Publikation zur Uraufführung von Jonathan Meese / Bernard Lang, »Mondparsifal« Alpha 1–8 (Erzmutter
der Abwehr) bei den Wiener Festwochen. Uraufführung 4., 6. und 8. Juni 2017, Theater an der Wien

Mondparsifal Beta 9–23 (Von einem der auszog, den »Wagnerianer des Grauens« das »Geilstgruseln« zu
erzlehren …) Berliner Festspiele / Immersion. Uraufführung 15., 16. und 18. Oktober 2017, Haus der
Berliner Festspiele

Gestaltung nach einem Entwurf von Jonathan Meese in Anlehnung an das Künstlerbuch »Mondparsifal«,
Harpune Wien, 2017 mit einem Text von Henning Nass

Verlag der Buchhandling Walther König, Köln 2017, ISBN 978-3-96098-173-2, 64 Seiten, 66 Abbildungen,
Broschur, Format 23 x 17 cm, € 12,80

Roger M. Buergel hat bei der documenta 12 mit dem Kürzel „die Migration der Form“ auf die normalerweise
übersehenen rituellen, kulturellen, geografischen und politischen Entstehungszusammenhänge ästhetischer
Formen aufmerksam gemacht. „Ignorieren lassen sich diese Entstehungszusammenhänge nur um den Preis
der ethnozentrischen Mystifikation“ (Roger M. Buergel, documenta 12. Die Migration der Form. In: FAZ
Feuilleton vom 23.4.2007).

Jonathan Meese deckt die pop- und trivialkulturellen Hintergründe seiner Annäherung an den Parsifal-
Mythos und an Richard Wagners letzte Oper in der zur Wiener Uraufführung des Mondparsifal erschienen
Broschüre in zahlreichen Collagen, Zeichnungen und Texten erfreulicherweise konsequent auf (vergleiche
dazu http://www.pictaram.org/post/BVUmwiIhiqL, abgerufen am 23.7.2017). Demnach hat er sich bei seinen
Vorüberlegungen für den Mondparsifal unter anderem von Bastei-Gespenstergeschichten, der 20th Century-
Fox Produktion Zardoz mit Sean Connery und der britischen Science-Fiction Fernsehserie Mondbasis Alpha
1 anregen lassen, zentrale Parsifal-Figuren in neue Zusammenhänge zu überführen und unter anderem auch
so noch nicht gesehene kraftstrotzende Holzschnitte für die Aufführung zu schaffen. Den Entdeckungs- und
Entstehungszusammenhang offenzulegen ist eines, den logischen Zusammenhang von Entdeckungs-,
Entstehungs- und Begründungszusammenhang in der eigenen künstlerischen Praxis zu bedenken aber ein
anderes: Meese kann zwar in der Broschüre von sich und anderen das „spielendste Kunsttum“ verlangen
(Jonathan Meese, Mondparsifal S. 36), in der Kunst die alleinige Zukunft sehen, die Diktatur der Kunst
propagieren, Parsifal als ideologieloses, religionsloses und politikloses Spielkind denken und damit als
Prototyp des Künstlers der Zukunft und wohl auch als alter Ego. Aber wie er selbst den Sprung aus der
künstlerischen Herkunft in die Kunst der Zukunft ohne jeden Bezug zur Vergangenheit schaffen will, bleibt
sein Geheimnis. Buergel variierend könnte man deshalb vielleicht sagen: Ignorieren lassen sich die
aufeinander aufbauenden und bezogenen Entdeckungs-, Entstehungs- und Begründungszusammenhänge
seines in der Wort- und Bildmarke Spielkind/Parsifalmeese/Meeseparsifal kondensierten Kunstschaffens nur
um den Preis einer selbstbezogenen Mystifikation. Aber vielleicht weiß er das trotz aller anderslautenden
Propaganda selbst, wenn er notiert: „Kunst ist der Wortführer: K.U.N.S.T.B.A.B.Y. P.A.R.S.I.F.A.L. Schäm
Dich, Parsifalmeese Meeseparsifal“ (Jonathan Meese, Mondparsifal S. 36 f.).

Als Nachtrag sei noch angemerkt, dass sich die Vorläufervorstellung von Jonathan Meeses Konstrukt
Spielkind/Parsifalmeese/Meeseparsifal bei Jesus von Nazareth findet. In den Evangelien liest man in Markus
10, 13–16 : „Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber
Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht;
denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein
Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie“. Und in
Matthäus 18, 1–5: „Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wer ist nun der Größte im
Himmelreich? Und er rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage
euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer
nun sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches
Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf“.

ham, 23. Juli 2017

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