Herausgegeben von der Galerie Ruppert, Birkweiler, mit Texten von Sabine Heilig und Erich Thies
modo Verlag, Freiburg im Breisgau, 2015, ISBN 978-3-86833-175-2, 180 Seiten, 124 schwarz-weiß-
Abbildungen, darunter zahlreichen Abbildungen aus der „Werkstatt“ des Künstlers, Hardcover, Glanzleinen,
Fadenheftung, Format 21,5 x 20,5 cm, € 35.00 / SFR 39,00
Franz Bernhard hat in seinen Skulpturen ein Leben lang auf Holz und Eisen gesetzt, obwohl Holz reißt,
Eisen rostet und beide Materialien „für die Vergänglichkeit des Daseins“ (Sabine Heilig S. 20) stehen. Für den 2013 verstorbenen Bildhauer sind es die „kleinen Berührungspunkte … , die interessieren … Man spürt … vieles, wenn man einer Skulptur entlangfährt, das man so nicht sieht“, hat er einmal gesagt. Weil für ihn Sehen und Begreifen eines Kunstwerks nahe beieinander lagen, hat er den Oberflächen seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. „Das sinnliche Erleben, das über die Haptik der Oberflächen und die Schönheit der Gesamterscheinung erfahrbar … wird, ästhetisiert auch das Material, so dass selbst ein Riss schön sein kann … und … Rost …die vielleicht >>ehrlichste Farbe der Welt<<“ (Sabine Heilig / Franz Bernhard S.20f.). „Seine bewusste Verwendung von Rest- und Abfallstücken sowie unedlen Materialien zielt auf ihre Nobilitierung und damit verbunden auf ihre Aufwertung“ (Sabine Heilig, S. 21). Diese Umkehrung sonst geläufiger Wertungen erinnert an die Traditionen der Religion. In christlicher Sicht wird nichts bleiben, wie es war und ist. Das Kleine soll groß, das Hässliche schön werden und das Weinen sich in Lachen verwandeln. Und auch der Tod soll nicht mehr sein. Kunst und Religion, so der indisch-englische Bildhauer Anish Kapoor, verdanken sich Sichtweisen, die die Welt auf den Kopf stellen. „Die wahren Probleme“ so Kapoor 1997, „sind Schönheit, Stille, Tod“(Anish Kapoor in Johannes Rauchenberger, Gott hat kein Museum, Paderborn 2015, S.13). Franz Bernhard so scheint mir, hat die Welt mit seinen anthropomorphen Zeichen ein Künstlerleben lang auf den Kopf gestellt und in ihnen unausgesprochen Zeugnis davon abgelegt, wie er Schönheit, Stille und wohl auch den Tod des Menschen sieht.
Bernhard war kein Redner und hat große Worte gescheut. Dafür sprechen Schönheit und Stille in seinen
letzten Arbeiten um so stärker. „Seit einigen Jahren konnte man Arbeiten von F.B. sehen, die todesnah waren.Eine schwierige Bezeichnung, die nie ausgesprochen wurde. Schwierig auch deshalb, weil sie eine
Beziehung zwischen Künstler und Werk herstellt, die in der Arbeit selber und ihrer künstlerischen Absicht keine unmittelbare Rolle spielt. Das zeigt ein Beispiel: Es gibt eine Zeichnung mit zwei nebeneinander befindlichen Figuren, die lange im hinteren Teil der Werkstatt an der Wand hing. Sie wirkte wie das typische Bild eines Silberhochzeitspaares. Plötzlich war der Kopfteil der linken Figur weggeschabt, so dass der Eindruck entstehen konnte, diese Figur sei gestorben, auf der Zeichnung verblichen im wörtlichen Sinn. Auf die Frage nach dem Grund kam die Antwort, das Blatt sei vorher langweilig gewesen, jetzt habe es seine eigentliche Spannung erhalten … Exakt das Gleiche passierte mit zwei Plastiken, Figuren, die genauso angeordnet waren wie die Figuren der genannten Zeichnung. Beide standen lange Zeit nebeneinander. Dann war die eine endgültig nach hinten gestürzt.
F.B. hatte mehrere einfache Kisten bekommen, die aus irgend einer anderen Verwendung kamen. Diese
Kisten verschiedener Größe dienten als Rahmung oder Behältnis für eine Reihe von Köpfchen, von denen
man ebenfalls sagen kann, sie seien todesnah. (Erich Thies). Eine von ihnen zeigt eine auf die elementaren Formen von Kopf und Körper reduzierte Figur aus Holz. Sie liegt in einer der Kisten wie in einem Sarg und strahlt Schönheit, eine große Ruhe und etwas von dem Frieden aus, den nur ein Toter finden kann. Die „Schlanke aufrichtige Figur“ ist eine seiner letzten Arbeiten, ein Bronzeguss, entstanden aus einem Gips, der lange Zeit irgendwo gelagert war … F.B. hat ihn über einige Monate hinweg korrigiert. Im Fußteil wurde eine runde Form mit Gips wiederhergestellt, dann endgültig weggekratzt. Die Figur ist im Vergleich zu anderen seiner Plastiken im Sockel erstaunlich hart konstruiert und statisch. Ihre Spannung und Eleganz gewinnt sie durch mehrfache Schwünge, Drehungen oder Wölbungen. Dadurch mag aber insgesamt der Eindruck entstanden sein, als stünde sie nicht gerade; obwohl das Lot eindeutig das Gegenteil zeigte. Er hat sie dann schräg gemacht, damit sie gerade war. Wie das geschehen ist, bleibt sein Geheimnis.
Eine Werkstatt ist eine Werkstatt, solange in ihr Werke entstehen. In der Werkstatt von F.B. ist es nun still“ (Erich Thies S. 176).
ham, 23.7.2015
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