Wer das Kunstmuseum Stuttgart bis 25. August 2024 besucht, trifft dort auf eine spektakuläre Auswahl neuer und neuester, eigens für den Kubus. Sparda-Kunstpreis 2024 produzierter Zeichnungen der Nominierten Thomas Müller, Gabriela Oberkofler und Jürgen Palmtag. Der seit 2013 gemeinsam von der Sparda-Bank Baden-Württemberg und dem Kunstmuseum Stuttgart alle zwei Jahre verliehene Preis wird 2024 für die Kunstgattung Zeichnung vergeben. Die Zeichnungen der für den Preis nominierten KünstlerInnen Thomas Müller (✻1959 in Frankfurt a. M.), Gabriele Oberkofler (✻1975 in Bozen, Südtirol) und Jürgen Palmtag (✻1951 in Schwenningen am Neckar) belegen einmal mehr das formale und stilistische Potenzial der Zeichnung, die sich längst vom Status der Vorstudie für Gemälde emanzipiert und immer wieder auch raumgreifende Dimensionen angenommen hat.

Thomas Müller ist mit seinen Zeichnungen schon während seines Studiums an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste aufgefallen und war not amused, als man ihm sagte, er sei ein sehr guter Maler, aber ein noch besserer Zeichner. Aber Mitte der 1990-er Jahre wandte er sich dann doch von der Malerei ab, konzentrierte sich ausschließlich auf die Zeichnung und wechselte vom Breit- zum Hochformat. Im Kunstmuseum Stuttgart zeigt er rund 90 Zeichnungen im DIN A4-Format in der für ihn typischen rhythmisierten Struktur aus Bild- und Leerstellen. Dazu kommen mehr als ein Dutzend Großformate. Thomas Müller ist mit seinen Arbeiten unter den Nominierten der klassischen Zeichnung noch am nächsten.

Gabriela Oberkofler knüpft bei ihrer Präsentation unter anderem an ihre Ausstellung ›Schwarz ist die Nacht nie‹ in der Kunsthalle Göppingen im Jahr 2016 an, in der sie ihre Zeichnungen zusammen mit nach Epiphanias abgeräumten Weihnachtsbäumen ausgestellt hat. Im Kubus greift sie auf an roten Fäden abgehängtes Totholz aus ihrer Südtiroler Heimat zurück. Ihre feingliedrigen Zeichnungen auf Papier und ihre Wandzeichnungen verbinden sich mit ihrem Wald aus Totholz, geschnitzten Holzobjekten, einer bedruckten Tapete und einem Soundtrack zu einem begehbaren Raumensemble, das auf das bedrohte Ökosystem und seine Schönheit aufmerksam macht.

Jürgen Palmtag arbeitet als Bildender Künstler experimentell in den Bereichen Zeichnung, Text, Projektion, Foto und Malerei. Dazu kommen analoge und digitale Musik, Soundtracks, Hörstücke, Konzerte und seine kuratorische Arbeit. Seine bildnerische Arbeit nimmt ihren Ausgang meist im DIN A4-Format, auf dem er mit Tusche, Farbe, Filz- und Bleistift zu Papier bringt, was ihm einfällt, es dann kopiert, vergrößert, verzerrt und mit Worterfindungen collagiert. Für seine für Stuttgart entwickelte großformatige Arbeit auf Nesselstoff hat er zwei Graffiti-KünstlerInnen digital erstellte Collagen überlassen, die diese mit Sprühfarben auf den Stoff aufgetragen haben. Er selbst hat nur noch punktuell mit Pinsel und Farbe in den Produktionsprozess eingegriffen. Elemente aus der Popkultur und erinnerte Szenen aus Filmen lassen bei seinen Zeichnungen an den  Entstehungsort Großstadt denken – aber er hat immer auf dem Land gelebt.

Der diesjährige Sparda-Kunstpreis bestätigt frühe Einladungen zu Ausstellungen im Hospitalhof Stuttgart: Thomas Müller und Jürgen Palmtag waren im Hospitalhof 1991 an der Ausstellung ›Lebensspuren‹ beteiligt, Thomas Müller dann weiter auch 1992 an der Ausstellung ›Das Kreuz als Zeichen in der Gegenwartskunst‹ und 1998 an der Ausstellung ›Aufstehen, Auferstehen. Auferstehung in der Gegenwartskunst‹. Gabriele Oberkofler hatte 2009 mit ›Blut im Schuh‹ eine ihrer ersten Einzelausstellungen im Hospitalhof Stuttgart.

Die für die Entscheidung über den oder die PreisträgerIn zuständige Jury Dr. Claudia Emmert, Sebastian Schmitt, Ania Corcilius, Bernd Klink, Susanne Drescher, Dr. Ulrike Groos und Dr. Eva-Marina Froitzheim wird bei ihrer Auswahlsitzung am 31. Juli 2024 um ihre Aufgabe nicht zu beneiden sein, weil alle Nominierten den Preis verdient haben und das Preisgeld brauchen können. Man kann deshalb gespannt sein, wem der Preis zugesprochen werden wird. Neben dem Preis der Jury wird auch noch ein von der Sparda-Bank ausgelobter Publikumspreis in Höhe von 5000 Euro verliehen, über den die BesucherInnen abstimmen können.

ham, 11. Mai 2024

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