Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, herausgegeben von Walter Sperling mit Texten von Kay Heymer und Ulrich Wilmes und einem Interview von Walter Smerling mit Karin Kneffel
Schirmer/Mosel Verlag, München, 2024, ISBN 978-3-8296-1016-2, 240 Seiten, 160 Farbtafeln, Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag, Format 31 x 23 cm, € 58,00, € 59,70 (A), CHF 66,70
Die 1957 in Marl geborene langjährige Professorin an der Akademie der Bildenden Künste München Karin Kneffel (vergleiche dazu Karin Kneffel, Biografie. In: http://www.kneffel.de/) ist in den frühen 1990er Jahren durch ihre Porträts von Hähnen, Hühnern, Schafen, Kühen und Wildschweinen bekannt geworden (vergleiche dazu Karin Kneffel, Works 1990 und 1991. In: http://www.kneffel.de/). Ihre aktuellen „Madonna mit Kind“-Diptychen (vergleiche dazu Karin Kneffel, Works 2023, a. a. O.), darunter auch ein Selbstporträt und ein Porträt ihres Sohnes (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Karin_Kneffel#/media/Datei:Karin_kneffel.jpg) knüpfen an diese Phase ihrer Werkentwicklung an. „Mich interessierte das Thema Porträt. Menschendarstellungen erscheinen mir zu kompliziert, zu psychologisch, auch zu eitel, und dann war da noch der Kampf um die Ähnlichkeit. Deshalb habe ich mich für domestizierte Haustiere entschieden, die jeder kennt. Das Portraitieren von Tieren bedeutete für mich eine Verfremdung meiner Interpretation des Tieres, auch meiner Sehgewohnheiten und Vorurteile“ (Karin Kneffel nach Ulrich Wilmes, Das eigentliche Bild, S. 27).
Zwischen den Tier- und „Madonna mit Kind“-Diptychen hat sie unter anderem Schneeberge, Architekturen, extrem vergrößerte Früchte, Weintrauben, Teppiche, Treppen, Badende, Eier, Blumen und Blicke durch beschlagene Fenster in Innenräume gemalt. Diese Werkreihe hat Kay Heymer zu der These geführt, dass ihre Bilder die Welt durch eine Glasscheibe zeigen. „Ihre Bildwelt ist vertraut und gleichzeitig rätselhaft […]. Kunstwerke älterer Meister sind in ihren Räumen ebenso zu sehen wie Menschen, die alltäglichen Verrichtungen nachgehen. Karin Kneffels Malwiese ist dabei sehr genau und zeigt die Dinge, ohne dass eine expressive künstlerische Handschrift dazwischentritt. Ihre Malerei ist ein zeitgemäßes Wechselspiel zwischen Naturbezug und Künstlichkeit. Ihr malerisches Werk entwickelt sich seit dem Ende der 1980er Jahre, und während sie stets Aspekte ihrer Sicht auf die Welt präsentiert hat, sind ihre Werke zunehmend komplexer und auch technisch anspruchsvoller geworden“ (Kay Heymer, S. 117).
Ihre Hausbilder von 2021 (vergleiche dazu Karin Kneffel, Works 2021, a. a. O.) stehen für den Häusertyp, in dem sie in Marl groß geworden ist. „Einmal fiel nachts, als ich daran vorbeifuhr […], ein großer Baumschatten auf das Haus und meine Phantasie entzündete sich, Kindheitsgefühle stiegen in mir auf, auch unangenehme. Sie kennen das sicher, man schaut als Kind auf eine Linie an der Wand und es entsteht ein Monster. Die Langeweile und die Enge, die mich an Sonntagen oft überfielen, waren plötzlich wieder da. Aber diese Langeweile beflügelt ja auch oft die Phantasie und kann die Basis für Kreativität sein. Wenn die Langeweile kommt, braucht man gute Ideen. Und so wurde dieses Haus bildwürdig und Bildmotiv und es wurde schön […]. Die Entstehung der Bilder hat oft einen komplizierten Hintergrund. Aber das ist für die Betrachtung erst einmal nicht so wichtig. Die Malerei ermöglicht auch einen sehr direkten Zugang […]. Einer meiner Lieblingssätze über die Malerei ist von John Berger, etwa sinngemäß so: Das Paradox der Malerei ist, dass sie den Betrachter in ihren Innenraum einlädt, damit er von da aus die Welt draußen betrachten kann“ (Karin Kneffel S. 195 f. und S. 200).
Der anspruchsvolle Katalog ist ein Muß.
ham, 2. September 2024