Jul 30

Edward Hopper, New York

Von Helmut A. Müller | In Katalog, Kunst

Hg. v. Whitney Museum of American Art

Mit einem Vorwort von Adam D. Weinberg und Texten von Kim Conaty, Kirsty Bell, Darby English, David Hartt, David Crane, Jennie Goldstein, Melinda Lang und Fassis Wahbeh

Schirmer/Mosel Verlag München, 2024, ISBN 978-3-8296-0989-0, 256 Seiten, 313 meist farbige Abb., davon 67 Farbtafeln, Hardcover, gebunden, mit Schutzumschlag, Format 29,6 x 25,8 cm, € 68,00/ € 70,00 (Ö)/ CHF 78,20

Der 1882 in Nyack geborene und 1967 in New York City verstorbene Maler Edward Hopper hat einen Großteil seines Lebens in seiner Atelierwohnung am Washington Square in New York verbracht, die er mit seiner Frau Josephine Nivison Hopper teilte (vergleiche dazu Approaching a City: Hopper and New York. In: https://whitney.org/essays/edward-hopper-new-york). 

Die Stadt selber hat er ab 1899 mit der Fähre und ab den 1930er Jahren mit der Hochbahn erkundet, die ihm Einblicke in die Wohnungen der Anlieger gewährte (vergleiche dazu Edward Hopper, Approching a City, 1946. In: https://www.phillipscollection.org/collection/approaching-city). Neben den Wohnungen und ihren Bewohnern (vergleiche dazu etwa Edward Hopper, Apartment Houses, 1923. In: https://www.pafa.org/museum/collection/item/apartment-houses) hat er sich für Brücken (vergleiche dazu Edward Hopper, Queensborough Bridge, 1913. In: https://whitney.org/collection/works/5902), Dachformationen (vergleiche dazu Edward Hopper, City Roots, 1932. In: https://www.wikiart.org/en/edward-hopper/city-roofs), den Washington Square selber (vergleiche dazu https://whitney.org/education/for-teachers/teacher-guides/hopper-new-york/washington-square), die Apotheken (vergleiche dazu https://www.tumblr.com/ashcanartists/149718511559/edward-hopper-drug-store-1927) und die Bars in der Nachbarschaft interessiert (vergleiche dazu Edward Hopper, Nighthawks, 1942. In: https://artsandculture.google.com/asset/nighthawks/6AEKkO_F-9wicw?hl=de). Dazu kommen diverse Theaterszenen (vergleiche dazu Edward Hopper,Two on the Aisle, 1927. In: https://www.wikiart.org/en/edward-hopper/two-on-the-aisle) und eine Vielzahl von Porträts seiner Frau (vergleiche dazu etwa https://dresden-magazin.com/kultur/edward-hopper/).

Die genannten und weitere Arbeiten Hoppers sind in dem zur Ausstellung „Hopper’s New York im Whitney Museum“ erschienenen Katalog zusammengetragen (vergleiche dazu https://www.alamy.de/fotos-bilder/edward-hopper-new-york.html?sortBy=relevant) und Kapiteln wie „Erste Eindrücke“, „Der Washington Square“ und „Realität und Phantasie“ zugeordnet. Letzteres legt dar, dass sich Hopper die Freiheit genommen hat, seine New York-Bilder nach seinem Empfinden zu gestalten und sie nicht an den in die Höhe schießenden Wolkenkratzern, sondern an der menschlichen Dimension der überkommenen Gebäude zu orientieren. „Große Kunst ist der äußere Ausdruck eines Innenlebens des Künstlers, und dieses Innenleben wird zu seiner persönlichen Vision der Welt führen.
Keine Anzahl geschickter Erfindungen kann das wesentliche Element der Vorstellungskraft ersetzen. Eine der Schwächen der abstrakten Malerei ist der Versuch, die Erfindungen des menschlichen Intellekts durch eine persönliche, einfallsreiche Konzeption zu ersetzen. Das Innenleben eines Menschen ist ein weites und vielfältiges Reich und beschäftigt sich nicht nur mit anregenden Arrangements von Farbe, Form und Design. Der in der Kunst verwendete Begriff ›Leben ist etwas, das man nicht verachten darf, denn er impliziert alles Dasein, und das Prinzip der Kunst besteht darin, darauf zu reagieren und es nicht zu unterschlagen. Die Malerei muss sich vollständiger und weniger unrealistisch mit Lebens- und Naturphänomenen auseinandersetzen, bevor sie wieder großartig werden kann.“ (Edward Hopper,1953 in https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Hopper).

