Ein paar Hammerschläge für Luther – ein Paukenschlag für die Welt

Dumont Buchverlag, Köln, 2017, ISBN 978-3-8321-9859-6, 112 Seiten, durchgehend farbig illustriert,
Broschur, kartoniert, Format 7,3 x 11,5 cm, Daumenkino, € 6,00

Wie oft die Geschichte von Martin Luthers Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 an die Türe der
Schlosskirche von Wittenberg beim 500-jährigen Reformationsjubiläum erzählt worden ist, ist nicht
bekannt. Ob der seit 1512 an der Theologischen Fakultät der sächsischen Provinzuniversität Wittenberg
lehrende Augustinereremit den Anschlag der 95 Thesen gegen den Ablass an den als ›Schwarze Bretter‹
fungierenden Wittenberger Kirchentüren veranlasst und wie er stattgefunden hat, ist in der Forschung
umstritten. So vertritt der in New York lehrende Frühneuzeithistoriker Daniel Jette die These, dass die Türe
der Schlosskirche bei der Vielzahl der Anschläge durch dauerndes Annageln bald völlig durchlöchert
gewesen wäre. Deshalb seien die Blätter angeklebt worden; der Hammer und der Nagel wären also durch
einen Pinsel und Wachs oder einen Pinsel und einen Topf mit Leim zu ersetzen (vergleiche dazu http://
www.deutschlandfunkkultur.de/luthers-thesenanschlag-zweifel-am-hammer-schwingenden-helden.
1013.de.html?dram:article_id=367506).

Jettes These hat den 1967 geborenen und heute in Berlin lebenden Illustrator Frank Flöthmann aber nicht
davon abgehalten, Luther einen Hammer und einen Nagel in die Hand zu geben und ihn seine 95 Thesen an
die Türe der Schlosskirche von Wittenberg schlagen zu lassen: Luther haut rein. Damit folgt er der
traditionellen Erzählung. Die Überraschung folgt auf den letzten 36 Seiten seiner Graphic Novel: Nachdem
der als schwarz-weißes Piktogramm-Männchen gezeichnete Luther sein Werk vollendet, begutachtet und den
Ort des Geschehens zufrieden verlassen hat, öffnet sich die Kirchentüre. Ein Geistlicher in violettem Ornat
und mit einer altertümlich-runden Mitra schaut nach, wer an die Türe geklopft hat. Er blickt nach rechts,
sieht niemand und fragt sich, wer oder was das gewesenen könnte. Er schaut nach links, sieht aber auch auf
der linken Seite niemand. Er zweifelt, ob er richtig gehört oder ob er sich vertan hat. Schließlich blickt er
noch einmal nach rechts, überlegt, gibt nach einigem Hin und her auf und schließt die Türe wieder zu. Die 95
Thesen gegen den Ablass auf der Außenseite der Türe hat er nicht gesehen. Damit sind sie in der
Öffentlichkeit und die Reformation nimmt ihren Lauf. Für Luther waren es ein paar Hammerschläge – für
die Welt ein Paukenschlag (Frank Flöthmann).

ham, 24. Oktober 2017

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