Publikation zur Aktion der Offenen Kirche der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herford-Mitte und des Kirchenkreises Herford zur Ausstellung vom 29.09. – 03.11.2012 in der St. Johannes- und in der Münsterkirche in Herford und zu den folgenden Ausstellungen

Kerber Verlag Bielefeld, 2012, ISBN 978-3-86678-720-9, 204 S., zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 23 x 22,8 cm, € 29,95

Illustrative, theologische Einsichten veranschaulichende Bilder waren trotz Bilderverbot weder im Katholizismus noch in den Kirchen der Reformation nicht eigentlich umstritten. Wenn Johannes Beer in der vorliegenden Publikation „Zeitgenössische Kunst zur Bibel“  vorstellt, steht er in genau  dieser Tradition. Beer erinnert an die vor 490 Jahren erschienene erste Lutherische Bibelausgabe, das sogenannte „Septembertestament“ von 1522, das ‚neben einigen Bildinitialen 21 Bilder zur Offenbarung, die von Lucas Cranach gearbeitet wurden, enthält. „Es wurde in einer beachtlichen Auflage von 3000 Exemplaren von Melchior Lotter in Wittenberg gedruckt. Trotz des hohen Preises von eineinhalb Gulden war die Auflage innerhalb von drei Monaten vergriffen, und so wurde bereits im Dezember 1522 die zweite Auflage mit verbessertem Text und korrigierten Bildern gedruckt (>>Dezembertestament<<)… Interessanterweise hat auch die Züricher Bibel von 1531, die ja im reformierten, eher bilderfeindlichen Umfeld entstand, einen reichhaltigen Bilderschmuck von zwei Titelholzschnitten, einem Kopfholzschnitt, 198 Textillustrationen und 216 Bildinitialen“ (Johannes Beer). Die Tradition der Bibelillustrationen reicht unter anderem bis zu den 249 Bibelholzschnitten von Julius Schnorr von Carolsfeld, den 230 Stichen zur Bibel von Gustave Doré und den Bibelbilderbücher von Kees de Kort. Diese Tradition hat ihr eigenes Recht.

Wenn aber Beer davon spricht, dass seine jetzt vorgelegte Sammlung zeitgenössischer Kunst zur Bibel eine „Begegnung auf Augenhöhe“ ermöglichen soll und will, muss er mit Widerspruch rechnen. Er nimmt diesen Widerspruch vorweg, wenn er davon berichtet, dass ihm Johannes Geccelli, mit dem er später freundschaftlich verbunden war, bei einer ersten Begegnung gebeten hat, seine Bilder nicht zu interpretieren  „Pfarrer sehen da immer nur Bücher und damit die Bibel“ (Johannes Geccelli). Und dass Werner Knaupp ihm geschrieben habe, dass er viele negative Erfahrungen mit der „Institution Kirche gemacht habe“. Von Geccelli und Knaupp gibt es in Beers vorliegender Sammlung keine Bilder, warum auch immer. Beer schreibt weiter, dass sich die Reihe der Beispiele schnell verlängern ließe und dass die andere Seite auch nicht weniger Beispiele hat, „dass Künstler nur provozieren, die Notwendigkeit eines Gottesdienstraumes nicht respektieren usw.“ (Johannes Beer). Beer will die Diskussion nicht unnütz weiter fortsetzen und die Erfahrungen und Vorurteile gegeneinander nicht länger aufrechnen. Stattdessen „versuche ich lieber, neue Erfahrungen zu ermöglichen und Vorurteile zu entkräften. Seit über 20 Jahren mache ich nun Ausstellungen in kirchlichen Räumen und arbeite mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Wir nehmen uns gegenseitig ernst und respektieren die gegenseitigen Bedingungen. Wir lassen uns beide auf die jeweilige Sprache des anderen ein. Und dann geschieht er eben, der ersehnte Dialog auf Augenhöhe“. Die Frage ist nur, ob der Dialog gelingen kann, wenn der Rahmen und die Bedingungen, die durch die autonomen Systeme und Kunst und Religion für diesen Dialog gesetzt sind, nicht eigens reflektiert werden. Illustrationen bleiben Illustrationen. Sie führen keinen Dialog.

Die Problematik wird unter anderem an der im ersten Moment scheinbar nebensächlichen Beobachtung deutlich, dass einige der Künstler eigens betonen, dass sie bei ihren Arbeiten keine Bibelstelle anführen können. So schreibt etwa Axel Vater zu seiner Bleistiftzeichnung ‚Quelle und Kreuz im Gebirge‘:  „Eine direkte Bibelstelle führe ich nicht an. Alle meine Arbeiten zu diesem Thema befragen das Kreuz nach seiner möglichen Gültigkeit in der Gegenwart und nach seinen möglichen Aspekten. Dem Kreuz sind hier Quelle und Gebirge zugeordnet. Das Gebirge (mineralisch) steht für den Todesprozess, die Quelle für das Leben. Wasser ist stärker als Stein. Das Kreuz kann hier nicht nur als Heils-, sondern auch als Lebenszeichen verstanden werden“ (Alex Vater). Bernd Zimmer hat seine Zeichnung aus dem Jahr 2011 aus seiner Kosmos-Serie „Tag 1“ betitelt. Der Zeichnung steht das Bibelwort 1  Mose 1, 3 „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht“ gegenüber. Man fragt sich, wenn man sechs Seiten vorher die Bemerkung von Axel Vater gelesen hat, ob der Verweis auf 1. Mose 1,3 vom Künstler oder vom Herausgeber des Bandes stammt. Statt auf den biblischen Schöpfungsbericht hätte auch auf den babylonischen Schöpfungsbericht oder andere Schöpfungsmythen verwiesen werden können. Bernd Zimmer ist zwar dem christlichen Kontext eng verbunden, aber er war ein Leben lang in allen Kulturen unterwegs. Der Verweis auf 1.Mose 1,3 ist also einer unter vielen möglichen und ‚Tag 1‘ könnte gut und gerne auch für andere erste Tage stehen.  Wenn schließlich Künstlerinnen wie Sonja Tintelnot ihre Arbeit „Palmarum“ zu Johannes  12,12-15 in Beziehung setzen und dann erklären, wie die Arbeit zu verstehen ist, fragt man sich, ob man als Bibelleser und autonomer Rezipient noch selber sehen und denken oder ob man vorgegebenen Interpretamenten folgen soll. Kurz: Auch eine in der Tradition der Bibelillustrationen stehende Sammlung kommt nicht ohne Antworten auf die Grundfragen der Hermeneutik aus. Schließlich: Wenn man ‚Zeitgenössische Kunst zur Bibel‘ liest, erwartet man autonome Kunst auf der Höhe der Zeit und keine Illustrationen. Die vorliegende Sammlung stellt autonome Kunst und Illustrationen ununterschieden nebeneinander. Auch deshalb bleibt das Vorhaben unbefriedigend.

(ham)

Download Johannes Beer  Zeitgenössische Kunst zur Bibel

 

 

 

 

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