modo Verlag, Freiburg i. B., 2017, ISBN 978-3-86833-220-9, 172 Seiten, mit Fotografien von Günter Figal,
92 Schwarzweißabbildungen, Klappenbroschur, Fadenheftung, Format 22,5 x 17,1 cm, € 34,00

Der 1941 in Minato-ku, Osaka geborene architektonische Autodidakt Tadao Ando ist nach der Gründung
seines eigenen, Tadao Andō Architect & Associates genannten Ateliers und Bauten wie dem Haus Azuma
(Osaka, 1976), der Kirche des Lichts (Ashiya, 1979–1984), dem Konferenz- und Vortragsgebäude Vitra
(Weil am Rhein, 1989–1993) und dem Ausstellungsgebäude der Langen Foundation auf dem Gelände der
ehemaligen NATO-Raketenstation bei Neuss (2004, vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/
Tadao_Andō) weltbekannt geworden und hat unter anderem in Yale, Harvard, Sofia und an der Universität
Tokio unterrichtet. Er bevorzugt in seinen konsequent minimalistischen Bauten Sichtbeton, dessen
Schaltafeln sich an der Größe von Tatami-Matten orientieren und deren Oberflächen zusammen mit den
Rödellöchern das für die Erscheinung seiner Bauten charakteristische Aussehen ergeben. Anders als anderen
Großmeistern der Moderne (vergleiche dazu http://www.architekturzeitung.com/architekturmagazin/
architektur-und-kunst/1342-iconichouses-ikonen-der-klassischen-moderne-gehen-online.html) geht es Ando
bei seinen Bauten weniger um starke skulpturale Gesten und Effekte, sondern mehr um die Erfahrung von
Präsenz, Offenheit, Freiheit und Zeitenthobenheit in Räumen.

Manche seiner Bauten „sind teilweise in den Boden versenkt, so dass man sie gar nicht wie Skulpturen
betrachten, sondern nur als Räume erfahren kann. „Immer jedoch sind diese Bauten eher zurückgenommen
und auch darin weniger räumliche Gestalt als vielmehr Raumgestalt und als solche gestalteter Raum.
Deshalb reflektieren Andos Bauten auch den Raum, in dem sie gebaut sind. Sie sind wie eine Antwort auf
ihren Ort, auf den Freiraum, den sie haben und ebenso auf die Weite der Landschaft oder die Enge der Stadt,
einer schmalen Stadt- oder Vorstadtstraße oder einer weiten Landschaft. Dennoch gehen Andos Bauten in
ihrer Umgebung nicht auf […]. Bei aller Schlichtheit sind sie prägnant – in ihrer gläsernen Transparenz, in
ihren hellen Grautönen und klaren Formen“ (Günter Figal S. 21 f.). Figal nähert sich den Räumen von Ando
im Gehen an und bedient sich dabei auch seiner in eigenen Fotos festgehaltenen Erinnerungen. „Lässt man
sich […] im gehenden Anschauen oder anschauenden Gehen […] auf Andos Bauten ein, entdeckt man
schnell, dass diese Bauten durch ihre Wege bestimmt sind, die man nicht gedankenlos gehen kann […]. Es
sind sehr viele und sehr verschiedene Wege: Rampen und Stege, Treppen, Galerien, Wege im Kreis, an
Wänden entlang geführt, auch labyrinthische Wege“ (Günter Figal S. 37). Manche führen zu bergenden,
andere zu nicht ohne weiteres zugänglichen Räumen und nicht betretbaren Gärten und Wasserflächen, wieder
andere zur Raummitte, in die Weite und ins Licht. Einzelne enden im Nichts. „In der zur Church of the Light
gehörenden Sonntagsschule führt eine schmale Treppe zu einer Empore hinauf, die einen Platz zum
Beieinandersitzen birgt einen langen Holztisch, zwei Holzbänke und diese so dicht gestellt, dass man sich im
großen Raum nicht verloren fühlen kann“ (Günter Figal S. 44).

Beim Gehen zu und durch Andos Räume erschließen sich diese als Orte, an denen man sich aufhalten, hier
sein, Freiraum, Weite und „Ruhe in der Möglichkeit“ (Günter Figal S, 87) erfahren kann. „Was sich […]
einstellt, ist eine Ruhe besonderer Art. Sie ist keine bloße Unterbrechung des Tuns, kein Ausruhen also, und
sie ist auch kein Stillstand, der im Gegensatz zur Bewegung steht. Man bewegt sich ja gerne in Andos
Bauten […]. Die Ruhe, die man in diesen Gebäuden erfährt, umfasst und trägt die Bewegung, ebenso wie sie
das Stehenbleiben und Innehalten trägt, das Umherschauen und auch das Betrachten eines Bildes, einer
Skulptur oder der Lebenszeugnisse und Kalligraphie des Philosophen Nishida. Auch die Ruhe solcher
Betrachtungen liegt in den Bauten, und wenn man sie zulässt, teilt sie sich allem, was man beim Aufenthalt
in einem dieser Bauten tut, mit“ (Günter Figal S. 89). Man kommt an einem Ort an, an dem man bleiben,
Leere, Zeitlosigkeit und im Hier und Jetzt anfänglich Freiheit erfahren kann.

ham, 13. Januar 2018

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