Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2022, ISBN 978-3-421-04898-1, 431 Seiten, 26 ganzseitige Bildtafeln und Tabellen auf der Basis neuester Daten, 1 s-w Abbildung, Hardcover, gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 23 x 16 cm, € 36,00 [D] / € 37,10 [A] | CHF 47,90

Nach dem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 1. Februar 2024 haben der Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld (57) und der Chefaufseher der Schaeffler Technologies AG & Co. KG Georg Schaeffler, einer der reichsten und mächtigsten Unternehmer in Deutschland, mit der Übernahme der Vitesco AG 2023 einen neuen deutschen Zuliefererkonzern mit 25 Milliarden Euro Umsatz, 120 000 Beschäftigten und mehr als 100 Fabriken weltweit geschaffen. Vorher hatte Georg Schaeffler seinen Vitesco-Anteil über seine Herzogenauracher IHO-Familienholding bereits aufgestockt und die Schaeffler-AG hatte sich neun Prozent gesichert. Am Ende wird der Aktienkauf 1,5 Milliarden Euro gekostet haben. Damit der Zusammenschluss beider Firmen reibungslos verlief, war das Drehbuch von Schaeffler und Rosenfeld entsprechend intensiv und im Detail vorbereitet worden. Mitte Januar 2024 trafen sich 80 Führungskräfte beider Firmen zu einem ersten Kennenlernen in einem Frankfurter Fünf-Sterne-Hotel. Offen sei es zugegangen, die Atmosphäre sei gut gewesen, so Teilnehmer. Die Schaeffler AG gilt mit einem Kurs von aktuell um die fünf Euro pro Aktie und einem Börsenwert von einer Milliarde Euro als deutlich unterbewertet (vergleiche dazu Süddeutsche Zeitung Nr. 26 vom 1. Februar 2024, S. 15, https://www.schaeffler.com/de/ und https://www.schaeffler.com/de/meta/weltweit/standorte-weltweit/).

Der neu geschaffene Konzern wäre für den renommierten Volkswirt und Wirtschaftsjournalisten Hans-Jürgen Jakobs ein weiteres Beispiel für die Verschiebung der Machtverhältnisse durch die Übernahme von Mitbewerbern im globalen Kapitalismus gewesen, wenn er seine Publikationen ›Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus‹ und ›Das Monopol im 21. Jahrhundert. Wie private Unternehmen und staatliche Konzerne unseren Wohlstand zerstören‹ heute und nicht 2016 und 2022 geschrieben hätte. So ist es bei der Vorstellung bisheriger Hauptakteure des Weltfinanz- und Wirtschaftswesen wie Larry Fink, dem Gründer, Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden der weltgrößten Vermögensverwaltung BlackRock (vergleiche dazu https://www.google.com/search?client=safari&rls=en&q=larry+fink+vermögen&ie=UTF-8&oe=UTF-8), Stephan Schwarzmann, dem Chef der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Blackstone (vergleiche dazu https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/blackstone-chef-hat-mehr-als-810-millionen-dollar-verdient-14094002.html), Abdullah bin Mohammed bin Saud Al-Thani (vergleiche dazu https://de.abcdef.wiki/wiki/Abdulla_bin_Mohammed_bin_Saud_Al_Thani ) und von Konzernen wie Meta (vergleiche dazu https://about.meta.com/de/), Netflix (vergleiche dazu https://www.netflix.com/de/), TSMC (vergleiche dazu https://www.tsmc.com/english), JPMorgan Chase (vergleiche dazu https://www.jpmorganchase.com/), Blackrock (vergleiche dazu https://www.blackrock.com/de), Vanguard (https://www.de.vanguard/de/), Fidelity Investments (vergleiche dazu https://www.fidelity.de/) und weiteren Vermögensverwaltungen und Monopolisten geblieben, die mit ihren Billionen schweren Fonds mehr Geld anlegen als Deutschland erwirtschaftet (vergleiche dazu https://www.penguin.de/Buch/Wem-gehoert-die-Welt/Hans-Juergen-Jakobs/Knaus/e501463.rhd und https://www.penguin.de/Buch/Das-Monopol-im-21-Jahrhundert/Hans-Juergen-Jakobs/DVA-Sachbuch/e596511.rhd).

