab 1919 unter besonderer Berücksichtigung der süddeutschen Kunstakademien, Heidelberg 2009, S. 102 ff.: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/11048/1/Dissertation_Teil_I_Anne_Kathrin_Herber.pdf und https://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Akademie_der_Bildenden_Künste_Stuttgart). 

Im am 25. Februar 1893 von den Künstlerinnen Anna und Pietronella Peters und Sally Wiest nach Berliner und Münchener Vorbild gegründeten Württembergischen Malerinnen-Verein konnten Frauen ab 18 Jahren Mitglied werden, Kurse in Aktzeichnen, Lithographie sowie Radierungen besuchen, ihre Werke besprechen lassen und an Vereinsabenden, Exkursionen und Ausstellungen teilnehmen. Für in Not geratene Künstlerinnen wurde eine Hilfs- und Sozialklasse eingerichtet. Höhepunkte des von Königin Charlotte unterstützten Vereins waren die jährlich stattfindenden Damenkostümbälle, zu denen Männer keinen Zutritt hatten. 1907 konnte das Vereinshaus in der Stuttgarter Eugenstraße erworben werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Verein in ‚Den Bund Bildender Künstlerinnen Württemberg‘ über. 

Unter den fünfzehn Künstlerinnen der Ausstellung ist die auf Landschaftsmalerei spezialisierte Sally Wiest mit ihrem vermutlich von der Dachterrasse ihres eigenen Ateliers in der Urbanstraße aus gemalten, ursprünglich wohl sechsteiligen Panoramagemälde Stuttgart aufgefallen. Die in einem Landpfarrhaus aufgewachsene Johanna Dann hatte sich auf die im Kunstbetrieb weniger wertgeschätzten Blumenstillleben spezialisiert und geriet wohl deshalb schon zu ihren Lebzeiten in Vergessenheit. Die auf Kinderbilder spezialisierte Pietronella und die Blumenmalerin Anna Peters stammten aus einer großbürgerlichen Malereifamilie. Sie waren in der Szene bestens vernetzt und konnten von ihrer Kunst sehr gut leben. Fast von Beginn an arrangierte Anna Peters ihre Motive im Freien und baute ihre Staffelei davor auf, „ohne dass die Lichtverhältnisse zum bestimmenden Bildeindruck wurden. Im Gegenteil, zurück im Atelier ‚dämmte‘ sie das allseitige Freilicht herunter und veränderte es in ein künstliches Hell-Dunkel“ (Uwe Degreif, S. 22). Paula von Waechter verstand sich als Fachmalerin für Porträts. Sie bewegte sich in adeligen und großbürgerlichen Kreisen. Emma Joos blieb wie acht andere an der Ausstellung Beteiligte ledig und kinderlos und hat von ihren Baum-, Kolleginnen- und Kinderbildern und ihren Radierungen sehr bescheiden gelebt. „Trotz solcher Beschränkungen schuf Emma Joos Grafiken von hoher Qualität“ (Hartmut Härter). Die in Indien geborene Käte Schaller-Härlin hat mit 36 geheiratet und noch eine Tochter bekommen. Von ihr existieren circa 2000 Porträts, so auch eins von Theodor Heuss und ein unvollendetes von ihrem im Ersten Weltkrieg gefallenen Mann. Sie gilt als Erneurerin des sakralen Wandbildes und hat unter anderem die Evangelische Kirche in Stuttgart-Gaisburg ausgemalt.

Ein Großteil von Anne Eichler-Sellins Nachlass ist bei einem Bombenangriff auf Berlin verloren gegangen. Wie Hermann Pleuer hielt sie lange an einem dunklen Grund für ihre Kompositionen fest. Auch Helene Wagner, die Nichte von Otto Reiniger, stammt aus einer Künstlerfamilie, in der alle malten. Charakteristisch ist für sie „eine Tonigkeit in Verbindung mit der Farbe Weiß“ (Uwe Degreif). Von Anna Huber sind nur noch sieben Werke bekannt. Man weiß nicht, wann und wo sie gestorben ist. Ihr lichtdurchflutete ‚Frau mit Hut und Sonnenschirm‘ kann als Inbegriff des impressionistischen Bildes verstanden werden. Maria Caspar-Filser lebte seit ihrer Heirat mit dem Maler Carl Caspar in einer gleichberechtigten Partnerschaft. Sie war überaus erfolgreich, bekam 1925 nach Käthe Kollwitz als erste deutsche Malerin den Professorentitel und nach dem Zweiten Weltkrieg das Bundesverdienstkreuz. Ihr ‚Blick auf Balingen mit Elsa auf der Bank‘ von 1903 und ihr ‚Alter Baumgarten in der Blüte‘ von 1908 können für den Impressionismus stehen. Die hochbegabte Mathilde Vollmoeller-Purrmann ist nach ihrer Heiratmit Hans Purrmann und der Geburt von drei Kindern in ihrer malerischen Entwicklung stecken geblieben. Ihr ‚Blick aus dem Fenster‘ von 1903, ihre ‚Holländische Straßenlandschaft‘, um 1907 und ihr um 1908 in Paris aus pastosen Pinselstrichen gemalter ‚Männlicher Akt‘ können als Ausnahmebilder gelten. Ihr letztes Ölgemälde entstand 1913 nach der Geburt ihrer Tochter Christine. Von da an schuf sie nur noch Aquarelle. 

Die Hölzel-Schülerin Luise Deicher erhielt 1914 zusammen mit ihrer engen Freundin Maria Hiller-Foell als eine der ersten Frauen überhaupt eine Belobigung und eine silberne Medaille der Stuttgarter Akademie für ein Porträt. In den 1920er-Jahren wandte sich Hiller-Foell der Glasmalerei zu und gestaltete den Chor des Rottenburger Doms. Schließlich zeigen sich in den Anfängen von Marie Sieger Einflüsse des Jugendstils. Mit dem Wechsel zu Adolf Hölzel in der Kunstakademie Stuttgart wird ihre Bildsprache spätimpressionistisch. Neben Landschaften entstehen Personenbildnisse und Stillleben.

Der zu den Ausstellungen im Schloss Achberg und in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen erschienene reich bebilderte und 25,5 x 23,4 cm große Katalog hat die ISBN-Nummer 978-3-944685-20-5, 176 Seiten und kostet 24 €.

ham, 29. Oktober 2024

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