Mit Beiträgen von Peter Assmann, Rainer Metzger, Clarissa Stadler und Xiao Xiaolan
Hirmer Verlag München, 2011, ISBN 978-3-7774-4281-5, 152 S., zahlreiche Farbabbildungen,
Hardcover gebunden, Format 28 x 30 cm, € 31,90
Die 1953 in Wien geborene Xenia Hausner arbeitete zwischen 1975 und 1992 vorwiegend als
Bühnenbildnerin und seit 1992 ausschließlich als Malerin. In ihren großformatigen Malereien steht der
Mensch und vorwiegend Frauen im Zentrum. Sie liebt den großen Auftritt ihres Personals, das große
Gefühl und sie spielt mit Risiko und Scheitern. So legt sich in der Malerei ‚Kopfschuss‘, 2002 – 2004,
130 x 152 cm, eine vielleicht 45-jährige, gut aussehende blonde Frau vor der stilvollen Küchenzeile
ihrer Wohnung eine großkalibrige Pistole an den Kopf. Vor ihr steht eine rot-weiß-gelbe
Geburtstagstorte auf dem Tisch. In ‚Crime Map‘, 2010, 109 x 164 cm, liegen vier Personen auf dem
Gehweg. Zwei davon sind 20-, 25jährige Frauen. Ihre Augen sind noch geöffnet. Aber Blut- und
Kreidespuren auf dem Gehweg signalisieren, dass sie getötet worden sind.
In ‚Deux Amours‘, 2010, 98 x 174,5 cm, umarmt eine vielleicht 45-jährige rotblonde Frau einen
vielleicht 65-Jährigen, der hinter seiner ebenso alten Ehefrau steht. Er hat eine Stirnglatze, graue
Haare. Sie hat ihre Haare hennarot gefärbt. Das Leben hat viele Möglichkeiten und alles könnte auch
anders sein. Wer die eine Möglichkeit ergreift, muss mit dem Risiko des Scheiterns in Kauf und von
anderen Möglichkeiten Abschied nehmen. Oder er sieht sich gezwungen, eine Möglichkeit nach der
anderen auszuprobieren. Rainer Metzger erinnert an den Soziologen Ulrich Oevermann: „Wenn das
Risiko des Scheiterns ausfällt, wird es Dekoration“. Er benennt „plausibel das Problem, das der
Mechanismus der Kunst ihr selbst auferlegt. Wenn potentiell alles, was unter dem Etikett Kunst
firmiert, affirmiert wird und als gelungen gewürdigt, dann verliert sie sich im Wohlfeilen des
Beiwerks. Wenn Kontingenz unschädlich gemacht ist in der Versicherung, das Dargebotene könne nur
so, wie es ist, und niemals anders vor Augen stehen, wird ihr das zentrale Ingrediens ihrer
Bedeutungshaltigkeit entzogen. Kontingenz jedenfalls ist auch für die Autoren Privileg und Bürde in
einem. Man kann, um Oevermanns Diktum zu entkommen, das Risiko erhöhen: Man kann mit
Autodestruktion arbeiten, sich körperlichen Gefahren aussetzen, kann die Grenzen der Legalität
ausloten, und all dies wurde vielfältig durchexerziert… In einigen von Xenia Hausners Bildern ist die
Katastrophe hereingebrochen, ist die Panik nicht mehr latent, sondern buchstäblich vor Augen, und der
Umschlag in die Andersheit zeigt sich konkret in Versehrung, Unfall und Tod. Er zeigt sich im
>>Damage<<, im Verhängnis. Diese Andersheit ist dann endgültig: Auch das macht der Kontingenz
den Garaus. Eher aber wird bei Xenia Hausner das Risiko ausgehalten. Auf einer Art Gratwanderung:
Einer Gratwanderung zwischen Motiv und Methode …, einer Gratwanderung, die Individualität
zulässt, aber keine Idiosynkrasie…; eine Gratwanderung, in der scheinbar unverbindlich Zeitgenossen
das Thema sind, die aber doch ziemlich schonungslos hineinleuchtet in das Milieu, in dem hier
gearbeitet wird und die damit nicht weniger ist als eine Kunst über den ästhetischen Betrieb…“
(Rainer Metzger). Nach Peter Assmann führt Xenia Hausner die >>pars pro toto<<-Bildwirklichkeit
der künstlerischen Fotografie mit den Möglichkeiten ihrer Malerei zusammen, „ergänzt durch ein
präzises Wissen über Inszenierungen, über das Spannungsfeld von Kulissen, Komparsen,
Auftrittsräumen, Akteuren und ihren Bühnen, das sie bei ihrer jahrelangen erfolgreichen Arbeit als
Bühnenbildnerin erworben hat. Souverän setzt sie zudem eine weitere wichtige Errungenschaft der
europäischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in ihrer Bildarbeit ein: die Collage, die
Kombination unterschiedlicher Elemente zu einem neuen bildhaft wirkenden Ganzen , zu einer neuen
Bildverdichtung… Die dadurch entstehende Bildkomposition ist ein malerisches Produkt und zugleich
fotorealistisch. Sie zitiert in vielfacher Hinsicht ein davor und danach – in arbeitstechnischer Hinsicht
wie auf einer semantischen Ebene wird hier gleichsam der >>filmische Blick<< des Betrachters
angesprochen, der das vorgestellte Bildangebot als eine Art von Filmstill wahrnimmt und narrativ
nach vorne und hinten verlängert. Sehr dezidiert agiert die Künstlerin im großen Format, im
>>Menschen-großen<<. Das malerische Bild sucht so die tatsächliche Augenhöhe des Betrachters…“
(Peter Assmann).
(ham)
Download: Xenia Hausner – Damage
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