Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2025, ISBN: 9783111573823, 186 Seiten, 1 Abbildung, Hardcover, gebunden, Format 23,4 x 16 cm, € 29,95

Wilfried Härle versteht unter Glauben Vertrauen auf Gott, also nicht,  wie meist umgangssprachlich, ein bloßes Meinen oder Vermuten. Unter Zweifel versteht er Ungewissheit beziehungsweise Skepsis im Blick auf Aussagen und Personen. Damit unterscheidet er Zweifel bzw. Skepsis sowohl vom Glauben als auch vom Unglauben oder Atheismus. „Dabei kann sich Zweifel ungewollt einstellen oder bewußt eingesetzt werden, um Behauptungen oder Menschen auf ihre Zuverlässigkeit hin zu prüfen. Im Blick auf mögliche Fake News ist Zweifel nicht nur zulässig, sondern zu empfehlen, wenn nicht sogar eine Verpflichtung“ (Wilfried Härle, S. VII). 

Die aus Vorlesungen hervorgegangene Publikation des 1941 in Heilbronn geborenen und zuletzt Systematische Theologie und Ethik in Heidelberg lehrenden evangelischen Theologen verzichtet darauf, Glauben und Zweifel auf zwei verschiedene Personen zu verteilen und zieht es vor, beide Positionen von ihm selbst vertreten zu lassen. Das setzt voraus, dass er meint, beide Positionen fair und verständlich darstellen und sich noch gut an die Erfahrungen und Argumente seines Buches „Gott“ aus dem Jahr 2013 erinnern zu können, in dem sich der Satz findet: „Am Ende meines Theologiestudiums war ich Atheist“.

Härle setzt mit der Frage ein, was er meint, wenn er von Gott redet, und antwortet dann so: „Ich glaube, das heißt, ich vertraue darauf, daß jeder Mensch und die Welt im Ganzen in Gott ihren schöpferischen Ursprung und eine von ihm gegebene, zeitliche und ewige Bestimmung hat, die sich auf vielfältige Weise in der Weltgeschichte und in der Lebensgeschichte der Menschen zeigt. Ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen dieser Bestimmung oft aus Unwissenheit, Schwäche, Unlust oder Leichtsinn widersprechen und damit anderen Menschen und uns selbst das Leben schwer machen, Schaden und unnötiges Leid zufügen. Ich glaube, dass der schöpferische Ursprung, den wir ›Gott‹ nennen, mir und allen anderen Menschen trotzdem in Liebe zugewandt bleibt“ (Wilfried Härle, Seite 1). Härle versteht die Liebe als herausragende Eigenschaft Gottes und unterstellt, dass Gott nicht nur als ein allmächtiges, gütiges, allwissendes, ewiges Wesen gedacht werden muss, sondern „daß zu diesen Eigenschaften Gottes außer Allmacht, Güte, Allwissenheit und Ewigkeit (bzw. Unsterblichkeit) auch Unsichtbarkeit und Allgegenwart zählen. Zu Allmacht ist übrigens unbedingt anzumerken und festzuhalten, dass Allmacht nicht als bloße Fähigkeit Gottes zu verstehen ist, sondern als Gottes Wirksamkeit in allem. Nur so lässt sich die innere Widersprüchlichkeit eines abstrakt gefassten Allmachtsbegriffs vermeiden, der sich anhand der Frage zeigt, ob Gott etwas so Großes schaffen kann, sei es einen Stein oder ein Rätsel, dessen er selbst nicht Herr werden kann“ (Wilfried Härte, S. 4). 

Aber ein allein durch Eigenschaften definierter Gottesbegriff wird für Härle dem durch seinen Namen und durch seine Beziehung zum Volk Israels und zur ganzen Welt bekannten biblischen Gottesverständnis nicht gerecht, nach dem das Wort Gott die schöpferische Wirklichkeit bezeichnet, die auch schon der Ursprung des ganzen Universums ist. 

Dieses Gottesverständnis wird von ihm in und mit folgenden Fragestellungen weiter ausdifferenziert:

  • In welcher Beziehung steht Gott zur Welt?
  • Evolutionstheorie und/oder Schöpfungsglaube?
  • Gehört der Tod zu Gottes guter Schöpfung?
  • Ist der Glaube an Gott mit dem Leiden in der Welt vereinbar?
  • Welchen Sinn haben Gebete?
  • Ist der christliche Glaube heute überhaupt noch ehrlich möglich?

Zu den Ergebnissen dieses Streitgesprächs über Gottes- und Schöpfungsglauben, Leiden und Tod, Jungfrauengeburt und Gottessohnschaft, Kreuz und Auferweckung Jesu und über die Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlicher Aussagen gehört es, dass für Härle das Reden von Gott unverzichtbar, aber im Sinne des von ihm vertretenen Panentheismus interpretationsbedürftig bleibt.

ham, 20. Januar 2025

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