Unter Monopolen wird in den Wirtschaftswissenschaften üblicherweise eine Marktform verstanden, bei der auf der Angebotsseite nur ein Anbieter (Monopolist) vielen Nachfragern gegenübersteht (Angebotsmonopol). Stehen auf der Nachfrageseite wenige Nachfrager einem Anbieter gegenüber, liegt ein beschränktes Monopol vor. Der Monopolist ist als Alleinanbieter konkurrenzlos und damit in der Lage, die Absatzmengen und die Preise zu bestimmen. Jakobs verwendet den Begriff ›Monopol‹ in seiner einschlägigen Publikation dagegen nicht strikt als Synonym für ›Alleinanbieter‹, weil das selten vorkommt, sondern für Unternehmen, die sich extrem hoher Marktanteile erfreuen und somit die Möglichkeit haben, wirtschaftliche und politische Macht auszuüben. „Davon ist auszugehen, wenn ein Konzern rund 40 Prozent eines Marktes beherrscht oder drei Konzerne auf 60 Prozent kommen“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 13). Jakobs ist der Meinung, dass die Monopolisierung der Märkte zunimmt, dass wir weniger Wettbewerb haben als wir eigentlich bräuchten und dass wir die Märkte an verschiedensten Stellen korrigieren sollten. 

Der bei der am 8. November 2011eingeweihten russisch-deutschen Erdgaspipeline Nord Stream 1 vollzogene Schulterschluss zwischen deutschen Oligopolkonzernen, einem russischen Gasmonopolisten und Spitzen der deutschen, russischen und europäischen Regierungen hat nach Jakobs überdeutlich gezeigt, wie ökonomische in politische Macht überführt und letztlich zu Gift für die Marktwirtschaft und die Demokratie werden kann (vergleiche dazu auch Katharina Tamme, Nord Stream 1 und 2: Das Tauziehen ums Gas aus Russland. In: https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/Nord-Stream-1-und-2-Das-Tauziehen-ums-Gas-aus-Russland,nordstream622.html). Jakobs bündelt seine Folgerungen aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit dem Monopolismus in folgenden zwölf Thesen (vergleiche dazu Hans-Jürgen Jakobs S. 348 ff.): 

