Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2018, ISBN 978-3-579-08246-2, 92 Seiten, Paperback, Broschur, Format 20 x 12,5 cm, € 14,99 (d) / € 15,50 (A) / CHF 21,50

Der am 8. April 1926 in Hamburg geborene, in einer unkirchlichen Familie aufgewachsene und später weltbekannte Theologe Jürgen Moltmann hatte 1943 als Luftwaffenhelfer in Hamburg erlebt, wie eine Bombe seinen Schulfreund neben ihm zerreißt. Er wurde verschont. „Damals habe ich zum ersten Mal nach Gott geschrien und mich gefragt, warum ich nicht tot bin, sondern lebe. Darauf suche ich noch immer eine Antwort“ (Jürgen Moltmann im Gespräch mit Frank Buchmeier. In: Stuttgarter-Zeitung.De vom 29.3.2016: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-dem-theologen-juergen-moltmann-es-geschehen-zeichen-und-wunder-page2.e81b3e8b-6571-471e-aeca-85683b73ec70.html). In britischer Kriegsgefangenschaft ist er beim Lesen der Bibel auf die Stelle „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ gestoßen und hat sich verstanden gefühlt. Er ist zum christlichen Glauben gekommen und hat noch während der Kriegsgefangenschaft ein Studium der Evangelischen Theologie begonnen. 1952 hat er die promovierte Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel geheiratet und mit ihr vier Töchter gehabt. 1964 ist seine Theologie der Hoffnung erschienen, 2006 seine Autobiografie Weiter Raum.

Auch wenn wir derzeit in einer sehr gefährlichen Phase stehen, wären wir nach Moltmann nicht so enttäuscht, wenn wir nicht auch die Hoffnung hätten, dass sich alles zum Guten wenden kann. „Angst ist eine Vorwegnahme des Terrors, Hoffnung ist eine Vorwegnahme der Freude. Ich bevorzuge die Hoffnung. Die Angst vor einem wie auch immer gearteten Weltuntergang lähmt uns, nichts befördert einen Weltuntergang so sehr wie die Angst vor ihm. Man muss die Angst in sich überwinden, und das geht nur über die Kraft der Hoffnung. Als der Philosoph Ernst Bloch 1961 nach Tübingen kam, hielt er einen Vortrag mit dem Titel: ›Kann Hoffnung enttäuscht werden?‹. Bloch machte klar, dass nur derjenige, der hofft, enttäuscht werden kann. Man überwindet die Angst, indem man Enttäuschungen akzeptiert und das Leben liebt. Nichts zu hoffen bedeutet nicht zu leben“ (Jürgen Moltmann a. a. O.).

Im Umgang mit der Krankheit seiner kurz vor ihrem 90. Geburtstag am 7. Juni 2016 verstorbenen Frau Elisabeth ist die Geduld hinzugekommen: „Ich habe Geduld erfahren und gelernt während der hoffnungslosen Krankheit meiner Frau. Der Traktat über die Geduld ist während dieser Jahre entstanden. Mit Geduld, Barmherzigkeit und Solidarität gehen andere auf uns ein und geben uns Zeit und Raum und Kräfte zum Leben. Mit Geduld, Barmherzigkeit und Solidarität gehen wir auf andere ein und geben ihnen Zeit und Raum und Kräfte zum Leben. Geduld ist die Energie des Zusammenlebens. Wenn wir keine Geduld mehr miteinander haben, zerbricht das Miteinander unserer Gemeinschaft“ (Jürgen Moltmann S. 9). Seine Erfahrung mit Geduld kulminiert in den Sätzen: „In der Geduld mit Kindern ist Hoffnung die Kraft der Geduld. In der Geduld mit Demenzkranken und Sterbenden ist Liebe die Kraft der Geduld. In der Geduld mit sich selbst ist Glaube die Kraft der Geduld. Warum sind ›Glaube – Liebe – Hoffnung‹ die Kräfte unserer Geduld in den genannten Beziehungen? Weil sie ›bleiben‹ wie Paulus in 1 Kor 13,12 sagt. Warum ›bleiben‹ sie? […] Ich nehme eine eschatologische Deutung des Bleibens an: Aus dem Glauben an das Wort Gottes wird dann ein ›Schauen von Angesicht zu Angesicht‹ werden. Aus der Hoffnung hier wird eine große Freude werden. Aus dem geliebten und liebenden Leben hier wird das Leben in der Herrlichkeit Gottes werden […]. Glaube – Liebe – Hoffnung sind Antizipationen der Vollendung im Reich Gottes, darum ›bleiben‹ sie. Ihnen eignet […] die perseverantia antia usque ad fidem. Sie sind Resonanz der Geduld Gottes und Vorzeichen seiner Hoffnung in unserem Leben“ (Jürgen Moltmann S. 21).

Barmherzigkeit ist für Moltmann die Seele sozialer Gerechtigkeit. „Ohne eine Kultur der Barmherzigkeit geht die Motivation für die soziale Gesetzgebung verloren […]. Solidargemeinschaft und der Sozialstaat funktionieren nur so lange, wie die moralische Welt von Solidarität und Barmherzigkeit bestimmt wird und nicht von der kapitalistischen Ideologie wie Gier, Geiz und Egomanie oder vom Neonationalismus wie ›America first‹. Zuletzt ist das persönliche Erbarmen nicht nur notwendig, sondern auch gut und schön. Das persönliche Erbarmen ist die Übersetzung der Barmherzigkeit Gottes in unser menschliches Verhalten zueinander […]. Persönliches Erbarmen ist ein glückliches Leben im weiten Raum der Barmherzigkeit Gottes“ (Jürgen Moltmann S. 85 ff.).

ham, 19. Februar 2018

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