Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg, herausgegeben von Annegret Laabs und Uwe Gellner mit ausgewählten Fotografien unter anderem von László Moholy-Nagy, Xanti Schawinsky, Gyula Pap, Herbert Bayer, T. Lux Feininger, Florence Henri, Ulrich Wüst, Bernhard Blume, Gottfried Jäger, Brian Eno, Matthias Hoch, Maix Mayer, Ricarda Roggan, einer Liste aller Werke und Texte von Gerhard Glüher, Gottfried Jäger und den Herausgebern

E. A. Seemann Verlag in der E.A. Seemann Henschel GmbH & Co. K, Leipzig, 2020, ISBN 978-3-86502-433-6, 346 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Format 28,5 x 20 cm, € 36,00

Moderne Ikonografie. Fotografie Band 2. Die Klasse für Fotografie und Medien von Joachim Brohm

Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg, herausgegeben von Annegret Laabs und Uwe Gellner mit ausgewählten Fotografien von Felix Bielmeier, Christoph Brückner, Nicole Burnett, Johannes Ernst, Neo Maria Gumprecht, Isabell Hoffmann, Bernadette Keating, Sophia Kesting, Dana Lorenz, Florian Merdes, Valentina Plank, Alexander Rosenkranz, Julius C Schreiner, Mihai Şovăială, Florian Weber und Texten von Joachim Brohm und Stephanie Milling

E.A. Seemann Verlag in der E.A. Seemann Henschel GmbH & Co. K, Leipzig, 2019, ISBN 978-3-86502-434-3, 108 Seiten, Klappenbroschur, Format 28,5 x 19,7 cm, € 12,00

100 Jahre nach der Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar bleibt neben der Bauhausarchitektur die dort entwickelte experimentelle Fotografie am stärksten in Erinnerung. Zwar wurde erst in Dessau unter Walter Peterhans (1897 – 1960) eine Werkstatt für Fotografie aufgebaut. Aber zu dokumentarischen Zwecken wurde von Anfang an fotografiert und die von László Moholy-Nagy (1895 – 1946) ab 1922 in Berlin und später am Bauhaus erarbeiteten Fotogramme stellen einen Wendepunkt in der Entwicklung des fotografischen Bildes dar (vergleiche dazu und zum Folgenden Gottfried Jäger, Vom Bild der Realität zur Realität des Bildes. Zu den Fotogrammen von László Moholy-Nagy. In: Moderne Ikonografie. Fotografie Band 1 S. 275 ff.). Nach dem ab 1826 von Joseph Nicéphore Niépce und Louis J.M. Daguerre entwickelten fotografischen Verfahren der „von selbst vor sich gehenden Reproduktion der in der Camera obscura aufgefangenen Bilder“ bildete das Foto etwas ab oder stellte einen Sachverhalt dar, der durch das Objektiv der Kamera gesehen worden ist. Jedem Objektpunkt entsprach ein Bildpunkt. Objekt (das Bezeichnete) und Abbild (das Bezeichnende) waren miteinander verknüpft. Moholy-Nagy verzichtete auf die Kamera und ihre Optik und brachte seine Gegenstände direkt mit dem fotografischen Material in Kontakt. So erfand er das Fotogramm, dessen Formen unmittelbar aus seinen Gegenständen hervorgehen (vergleiche dazu https://amp.diepresse.com/526877 und https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Objekte/moholy-nagy-fotogramm.html?single=1).

Die doppelbändige Publikation gibt einen exzellenten Überblick über die Weiterentwicklung des Mediums seit Moholy-Nagy bis in die Gegenwart, dokumentiert Arbeiten herausragender Fotografen und kommentiert sie. 

So heißt es über Christian Schads ›Scarbo im Gehäus‹, Schadographie auf Bristolkarton (vergleiche dazu https://janischfineart.com/shop/scarbo-im-gehaumlus/): „Der Maler Christian Schad ist sich 1918 der Bedeutung seiner ohne Kamera, auf lichtempfindlichem Papier experimentierenden fotografischen Versuche nicht sicher. Er macht etwa fünfundzwanzig, dann verliert sich sein Interesse“ (Moderne Ikonografie. Fotografie Band 1, S. 61). Zu Xanti Schawinskys ›Treppenspuk‹, 1925, wird notiert: „Der freundschaftliche Kontakt zu László Moholy-Nagy, T. Lux Feininger, Herbert Bayer und Walter Peterhans macht Alexander (Xanti) Schiwansky schon während seiner Zeit am Bauhaus in Dessau mit der Fotografie vertraut. Dass ihn am Foto in dieser Zeit das Experiment interessiert, zeigt eine frühe Fotografie von 1925, die er später unter der Bezeichnung ›Treppenhausspuk‹ führt“ (a. a. O s. 129). Und zu Ed Ruschas ›Gilmore Drive-in Theatre, 6201 W. 3rd St., 1967 (vergleiche dazu https://www.tate.org.uk/art/artworks/ruscha-gilmore-drive-in-theatre-6201-w-3rd-st-al00259) und seinen Parking Lots, 1967/1999,30 gelatin silver prints, Photography, 15 x 15 in. (38,1 x 38,1 cm) (vergleiche dazu https://www.mutualart.com/Artwork/Parking-Lots/B30266BA1AB7259C) kann man Folgendes lesen: „Die Aussage Ruschas, ›Photography helps me to see things flat‹ gibt vor, dass sich der Künstler für seine Malerei Informationen aus der Fotografie verschafft, weil sie die Realität automatisch auf die Fläche überträgt. Tatsächlich ist diese Idee so alt wie die Fotografie. Bei den Parkplatzaufnahmen entfällt sie, denn diese Motive sind bereits flach wie Fotografien. Die Bildserie entsteht frühmorgens, noch bevor der Verkehr einsetzt, bei diesiger Sonne, ohne Ablenkung, ohne Erzählung, fotografisch anonymisiert. Jede Suche nach dahinter liegenden fotografischen Ambitionen und Inhalten prallt vom Asphalt der Plätze ab oder verläuft sich in der offensichtlichen Inhaltsleere. Ruscha referiert das Verfahren der Fotografie und Buchgestaltung gegenläufig zur üblichen Praxis, indem er als Autor weitgehend unsichtbar bleibt. Lange verbleibt die konzeptuelle Fotografie von Ruscha im Hintergrund seiner Malerei. Erst Jahrzehnte später, in den 1990er Jahren, gewinnt das Modell seines fotografischen Denkens für eine Generation junger Fotografen wegweisende Bedeutung“ (a. a. O. S. 217 ff.).

ham, 1. Oktober 2021

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