  1. Monopole sind bequem, deshalb entstehen sie. Monopolismus folgt dem Streben nach Effizienz, ausgedrückt in der Maximierung der Rendite. ›Gazprom‹ ist hierfür eine Chiffre. Im Nachhinein wurde deutlich, dass die Beteiligten wohl zu naiv und zu gierig waren. „Alle, die in Lubmin am Rad gedreht haben, haben die Erpressung erst möglich gemacht. Für beide Seiten war es so bequem, mit so einem großen Partner zu dealen. Die einen dachten, sie tun etwas für den Frieden und ihre Wiederwahl, die anderen aber dachten daran, dass ihnen die Abhängigkeit einmal von großem Nutzen sein würde. Jedes Monopol schafft eine asymmetrische Lage und damit Opfer“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 350).
  2. Liefermonopole waren der Höhepunkt des Shareholdervalue-Kapitalismus. Der Fall Gazprom hat den Blick auf die weiteren Liefermonopole geweitet, die westliche Regierungen bis heute erlaubt und gefördert haben. Die Mengenrabatte bei immer größeren Margen sind in den letzten Jahren zum Dreh- und Angelpunkt der betriebswirtschaftlichen Rationalität geworden. „Ein solches Konzept ist simpel. Es verlangt nur, mit dem gar nicht mehr diskreten Charme der Umsatzmacht möglichst viel und möglichst billig Rohstoffe, Vorprodukte und Bauteile zu organisieren und den Discount einzustreichen. Für Entscheider in Konzernen, deren Bonus davon abhängt, wie dynamisch Gewinn und Börsenwert verlaufen, schien dieses ›Single-sourcing‹ alternativlos zu sein“ (Hans-Jürgen Jakobs a. a. O.). Da günstige Gewinnprognosen Aktienkurse treiben, wurde ›Single-soucing‹ zum Grundgesetz der Konzerne. Vergessen wurde dabei der Grundsatz, dass man sich nicht von einzelnen Lieferanten abhängig machen darf. Das Gegenkonzept des ›Multi-sourcing‹ weist ausdrücklich darauf hin, dass bei diesem Konzept die Gefahr von Abhängigkeiten schwindet und eine Störung der Lieferketten weniger wahrscheinlich ist.
  3. Wir ärgern uns über Monopole aus Russland, müssten aber auf Monopole aus China achten. „Wenn wir uns heute im Verhältnis zu Russland über die Gier, die keine Naivität war, wundern und ärgern, ist das verständlich. Eine solche Wahrnehmung vergisst aber die noch viel schlimmeren Wahrheiten, die mit der kommunistischen Volksrepublik China zu tun haben. Der hier praktizierte Staatskapitalismus, der in Wahrheit ein Parteikapitalismus ist, hat im Vergleich zu Moskau und St. Petersburg noch viel größere, gefährlichere Abhängigkeiten geschaffen. Ohne das Wohlwollen Pekings können wir unsere ganze ›Energiewende‹ und ›Verkehrswende‹ vergessen. In jedem Handy, jedem Windrad, jedem Computer, jedem Elektroauto stecken viele mineralische Rohstoffe, die China monopolisiert hat … Das gilt für Schwere Erden genauso wie für Magnesium oder Silizium. Neun von zehn Dauermagneten kommen aus der Versorgungsvolksrepublik, und diese Dinger braucht man wirklich überall beim Bau von Maschinen, Anlagen, Autos und Raketen. Für diese wichtigen Rohstoffe hat die kommunistische Führung rund um den allmächtigen Überpräsidenten Xi Jinping eine ganze Kette von staatlichen Monopolen geschaffen … Mit wirtschaftlichen Monopolen und kontrollierten Privatunternehmen versucht Xi Jinping, seinen Traum von der größten Weltmacht China zu erfüllen. Es ist der chinesische Präsident, der eine neue Weltordnung zu seinen Gunsten schaffen und die USA auf den zweiten Platz in der Hackordnung verweisen will. Diese Disruption erzeugt die eigentliche Reibungshitze. Das ökonomisch viel schwächere Russland ist in solchen Welteroberungsfantasien nur ein Verbündeter auf Zeit, auch wenn Wladimir Putin das naturgemäß anders sieht“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 352 f.).
  4. Der neue Kalte Krieg ist ein Krieg der Monopole. Zu Beginn der Zwanzigerjahre des 21. Jahrhunderts hat sich „ein neuer Kalter Krieg entwickelt – über die Wirtschaft. Auf der einen Seite stehen die demokratischen USA mit einer starken Finanzwirtschaft, der Dollar-Vorherrschaft und den Monopolen der Datenwirtschaft, die über die militärische Forschung und die staatliche Agentur Darpa stark gefördert werden. Auf der anderen Seite steht das expansionistische China, das mit dem Projekt der ›Neuen Seidenstraße‹ und Konfuzius-Instituten eine eigene Form von Neokolonialismus betreibt … Die Monopole und Quasimonopole der chinesischen Wirtschaftsdiktatur kollidieren auf den Märkten mit jenen Monopolen und Quasimonopolen, deren Herausbildung im westlichen Kapitalismus durch nachsichtige, auch fehlsichtige Regierungen toleriert und begünstigt worden sind. Eher selten war wie beim europäischen Airbus der Versuch zu sehen, durch direkte Industriepolitik wie in China ein marktmächtiges Unternehmen zu schaffen“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 355 f.).
  5. Das Schreckgespenst Inflation kehrt mit der Monopolisierung zurück. „Oligopole und Quasimonopole fördern Inflation. Wettbewerb würde sie dämpfen … Inflation ist der große Ungleichmacher und eine permanente Gefahr für den sozialen Frieden. Sie belastet Geringverdiener in unteren Einkommensgruppen direkt und schränkt deren Möglichkeiten ein, am Leben teilzuhaben. Somit begünstigt eine solche Entwicklung sich verfestigender Preissteigerungen die Expansionsmöglichkeiten radikaler Gruppen … Inflationsraten von rund acht Prozent, die wir erstmals seit fast 50 Jahren wieder erlebt haben, sind nicht nur Pandemie, Krieg und der Nullzinspolitik geschuldet, sie haben auch vermutlich einen nicht unerheblichen Monopolismus-Teil“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 358).
  6. Digitale Monopole steuern uns – privat oder staatlich. Globalisierung war der erste Treiber des Monopolismus, die Digitalisierung der zweite. Mit ihrer Monopolpower breiteten sich Giganten wie Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft und Apple im Westen sowie Baidu, Alibaba und Tencent im Osten spielend leicht auf Nachbarmärkte aus und wurden zu Begleitern unseres Lebens.
  7. Für die Monopolisierung der Monopolisierung sorgt der Finanzmarkt. Als dritter Faktor des Monopolismus gesellt sich die ›Finanzialiserung‹ hinzu. Gemeint ist die exponentiell gewachsene Bedeutung des weltweiten Finanzmarkts, der die Realwirtschaft mittlerweile um mehr als das Vielfache übertrifft: 2021 betrug das Weltfinanzvermögen 424,5 Billionen Dollar, die gesamt Weltwirtschaft dagegen nur 96,3 Billionen Dollar. Die zunehmende Zahl von Fusionen wären ohne die günstigen Kredite und Finanzierungen gar nicht möglich gewesen. Es fehlte nie an Schmierstoff für jedes noch so waghalsige Welteroberungskonzept. Jetzt ist der Stand der Verbindlichkeiten hoch. Aber jetzt können auch die Schulden „weginflationiert“ werden. Larry Finks Unternehmen ist „mittlerweile bei jedem zweiten der 40 Dax-Konzernen größter oder zweitgrößter Eigentümer. Eine verantwortliche Wahrnehmung der kapitalistischen Rolle, die beispielsweise ein Familienunternehmer einnimmt, kann unter solchen Umständen … kaum erreicht werden … Bei anstehenden Fusionen sind die US-Fondsriesen in prägender Rolle, manchmal auch Staatsfonds wie Norges Invest aus Oslo. Sie stimmen solchen Deals gerne zu, ist damit in der Regel doch mehr Marktkontrolle und die … Preissetzungsmacht verbunden … So fördern Blackrock & Co de facto den Monopolismus des Monopolismus, auch wenn sie eine Absicht strikt bestreiten. Sie erfüllen ihre Rolle, wollen nur das Beste für den Kunden und die eigene Bilanz, sind dabei aber doch ›change agents‹, Agenten des Wandels, hin zu einer absolutistischen Macht“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 365).