Neu an dem jetzt auf Deutsch vorliegenden Werk ist das Kapitel über das Sanborn Hopper Archive, das 2017 als Schenkung an das Whitney Museum of American Art kam und über 1500 Zeitschriften, Artikel und Zeitungsausschnitte enthält, die sich mit dem Leben und Werk Edward Hoppers befassen (vergleiche dazu: https://www.monopol-magazin.de/whitney-museum-bekommt-tausende-hopper-archivdokumente?slide=1). Dazu kommen 535 Illustrationen von seiner Hand, 123 Porträtfotos des Künstlers und seiner Frau Jo, 21 Notizbücher, 870 Korrespondenzstücke. 389 persönliche Unterlagen, 338 geschäftliche Unterlagen sowie 187 Notizbücher und Aufzeichnungen von Jo Hopper. „Das Material veranschaulicht, mit welcher Bewusstheit Hopper sein privates und berufliches Leben führte – ein Leben, das stark davon geprägt war, wie er sein künstlerisches Schaffen entwarf, und zwar sowohl theoretisch als auch praktisch. Anlässlich der Retrospektive, die ihm 1953 im Museum of Modern Art in New York gewidmet wurde, schrieb er, seine Arbeit stütze sich auf seine ›ganz persönlichen Eindrücke von der Natur‹. Und auch fünfunddreißig Jahre später vertrat er diese Ansicht noch: ›Ich glaube nicht, dass ich versucht habe, Szenen aus dem amerikanischen Alltag zu malen‹, sagte er in einem Interview. ›Ich habe immer nur versucht, mich selbst zu malen‹.“

Diese öffentlichen Äußerungen wurden von privaten Überlegungen untermauert, in denen Hopper immer wieder über den Rückbezug auf das Selbst des Künstlers spricht – ein theoretisches Leitmotiv, mit dem er sein Schaffen zu fassen versuchte. In seinem privaten Notizbuch mit dem Titel ›Notes on Painting‹ […] schreibt er: ›Originalität hat ihren Grund nicht in der Methode, sondern wurzelt tiefer: in der Persönlichkeit und im Innenleben des Künstlers‹ […]. An anderer Stelle heißt es: ›Um sich auch nur in Ansätzen selbst ausdrücken zu können, muss man jahrelang arbeiten und studieren, um auch nur ein Mindestmaß davon zu erlangen; das erfordert eine Menge intellektueller Erfindungsgabe. Kunst ist schwer, wie das Leben auch.‹ Die geistige Anstrengung, von der Hopper hier spricht, steht scheinbar in diametralem Gegensatz zu dem Gefühl von Distanz, von dem er manchmal in der Öffentlichkeit sprach, wenn er etwa erklärte, dass seinen Bildern ›jede bewusste Themensetzung fehlt‹ und ›stets nur der Betrachter eine psychologische Interpretation liefern kann‹.

Diese sorgsam konstruierte Konzentration auf das Subjekt, die sich in der Spannung zwischen der Art, wie Hopper sich in der Öffentlichkeit präsentierte, und seiner privaten Weltsicht bewegt, zeigt sich auch in dem Archivmaterial, das er und seine Frau zusammentrugen und aufbewahrten.“ Aus dem Archivmaterial lässt sich zeigen, wie Hopper sein öffentliches Bild konstruierte, kontrollierte und wie er seine mediale Darstellung beeinflusste. „Davon zeugt etwa das umfangreiche Material, das ihn als einen engagierten Anwohner des Washington Square Park zeigt oder als leidenschaftlichen Besucher und Kenner der New Yorker Theater […]. Der große Fundus an Dokumenten sowie die Akribie, mit der Edward und Jo Hopper das Material ausschnitten, kommentierten und archivierten, belegen, wie intensiv sich die beiden mit ihrem Innenleben und ihrer Außenwirkung beschäftigten, sie zeigen die Themen, die ihnen am Herzen lagen, sowie die Freuden und die Mühsal des Lebens in New York. Das Archiv führt vor Augen, wie gezielt Hopper seine öffentliche persona inszenierte, und vermittelt zugleich ein Bild von ihm, das über das von ihm selbst geschaffene Image hinausreicht“ (Farris Wahbeh S. 214 ff.).

ham, 29. Juli 2024

Kommentare sind geschlossen.

COPYRIGHT © 2023 Helmut A. Müller