Festschrift zum 60. Geburtstag von Professor Dr. Martin Leutzsch
Herausgegeben von Richard Janus, Sophia Niepert-Rumel, Ilona Nord, Jochen Schmidt und Harald Schröter-Wittke mit Beiträgen von Rita Burrichter, Jürgen Ebach, Michael Hofmann, Gabriele Jancke, Richard Janus, Maria Japs, Marion Keuchen, Elisa Klapheck, Martin Leutzsch, Hamideh Mohagheghi, Sophia Niepert-Rumel, Gisela Maria Sander, Jochen Schmidt, Harald Schroeter-Wittke, Klaus von Stosch, Angelika Strotmann, Muna Tatari und einer Einleitung von Ilona Nord
Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2019, ISBN 978-3-374-04805-2, 246 Seiten, Paperback, Format 23 x 15,5 cm, € 28.00
Wer sich mit dem Übersetzen und damit mit dem Verstehen und Verständlichmachen von fremdsprachigen Texten befasst, kennt die Anstrengung, die es braucht, Texte aus anderen Kulturen und Zeiten angemessen in die eigene Sprache, Zeit und Kultur zu übertragen. Auf der einen Seite muss die Abständigkeit und Fremdheit dieser Texte ausgehalten und gewahrt werden und auf der anderen Seite sollen sie im jeweils neuen Kontext zu begreifen sein. Deshalb kommen Übersetzungen in aller Regel um deutliche Veränderungen, Umgestaltungen und Verwandlungen, kurz: um Transformationen nicht herum.
Martin Leutzsch gehört zu den Herausgebern und Übersetzern der ›Bibel in gerechter Sprache‹ und hat sich ein Leben lang mit Fragen der Rezeptions- und Transformationsgeschiche der Bibel befasst. Er lehrt seit 1998 als Professor für Biblische Exegese und Theologie an der Universität Paderborn. Nach Ilona Nord lässt sich seine Forschung und Lehre in folgendem Satz zusammenfassen: „In einem Satz gesagt geht es ihm um die in Traditionsgeschichten konstruierten Bilder Jesu. Sie unterliegen Transformationsprozessen, in denen sich Entwicklungen (nicht nur) der abendländischen Kultur abbilden. Spätestens mit Ostern und dem Christus-Namen beginnt die Geschichte der Transformationen“ (Ilona Nord /Harald Schröter-Wittke S. 9). Deshalb hat es sich nahe gelegt, die ihm im Wintersemester 2015/16 in Paderborn zu seinem 60. Geburtstag gewidmete Ringvorlesung „Jesus-Transformationen“ zu nennen. Die jetzt erschienene gleichnamige Festschrift geht auf diese Vorlesungen zurück. Bei der von der Mathematik und Physik über die Medizin, Betriebswirtschaft, Genetik und Bodenkunde bis zur Militär-, Politik- und Rechtswissenschaft reichenden Bandbreite des Begriffs war es klug, die ›Jesus-Transformationen‹ nicht eng, sondern weit zu fassen und sie erst nach der Vorlesungsreihe genauer in den Blick zu nehmen:
„Im Rückblick auf die Beiträge […] erschließt sich in deren Vielfalt, wie hier der Begriff der Transformation verstanden werden wollte. Mit ihm wird signalisiert, dass wir in Zeiten kulturellen Wandels leben und diese selbst als hochkomplexe Phänomene zu verstehen sind. Mit ihm wird signalisiert, dass Transformationen aber nicht allein moderne Phänomene sind, sondern z. B. konkret die Geschichte der Jesus-Bewegung und des späteren Christentums immer begleitet haben und weiter begleiten. Religion(en) und Glaube waren und sind kulturelle Phänomene und stets spiegeln sich in ihren Artikulationen wider, wie und wo Menschen leben, von welchen Begegnungen sie geprägt wurden und werden, welche Vorstellungen sie von ihren (Lebens-)Geschichten und ihren Erwartungen an die Zukunft hatten und haben. Ihr Alter, ihre geschlechtliche Orientierung, ihre kulturellen Herkünfte, ihre sozialen Verhältnisse, ob und wie sie mit Behinderungen lebten, all dies ist auch in die Arten und Weisen, ihre Religion(en) zu praktizieren und zu reflektieren, eingegangen. Die Rede von den Jesus-Transformationen in diesem Band zeigt damit auf, wie und dass religiöse und weltanschauliche Traditionen davon leb(t)en, dass sie immer wieder neu und in unterschiedlichsten Kontexten das Ereignis des Auftretens Jesu, der als Christus geglaubt wird, auszulegen versuchen“ (Ilona Nord S. 15).
In allen Beiträgen des Bandes zu den Jesus-Transformationen in der Bibel, im Koran, im Judentum, im Islam ebenso wie in der Musik, der Literatur, der Bildenden Kunst sowie in der Religionsphilosophie kam zum Ausdruck, „dass die Deutungsmachtansprüche, die mit Jesus-Transformationen verbunden sind, […] zu (inter-)religiösen und […] (inter-)kulturellen Konflikten führten und führen“ (Ilona Nord a. a. O.). Diese Konflikte gehören für Martin Leutzsch zu seinem Verständnis einer hermeneutisch verstandenen Theologie; deshalb weicht er ihnen nicht aus. Das Buchprojekt kann deshalb auch „als Versuch […] gesehen werden, die hohe Vielfalt, in der Jesus-Transformationen an vielen verschiedenen Orten und in vielen verschiedenen Traditionen und kulturellen Produktionen vorliegen, wenigstens exemplarisch deutlich werden zu lassen und […] dazu anzuregen, weitere Bilder (von Jesus, der als der Christus geglaubt wird) zu beforschen. Dabei wird voraussichtlich erkennbar werden, dass und wie solche Bilder immer ambivalente Wirkungen haben, weil sie Religiosität einerseits lebensdienlich befütter(te)n, andererseits nicht selten lebensfeindlich befeuer(te)n, indem sie etwa zu religiös legitimierten gewalttätigen Auseinandersetzungen führten. Die mehrdeutigen Wirkungen […] herauszuarbeiten entspricht der Hoffnung, dass ihre Thematisierung, Reflexion und Diskussion dazu beiträgt, Perspektivwechsel und Horizonterweiterungen zu fördern“ und die eigene Relativität in Glaubens und Religionsfragen anzuerkennen und die Ambiguitätstoleranz zu steigern (Ilona Nord S. 16).
ham, 19. August 2019