  8. Monopole haben ihren Preis, auch wenn sie keinen Preis verlangen. Üblicherweise sprechen das mögliche Preisdiktat, die mangelnde Innovationsfähigkeit und die erreichte politische Macht gegen Monopole und Quasimonopole. Dazu kommen an Leistungspunktzahlen gekoppelte Bezahlungen von Arbeitnehmern wie bei Amazon, das allerdings schon seit 2018 den Mindestlohn von 18 Dollar pro Stunde gezahlt hat und bei neu eingestellten Mitarbeitern offenbar sogar 21 Dollar. Dass der neue CEO Andy Jassy (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Andy_Jassy) 2021 „mit einem Jahressalär von mehr als 212 Millionen Dollar rund 6500-mal so viel wie ein mittlerer Amazon-Mitarbeiter verdiente, könnte man für einen Fehler im System halten“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 366 f.).
  9. Monopole erfinden nicht, sie kaufen Erfindungen. Josef Schumpeter hat in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass der Kapitalismus an seinem Erfolg scheitere, weil ehemals innovative Firmen mächtig und bürokratisch werden. Interessanterweise unterscheidet der französische Ökonom Philippe „Aghion den Apple-Gründer Steve Jobs als ›guten‹ Monopolisten‹ vom Mexikaner Carlos Slim als einem ›schlechten‹ Monopolisten. Der US-Computerspezialist habe durch seine Erfindungen zwar auch kurzfristig Monopole und Raum für hohe Gewinne geschaffen, die seien aber von einem dynamischen Umfeld bald wieder relativiert worden. Slim hingegen, der Hauptprofiteur der Privatisierung der mexikanischen Telekombranche, stoße keine Innovationen und kein Wachstum an, sondern mache Gewinne nur aus seiner marktbeherrschenden Stellung heraus. Zudem würden solche Monopolisten ihre Position eher durch Lobbying festigen als durch Forschung & Entwicklung“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 369).
  10. Größer als Politik ist nur das Monopol. Die mit Monopolen verbundene Macht erlaubt es, unliebsame Gesetze und Verordnungen zu verhindern oder zum eigenen Vorteil verändern zu können. So scheiterte die EU-Kommission vor dem EU-Gericht in Luxemburg mit der Forderung an Apple, 13 Milliarden Euro an Steuern nachzuzahlen: Sie „habe nicht nachweisen können, dass es sich bei den Steuervereinbarungen des US-Konzerns mit Irland um eine unerlaubte staatliche Beihilfe gehandelt habe. Zuvor hatte die Brüsseler Behörde ermittelt, dass die irische Apple-Tochterfirmen beispielsweise im Jahr 2014 auf ihren Gewinn nur 0,005 Prozent Steuern zahlen mussten, also fünf Promille. Auch Facebook und Google nutzen mit ihren in Irland gelegenen Europazentralen die Vorteile der dortigen Steuerschlupflöcher. Google war bis zum Jahr 2020 besonders trickreich und verschob die offizielle Eigentümerschaft über die zentrale Suchmaschinen-Technologie auf die Karibikinsel Bermuda. Sie musste dort Gewinne nicht versteuern, konnte aber saftige Lizenzgebühren von den Google-Schwesterfirmen in aller Welt, auch etwa in Frankreich oder Deutschland verlangen, wo dann weniger Profite und weniger Steuern anfielen“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 370 f.).
  11. Das Volk wählt, hat aber keine Wahl. Nach dem britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch gehen wir auf eine Postdemokratie zu, in der Wahlen zu Showveranstaltungen zur Beruhigung der Massen werden (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Colin_Crouch). „Der unterschiedlich hohe Vernetzungsgrad von einerseits global handelnden Konzernen und andererseits auf ihr Landesterritorium fixierten Nationalstaaten treibe die Entwicklung zur Postdemokratie voran. Durch den Einfluss von Superunternehmen und Superreichen auf Regierungen seien Standards immer mehr abgesenkt worden, ein ›race to bottom‹. Zwar gebe es in der modernen Gesellschaft nach außen keine Klassenunterschiede mehr, dafür aber wachsende Vermögensunterschiede“ (Colin Crouch nach Hans-Jürgen Jakobs S. 374 f.). Aber das Verhältnis der Bevölkerung zu den Monopolisten und Quasimonopolisten ist ambivalent, widersprüchlich und nicht so eindeutig, wie Crouch es nahelegt. „Auf der einen Seite nutzen die Menschen alle verfügbaren Dienste der ganz großen Konzerne am Markt, wenn es nur dem persönlichen Kosten-Nutzen-Schema und der Bequemlichkeit entspricht, und überlisten dabei die eigenen Bedenken. Man kauft die ETFs von Blackrock, obwohl man dahinter eine dunkle Größe vermutet. Man lässt sich Bücher und vieles mehr von Amazon nach Hause schicken, obwohl man von der Umweltbelastung und von überlasteten Fahrern weiß … Trotz dieser kognitiven Dissonanzen bleiben viele den Monopolisten treu … Auf der anderen Seite ist vielen in der Bevölkerung … die Welt der Konzerne und der Hochfinanz generell suspekt“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 375 f.)
  12. Das Monopol lebt durch seine Milliardäre. Knapp 2700 Milliardäre besitzen gemäß den üblichen Schätzungen mehr als zwölf Billionen Dollar. Der ›Hurun-Report‹ listet in China 1133 Dollar-Milliardäre auf (vergleiche dazu und zum Folgenden Hans-Jürgen Jakobs S. 378 ff. und https://www.wiwo.de/politik/ausland/reichtum-das-erstaunliche-superreichen-wachstum-in-china/28187806.html). Das Vermögen von Elon Musk (USA) wird im Januar 2024 laut der FORBES – Liste auf 241,6 Milliarden Dollar geschätzt, das von Bernard Arnault (Frankreich) auf 185,9 Milliarden Dollar und das von Jeff Bezos (USA) auf 173,6 Milliarden Dollar (vergleiche dazu Sören Imöhl, Das sind die reichsten Menschen der Welt im aktuellen Ranking. In: https://www.wiwo.de/erfolg/trends/forbes-liste-2024-das-sind-die-reichsten-menschen-der-welt-im-aktuellen-ranking/26281100.html#:~:text=Platz 3: Jeff Bezos (USA, der drittreichste Mensch der Welt.)). Nach Philippe Aghion ist Reichtum nicht das Problem: „Ein Problem wird Reichtum nur, wenn man sich damit politischen Einfluss kauft, um die Erneuerung der Wirtschaft zu bremsen.“ Der 118,9 Milliarden schwere Bill Gates kündigte 2022 an, von der Top-Reichen-Liste verschwinden zu wollen und übertrug 20 Milliarden US-Dollar an seine mit seiner Ex-Frau Melinda gegründete Stiftung. Er widmet sich im Alter dem Sozialsponsoring im Stil von Unternehmen. Als der Historiker, Aktivist und Autor Rutger Bregman 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine gerechte Besteuerung für Reiche und das Ende der Steuervermeidung forderte, war die Aufregung allerdings groß (vergleiche dazu https://www.vox.com/future-perfect/2019/1/30/18203911/davos-rutger-bregman-historian-taxes-philanthropy).

