Jan 14

Künstlerbuch zur gleichnamigen Ausstellung vom 29. September bis 10. November 2013 in der Brenzkirche Stuttgart mit Texten von Karl-Eugen Fischer, Daniel Hornuff, Helmut A. Müller, dem Sprechstück für zwei Schauspieler ,Schmitt und Chammer’, 2013 von Florian Klette und einem Auszug aus einem Gespräch zwischen Werner Zacharias Schäffer und Florian Klette am 24.10.2013

Edition Hospitalhof Stuttgart 2014, ISBN 978-934320-52-9, 168 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Broschur, Format 17,9 x 12,6 cm

Üblicherweise dokumentieren Ausstellungskataloge die Exponate einer Ausstellung und die Räume, in der sie gezeigt worden sind. Dazu kommen Essays, die die Arbeiten in das Werk des Künstlers und in den jeweiligen künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Diskurs einordnen. Wenn es gut geht, wird dazu noch die Entstehung von Arbeiten nachgezeichnet, die für die Ausstellung zentral sind. Wenn es sehr gut geht, kann der Katalog zu einer eigenständigen künstlerischen Arbeit werden.
Florian Klettes mit deutlichem Abstand zu seiner Ausstellung „Above us only sky“ erschienener Katalog ist zu einer eigenständigen künstlerischen Arbeit geworden. Er dokumentiert nicht nur die letztendlich in der Ausstellung gezeigten Exponate, sondern auch alle wesentlichen Ideen auf dem Weg. Damit lässt sich Klette gleichsam über die eigenen Schultern blicken und miterleben, wie sich sein Konzept auf dem Weg zur Ausstellung verändert hat. Gegenstand des Ausstellungsprojekts ist schließlich die Baugeschichte der Stuttgarter Brenzkirche geworden. Das 1933 von Alfred Daiber nach langer Diskussion statt einer herkömmlichen Kirche im Stil des Neuen Bauens errichtete Gemeindezentrum mit einem Raum für Gottesdienste und Pfarrwohnungen war 1938 auf Drängen des Stadtrates kurz vor der Eröffnung der Reichsgartenschau um ein aufgesetztes Satteldach und eine rechtwinklige Ecke ergänzt worden. Die offene Stahlkonstruktion des Glockenturms wurde geschlossen und Fensteröffnungen vermauert. Klettes im Katalog über seine Textcollage und Fotografien der in der Brenzkirche agierenden Sprecher medial präsentes Sprechstück ,Schmitt und Chammer’ eröffnet diesen und macht mit dem in Stuttgart nach 1933 unter den Architekten ausgefochtenen Kampf um das richtige Bauen und ausgewählten kirchlichen Reaktionen bekannt. Klettes in der Ausstellung durch Relikte und eine fotografische Zeichnung vorgestellte Intervention an der vormals runden Nordwestecke der Kirche ,Nordwestecke gereinigt’ wird im Katalog durch ausgewählte Fotografien von der eigentlichen Intervention ergänzt. Klette hatte sich einen Hubwagen gemietet und die Nordwestecke der Kirche in dem Bereich abgekärchert, der einmal rund gewesen war. Die auf der Außenwand der Kirche entstandene gereinigte Fläche sieht er als Zeichnung. Aus dem während der Ausstellungszeit entstandenen und in Auszügen im Katalog abgedruckten Interview mit Werner Zacharias Schäffer könnte einmal eine weitere Arbeit zum Thema entstehen: Schäffer war als Kind von seinem Vater mit auf das Dach der gerade fertig umgestalteten Brenzkirche genommen worden, obwohl er lieber vor das Gelände der Reichsgartenschau gegangen wäre, um die dort agierenden Uniformierten zu sehen: „Nichts da, DU kommst mit rauf!“.
Der von Demian Bern mit großem Einfühlungsvermögen gestaltete Katalog erinnert in seinem Format an ein Gesangbuch, mit seinem an der oberen Ecke in Handarbeit abgerundeten Buchrücken an die vormals runde Nordwestecke, das Blau auf dem Buchblock an den im Ursprungsbau über der Kirche offenen Himmel und das ausgelassene Weiß an die Zeile aus John Lennons Klassiker ,Imagine’, die sich Klette als Titel für seine Ausstellung ausgeliehen hat.

ham, 10.1.2015

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