Hirmer Verlag München, 2105, ISBN 978-3-7774-2494-1, 252 Abbildungen überwiegend in Farbe, Leinen
gebunden mit Schutzumschlag, Format 32,5 x 24,5 cm, € 29,90(D) / € 30,80 (A) / CHF 36,80 / USD 35.00
Klare Ansagen haben den Vorteil, dass man sich auf das einstellen kann, was einen mutmaßlich erwartet. Peter Haller, Mitbegründer der inhabergeführten Agenturgruppe Serviceplan und seit 35 Jahren Sammler moderner Kunst, hat die Sammlung der Agentur nach einem klar definierten Konzept aufgebaut. „Den Schwerpunkt bilden deutsche Künstler, ergänzt um solche, die die Kunst in Deutschland beeinflusst und verändert haben; z. Serge Poliakoff, der Fritz Winter zur Farbfeldmalerei brachte, oder Francis Bacon … , oder Marino Marini“ (Peter Haller S. 11). Es geht um abstrakte Kunst mit hohem ästhetischen Anspruch und um Kunst, die zu rhythmisch-musikalischem Ausdruck fähig ist: „Unsere Sammlung beginnt … nach 1945. Wir haben uns zu Beginn unserer Sammeltätigkeit auf Künstler konzentriert, die von dem zwölfjährigen Malverbot der Nazis betroffen waren und als „entartet“ galten … Ein weiteres Kriterium … ist ihre Fähigkeit zum rhythmisch-musikalischen Ausdruck. Beide Kunstgattungen haben eine hohe Ähnlichkeit in ihrer Entstehung und sind das Ergebnis rein emotionaler Eingebungen und Empfindungen.“ (Peter Haller S. 47). Das Konzept soll aber die persönlichen Freiheiten und Neigungen nicht einschränken. „Sammeln sollte die Freiheit sein, seinen individuellen Neigungen und Präferenzen zu folgen … Sammlungen sind immer etwas höchst Persönliches, und das ist ja auch das Faszinierende daran“ (Peter Haller, S. 11).
Wenn man Haller folgt, hilft die klassische Bildbesprechung bei abstrakten Bildern nicht weiter. „Abstrakte Bilder sind Bilder der Seele. Will man ihre Botschaften nachempfinden, muss man sich erst einmal mit der Person des Künstlers beschäftigen, mit seiner Mentalität, seiner Einstellung und den Einflüssen, denen er zur Zeit der Anfertigung des Kunstwerks ausgesetzt war. Erst dann ist die Interpretation eines abstrakten Bildes überhaupt möglich“ (Peter Haller S. 42). Damit legt es sich nahe, den Abbildungen biographische Angaben vorauszuschicken. So geschieht es dann auch. Der Überblick über die Sammlung setzt mit dem der absoluten Malerei zugeordneten Ernst Wilhelm Nay ein. Es folgen Vertreter der „geometrischen“ und der „lyrischen“ Abstraktion wie Adolf Fleischmann, Rolf Cavael, Fritz Winter und Max Ackermann, Maler abstrakter Landschaften wie Emil Schumacher, Bernd Zimmer, Rainer Fetting, „abstrahierende Kunst“ von so unterschiedliche Malern wie Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Yoshimoto Nara, Alex Katz, Francis Bacon und Jonathan Meese, Bronzen unter anderem von Marino Marini, Fritz Wotruba, Alfred Hrdlicka und Fritz Koenig, Holzskulpturen von Stefan Balkenhol und Norbert Feger und Bronzeabgüsse von Dietrich Klinge. Spätestens bei den Malereien von Baslitz, Katz und Meese und bei den Skulpturen von Hrdlicka, Balkenhol und Klinge wird die Grenze des Konzepts „abstrakte Kunst“ offenkundig. Es ehrt Haller, dass er diese Grenze sieht und beispielsweise zu Meese bemerkt, dass er „nicht optimal zur Philosophie unserer Sammlung“ passt, aber einer ist, „der so auffällig und durchschlagend kommuniziert, dass er eben doch in der Sammlung unserer Agentur einen Platz findet“ (Peter Haller S. 300).
Helmut Friedel bindet die das Konzept der Sammlung sprengenden figurativen Postionen diplomatisch in
folgende Umschreibung von Abstraktion ein: „Die in diesem Buch vorgestellte >>Sammlung Serviceplan<<
vereint in sich zahlreiche, teils recht unterschiedliche Facetten von Abstraktion. Bei aller individuellen Ausformung und allen Unterschieden des Ausdrucks fußen sie weiterhin auf der in den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelten >>Bildsprache<<. In dieser Sprache werden die verschiedensten Ideen >>erzählt<<, die das Medium Malerei ermöglicht … Abstraktion bedeutet in diesem Zusammenhang kein Stilkriterium, sondern eine Methode auf dem Weg zum Bild. Insofern sind heute auch
Grenzüberschreitungen ebenso legitim wie der Wechsel vom ungegenständlichen zum abbildenden Bild.
Doch auch die Abbildung kann nicht mehr nach den klassischen Prinzipien von Ganzheitlichkeit und
Konstanz geschehen. In der plastischen Bildnerei ist schon durch die notwendigerweise gegebene
Körperlichkeit nicht derselbe Grad an Abstraktion wie in der Malerei zu erreichen. Das Gegenständliche ist der Skulptur prinzipiell angeboren. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der Abbildung. Dennoch kehren gerade dort, wie auch bei einer ganzen Reihe von Malern, die Figur, das Zeichen und ein konkreter Gegenstandsbezug wieder. Allerdings haben auch diese Künstler die Sprache der Abstraktion in sich aufgenommen und weiter entfaltet. So bestimmt eine gewandelte, den modernen Erkenntnissen verpflichtete Körper- wie Raumauffassung ihre Darstellungen. Was zählt, ist nicht der Schein der Dinge, sondern vielmehr ihre Unmittelbarkeit, gestaltet in Form und Farbe“ (Helmut Friedel S. 424).
ham, 26.10.2014
Download