Als Ergebnis seiner Überlegungen fordert Jakobs einen Neustart des Kapitalismus. „Die Machtkonzentration in den Händen weniger Konzernherren ist zu weit gegangen. Sie muss zurückgeführt werden. Eine zu laxe Wettbewerbspolitik, verbunden mit einer laxen Geldpolitik, hat höchst ungesunde Strukturen geschaffen. Die Analogien zum verformten amerikanischen Industriekapitalismus vor 125 Jahren sind allzu offensichtlich, als dass man die damals gezogenen Konsequenzen ignorieren sollte. Es wird allerdings nicht die Aufgabe der Europäer sein, solche Maßnahmen bei ›Gafam‹, bei den fünf Digitalkonzernen, durchzusetzen … Der Supreme Court, das oberste Gericht, Verfassungsorgan und Bundesgerichtshof in einem, hat bisher das Recht oft zugunsten der Unternehmen interpretiert. Die FTC unter Lina Kahn arbeitet an neuen Regeln, eigentlich bräuchte es nach den Jahren des Wegschauens aber auch neue Gesetze. Die dürfte Präsident Joe Biden aufgrund ungünstiger Mehrheitsverhältnisse kaum durch das Parlament bringen“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 386). 

Die EU-Kommission wehrt sich in ihrer Funktion einer Normeninstanz und einer Geldverteilungsmaschine nach Jakobs gegen die Unbill, die aus dem Agieren der Monopole aus Ost und West erwächst. „Das Kapital fließt in Zukunftsindustrien wie Chip-Herstellung, Batteriefertigung, Künstliche Intelligenz oder Cloud Computing, ohne dass die Heranbildung der erhofften starken europäischen Player sehr wahrscheinlich ist. Gut möglich, dass die Subventionen zu einem Gutteil bei jenen amerikanischen Quasimonopolen landen, von denen man sich eigentlich befreien will.

