Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im K 20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf vom 12.09.2020 – 7.2.2021, herausgegeben von Susanne Gaensheimer und Frank Wolf mit Texten von Thomas A. Lange, Susanne Holschbach, Martina Dobbe und den Herausgebern
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen / Prestel Verlag, München, 2020, ISBN 978-3-7913-5980-9, 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 3D-Brille, Hardcover mit Schutzumschlag, Format 30,6 x 22,6 cm,
€ 42,00 (D) / € 43,20 (A) / CHF 55,50
Der 1958 in Zell am Hamersbach geborene deutsche Fotograf Thomas Ruff, der neben Thomas Struth und Andreas Gursky zu den bekanntesten Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule gehört (vergleiche zur Biografie https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Ruff), ist als der Fotograf bekannt geworden, der nicht mehr selbst auf den Auslöser drückt (vergleiche dazu https://www.monopol-magazin.de/fotokuenstler-thomas-ruff-fotografiert-auch-mit-dem-handy).
„Ruffs Fotografien sind serielle Experimente. Motivisch und technisch lässt er sich … stets in neue … Richtungen treiben. Innenansichten deutscher Wohnungen, Porträts in Überlebensgröße, digital bearbeitete Gebäudeaufnahmen oder Fotos, die einem Nachtsichtgerät ihre bedrohliche Aura verdanken, stehen Arbeiten gegenüber, für die er auf fremde Quellen zurückgreift. Das Material für seine Bilder von Sternen und Galaxien lieferte ihm die Europäische Südsternwarte (ESO) in den chilenischen Anden, die Vorlagen für seine fotografische Landschaftsmalerei des Mars stammen aus dem Archiv der NASA und wiederum andere aus pornografischen Winkeln des Internets … Thomas Ruff will Bilder machen …, mit denen er sich der allgemeinen Bilderflut … kraftvoll entgegenstellt. Es geht ihm um mehr als Überwältigung durch Größe oder digitale Verfremdung. Ihn interessiert, wie der Betrachter auf die Fotografie blickt und was eine vermeintlich neutrale Aufnahme mit seiner Vorstellungskraft macht“ (Thomas A. Lange S. 7).
Schon seine 1986 gefertigten Serie überlebensgroßer Porträts zielte durch ihre radikale Vergrößerung auf Abstraktion und darauf ab, aus einem fotografischen Porträt ein ›Bild‹ zu machen. Nach seiner Serie Sterne (1989 -1992) hat er auf Zeitungsarchive, medizinische Abbildungen und Bildmaterialien aus dem Internet zurückgegriffen. „Die Art und Weise, wie Thomas Ruff mit diesem Fundus arbeitet, fügt sich über die Jahrzehnte zu einem dichten bildtheoretischen Kommentar über das modere Sehen zusammen. Dabei geht sein virtuoser Umgang mit den digitalen Bildbearbeitungswerkzeugen mit einer kritischen Betrachtung der Materialien und ihrer politischen, historischen oder erkenntnistheoretischen Bedeutung einher“ (Susanne Gaensheimer S. 11 f.).
Die von Thomas Ruff gemeinsam mit Falk Wolf für das K20 erarbeitete Ausstellung stellt Fotoserien der letzten 20 Jahre vor, darunter eine Auswahl seiner Zeitungsfotos von 1991 und 1992, seiner Fotogramme von 2014, seiner Negative von 2016 und seiner Tableaux chinois von 2019 (vergleiche dazu https://www.kunstsammlung.de/de/exhibitions/thomas-ruff). Der zur Ausstellung erschienene umfangreiche Katalog (vergleiche dazu https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Thomas-Ruff-DeutschEnglisch-/Susanne-Gaensheimer/Prestel/e580400.rhd) dokumentiert die ausgewählten Bilder und diskutiert Ruffs Aneignung fotografischen Fremdmaterials als „Skalieren, Überblenden und in Bewegung bleiben“ (Falk Wolf), den Künstler Ruff als Flaneur, Forscher und Bildproduzenten (Susanne Holschbach) und die in Düsseldorf ausgestellten Serien im Kontext der in den Kulturwissenschaften in den 1990er Jahren aufgekommenen Archivologie (Martina Dodde). In den Werkserien der letzten 20 Jahre „zeichnet sich ein eigensinniges archivologisches Nachdenken über fotografische Bilder ab, das den Status von Fotografien als Objekte einer materiellen Kultur befragt und im Horizont einer postmedialen Bestimmung des Fotografischen vor Augen führt“ ( Martina Dobbe S.49).
ham, 24. April 2021