Publikation der Ravensburg/Columbus Art Foundation, der fruehsorge contemporary drawings und
der Galerie Laurent Müller, hrsg. von Jörg van den Berg und Andreas Schalhorn mit einem Vorwort
von Jörg van den Berg und einem Essay von Andreas Schalhorn
Columbus books / Revolver Publishing Berlin, 2012, ISBN 978-3-86895-277-3, 400 S., 264
Abbildungen, Hardcover gebunden, Format 30,1 x 20,3 cm, € 28,–
Der 1965 in Arnheim geborene und heute in Berlin lebende renommierte Zeichner Matthias Beckmann
ist schon an der Wende zum 21. Jahrhundert durch hochformatige Bleistiftzeichnungs-Serien in A-4-
Formaten aufgefallen, so durch seine Serien aus dem Erzbischöflichen Diözesanmuseum Köln und der
Hospitalkirche Stuttgart. Seither hat er unter anderem die Warteschlangen vor der Nationalgalerie
Berlin aus Anlass der MoMa-Auswahl festgehalten (2004), seine Eindrücke in den
Restaurierungswerkstätten des Berliner Kupferstichkabinetts (2008) und das Atelier seines
schwäbischen Künstlerfreundes Hans Pfrommer (2010). 2012 liegen nun, passend zur großen
Landesausstellung Baden-Württemberg ‚Mythos Atelier: von Spitzweg bis Picasso, von Giacometti
bis Naumann‘ Beckmann-Zeichnungen aus 88 Berliner Ateliers vor. Die 264 Zeichnungen sind
zwischen 2010 und 2012 entstanden und erinnern, aber nur im ersten Moment, an die dokumentarische
Geste der Neuen Sachlichkeit. Bei genauer Betrachtung fällt ihr sich schon aus der Reduktion auf die
Umriss-Lineaturen ergebender hoher Abstraktionsgrad auf, der empathisch zugewandte, nicht
zensierende Blick und dann der weitgehende Ausschluss der Künstler: Sie sind bis auf wenige
Ausnahmen nur in ihren Werken und in den Arrangements ihrer Ateliers präsent. Zu den wenigen
Ausnahmen gehört Sven Drühl. Der Maler wird bei der Erarbeitung seiner ersten Skulpturengruppe
gezeigt, die er eigens für seine Totentanzausstellung Ende 2011 im Hospitalhof und in der
Hospitalkirche Stuttgart geschaffen hat. Dass sich die Malerin Heike Ruschmeyer ein halbes Leben
lang mit Mordopfern beschäftigt, kann man aus den Beckmann-Zeichnungen im Ruschmeyer-Atelier
allenfalls erahnen: Die dritte Zeichnung zeigt ein Kind, das in einem Kleiderschrank neben Mänteln
und Anzügen aufgehängt ist. Im Atelier von Jo Schöpfer hält Beckmann die monumental wirkenden,
in der Wirklichkeit aber klein- und mittelformatigen Bronze-Modelle ebenso fest wie den Stehtisch,
den Stuhl und das Arbeitsmaterial des Künstlers auf dem Fensterbrett über dem Heizkörper. Im Atelier
von Anselm Reyle interessieren Beckmann das Sortiment der vielleicht 20 unterschiedlich
dimensionierten Pinsel, der wie eine Collage angelegte Entwurf einer großformatigen Malerei mit
Zahlenangaben wie 68, 34,90, die für mögliche Farben und Materialien stehen könnten, und das
Arrangement von sechs Arbeitstischen, an denen eine Reihe von Assistentinnen und Assistenten wie
in mittelalterlichen Bilderwerkstätten an Reyle-Produktionen arbeiten. Im Atelier von Martin Assig
blickt man vom Zeichnungstisch des Zeichners und Malers durch ein Rundbogen-Fenster auf das
Werbeschild der Kreuzberger Autowerkstatt, mit der sich Assig das Hof-Areal teilt. Matthias
Beckmann tritt in seinen Zeichnungen nur ein Mal selber auf: Im Atelier von René Wirths zeigt er sich
in der für ihn typischen breitbeinigen Haltung als Halbfigur mit dem Zeichenblock in der rechten und
dem Bleistift in der linken Hand. Sein Korpus ist angeschnitten. Sein Kopf fehlt.
(ham)

Download: Matthias Beckmann – Berliner Ateliers

 

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