Das Dilemma zeigt sich am besten bei der europäischen Cloud ›Gaia-X‹, einem im Herbst 2019 gestarteten Referenzmodell, das europäische Werte wahren und den Datenschutz hochhalten soll. Mehr als 300 Organisationen sind hier beteiligt, von Bosch, Siemens, Deutsche Telekom und SAP bis zum Bundesverband der Deutschen Industrie und der IG Metall. Es handelt sich um einen Volkslauf mit Blick auf das Ziel Digitalisierung. Voll eingebunden in ›Gaia-X‹ sind aber just die amerikanischen Giganten Amazon, Microsoft und Google, die den Weltmarkt mit erdrückend hohen Marktanteilen beherrschen und nun Rat geben sollen … Wie verhält sich Europa zwischen den Polen USA und China? Akzeptiert es die neue ›Bipolarität‹ oder versucht es, sich als dritter Block zu behaupten, mit engen Handelsbeziehungen zu beiden Seiten, ganz wie bisher? Europa müsste, so fürchte ich, weiter sein, um die zweite Option auch wirklich gestalten zu können“ (Hans-Jürgen Jakobs S. 398 f.). 

 Angela Merkel hat 2017 geäußert, dass die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen können, ein Stück weit vorbei sind und wir Europäer unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen müssen. Dazu gehört nach Jakobs eine interessengeleitete Rohstoff-, Industrie- und Energiepolitik, weiter die Förderung von dem Gemeinwesen verpflichteten mittelständischen Familienunternehmen und von Start-ups und schließlich auch eine konsequente, langfristige, finanziell gut ausgestattete Wettbewerbspolitik. „Sie muss das Entstehen von Monopolen und Quasimonopolen verhindern, wo es noch zu verhindern ist. Wo Monopole unangreifbar geworden sind und das Zerschlagen aus politischen oder juristischen Gründen scheitert, müssen Kartellämter notgedrungen zu engen Aufsehern der wettbewerbslosen Unternehmen werden, mit weitreichenden Kompetenzen, die etwa bis hin zur Offenlegung von Preiskalkulationen und Algorithmen führen. Wenn schon die Konkurrenz fehlt, muss es wenigstens Transparenz geben“ (Hans-Jürgen Jakobs s. 412).

ham, 2. Februar 2024

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