Gebr. Mann Verlag, Berlin, 1999, ISBN 978-3-7861-1879-4, 368 Seiten, 70 Abbildungen, Leinen, gebunden,
Format 24,5 x 17,5 cm, € 52,00 (D)
Als die von Charles Harrison und Paul Wood herausgegebene zweibändige Kunsttheorie im 20. Jahrhundert
(Band I 1895–1941; Band II 1940–1991) im Jahr 1998 in Ostfildern-Ruit erschienen ist, war der 1971 von
dem Kunstkritiker, Kunstgeschichtler, Ausstellungsmacher und Kunstakademiedirektor Eduard Trier
herausgegebene Band Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert schon längst zum von Studenten, Künstlern,
Kritikern und Professoren viel benützten Handbuch geworden Im Gegensatz zur Malerei fehlte bis zum
Erscheinen der Erstauflage des Bandes eine Sammlung von Künstlertheorien und künstlerischen
Glaubensbekenntnissen für die Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts. Die seit den 60er Jahren aus
Monografien, Ausstellungskatalogen, Broschüren, Zeitschriften und anderen Darstellungen
zusammengetragenen, nach immanenten Gesichtspunkten geordneten und interpretierten Zitate sind zwar
nicht lückenlos, aber sie berücksichtigen doch die wichtigsten Tendenzen der Bildhauerkunst.
In der Erstausgabe waren noch Aussagen von 160 Künstlern versammelt. In der um ein Kapitel über Skulptur
und Fotografie erweiterten Neuauflage von 1999 sind es Aussagen von 380 Künstlern unter anderem zur
Vorbereitung und Entstehung des plastischen Kunstwerks, zum Material und zur Ausführung, zu
Formproblemen, zum Inhalt und zum Verhältnis der Plastik / Skulptur zu den anderen Künsten und zu den
wesentlichen Eigenschaften des plastischen Kunstwerks. Im abschließenden X. Kapitel Der Bildhauer als
Künstler wird auch August Rodin zitiert, der dem Bildhauer „gleichsam magische Kräfte“ zuspricht, wenn
er 1913 im Gespräch sagt: »Der Künstler macht greifbar, was unsichtbar ist« (August Rodin nach Eduard
Trier S. 347).
Von Henry Moore ist die Aussage festgehalten, dass manche Bildhauer werden, „»weil sie gerne ihre Hände
gebrauchen, oder weil sie bestimmte Materialien lieben, Holz oder Stein, Ton oder Metall, und gerne mit
diesen Materialien arbeiten – mithin das Handwerk des Bildhauers mögen wie ich. Aber darüber hinaus wird
man Bildhauer, weil man eine bestimmte Art von Sensibilität für Gestalten und Formen hat«“ (Henry Moore
nach Eduard Trier S. 350). Für Joseph Kosuth endet die Rolle des Künstlers mit der Veröffentlichung des
Werks. Für die in ihren künstlerischen Anfängen als »Living Sculptures« agierenden Gilbert & George geht
sie weiter: „»Wir sind ungesund, mittleren Alters, zotiger Gesinnung, exzentrisch, lüstern, depressiv, zynisch,
leer, ausgebrannt, schäbig, hundsgemein, verträumt, ungehobelt, unmanierlich, arrogant, intellektuell,
wehleidig, ehrlich, erfolgreich, tüchtig, zuvorkommend, künstlerisch, religiös, faschistisch, blutrünstig,
neckisch, destruktiv, ehrgeizig, farbenprächtig, verdammt, stur, pervertiert und gut. Wir sind Künstler.
1980«“ (Gilbert & George nach Eduard Trier S. 357).
Es wäre verdienstvoll und wünschenswert, wenn Triers Standardwerk knapp zehn Jahre nach seinem Tod mit
gleicher Kompetenz erneut überarbeitet, erweitert und ins 21. Jahrhundert weitergeführt werden könnte.
ham, 2. Februar 2018