Herausgegeben von Carola Platzek mit Gesprächen unter anderem mit Oguni Syuichi, Kato Tomoki
und Akasaka Makoto

Schlebrügge.Editor, Wien, 2017, ISBN 978-3-903172-18-0, 92 Seiten, zahlreiche Abbildungen in
Farbe, broschiert, 21,5 x 15 cm, € 24,00 [A] / € 23,40 [D]

Mehrere Forschungsreisen nach Japan und Recherchen zu den Hintergründen des Sakuteiki, eines
Gartenhandbuchs aus dem 11. Jahrhundert, haben bei der Wiener Kunst- und Kulturforscherin
Carola Platzek den Wunsch geweckt, japanische Gärten in größeren Zusammenhängen, ihre
Geschichte und ihre heutigen Erscheinungsformen zu verstehen. Die jetzt vorliegende, hochwertig
gedruckte, ausgestattete und gestaltete Lehre des Gartens dokumentiert Interviews der
Herausgeberin unter anderem mit dem Shintō-Oberpriester Kaji Kenji zu den Motiven der
japanischen Gartengestaltung und dem Einfluss des Shintoismus, dem Gartenhistoriker Amasaki
Hiromi zum Berufsbild des Gärtners und den politischen, gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen
und ästhetischen Hintergründen des Sakuteiki und dem Architekturhistoriker Yagasaki Zentarō zur
Entstehung und Bedeutung des Tee-Wegs. Dazu kommen glänzend in die Interviews eingebundene
zumeist ganzseitige Abbildungen. Darunter findet sich auch der einzige erhaltene Wasserlauf aus
der Heian-Zeit.

Nach Kenji gehen die japanischen Gärten „wahrscheinlich auf bestimmte architektonische
Arrangements aus der Heian-Zeit (794 –1185) zurück, die vollkommen neu waren und sowohl an
profanen als auch sakralen Orten Anwendung fanden. Adelige begannen, ihre Wohnsitze in einem
palastartigen Stil zu errichten, dem shinden-zukuri, bei dem um ein zentrales Hauptgebäude herum,
das schinden, Nebengebäude und Gärten gruppiert wurden. Zur selben Zeit änderten auch
buddhistische Tempel grundlegend die Struktur ihrer Gebäudeanordnung. Man etablierte einen Stil,
der ebenfalls Nebentempel und Gartenanlagen um einen Haupttempel herum anordnete. Und auch
die Anlagen von Shintō-Schreinen folgten fortan dieser Einteilung. Die Architektur von Schreinen
und Tempeln wurde in die Gartengestaltung einbezogen. Garanhaichi, die durchdachte Anordnung
der einzelnen Gebäude eines Tempels, berücksichtige ihrerseits die umgebenden Gartenanlagen.
Das wichtigste Prinzip der Gärten in all diesen Anlagen blieb immer die Annäherung an die Natur.
Die Gestaltung folgte dabei einer freien Auffassung und dem Prinzip der Unabgeschlossenheit. Das
gilt bis heute unverändert. Es gibt in den japanischen Gärten keine Vorgaben von Arrangements, die
so und nicht anders befolgt werden müssen […]. Eine ausgesprochene Vorliebe galt der
Nachbildung bestimmter allgemein gerühmter […] Landschaften beziehungsweise daraus gewählter
Ausschnitte […]. Eine andere […] bedient sich der den Garten umgebenden Landschaft und bezieht
sie ganz natürlich in die Betrachtung ein“ (Kaji Kenji S. 15).

In der Heian-Zeit oder auch in der folgenden Kamakura-Zeit (1185 –1336) war der Leiter eines
Gartens ein Mönch. Tachibana no Toshitsuna, der als Autor des Sakuteiki gilt, „war ein Gelehrter.
Die Gärten wurden von Gelehrten und Mönchen betreut […]. Die vielleicht wichtigste Maxime des
Sakuteiki ist, von der Natur zu lernen – darauf zu achten, wie man sie wahrnimmt, wenn man sie
aufmerksam betrachtet […]. Wenn man einen Stein in einen Garten setzt, wird dieser Stein
erzählen, wie man den nächsten Stein zu setzen hat. Das ist keine Mystik, sondern eine
Umschreibung von Gestaltung […]. Auf dieser Grundlage stellt sich das Wissen, was zu tun ist, von
selbst ein […]. In der Heian-Zeit […] hat man im Garten auf einer weißen Sandfläche, shirasu, in
der Nähe des Teiches Zeremonien abgehalten. Nach den Zeremonien wurden Theaterstücke
gemeinsam auswendig gelernt und rezitiert. Es gab Spiele wie shobu, das Spiel mit Schwertlilien,
bei dem man die Blumen aus der Erde zog und die Längen ihrer Wurzeln verglich. In einem
anderen Spiel ließ man, von Musik untermalt, kleine Boote auf dem Teich treiben“ (Amasaki
Hiromasa S. 21 ff.).

Das Konzept des Tee-Weges wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt. Buddhistische
Mönche brachten den Tee ab dem 8. Jahrhundert von ihren Pilger- und Studienreisen aus China mit.
„Zu dieser Zeit wurde Tee eher als Medizin verwendet. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich
das Teetrinken zu einem Genuss […]. Erst im 15. Jahrhundert wurden die Techniken der
Teezeremonie so verfeinert und abgestimmt, dass das Teetrinken zu einer eigenen Kunstform wurde
und als cha-dō, Tee-Weg, in die ästhetisch-spirituelle Tradition einging. Murata Jukō (1423–1502)
setzte den ersten Schritt zur Gestaltung des Tee-Weges. Er vereinfachte die Zeremonie, wie sie in
Zen-Tempeln üblich war, und verlagerte die Zeremonie aus den großen Hallen in kleine Teehäuser,
die Einsiedlerhütten nachempfunden waren. Jukō sah Tee als Weg, als eine Kunst, die den
Menschen als Ganzes erfasst und nur aus unegoistischen Motiven heraus praktiziert werden kann.
Er entwickelte daher das Konzept des kokoroire, das wörtlich das Hineinlegen des Herzens
bedeutet. Takeno Jōō (1504–1555) […] vereinfachte das Konzept der Teehausarchitektur und setzte
erstmals Bambus und Lehm als Baumaterialien ein. Die Verkleinerung der Türöffnung sollte zu
einem wesentlichen Merkmal des Teehauses und später durch die Einführung des nijiriguchi, des
Kriechgangs, noch betont werden. Als Vollender des Weges wird Sen no Rikyū (1522–1591)
angesehen, durch den der […] Tee-Weg im Stil des wabi, wabi-cha, die entscheidende Wende
erfuhr“ (Yagasaki Zentarō S. 35).

Die Lehre des Gartens führt in die Ordnung ein, die der japanischen Gesellschaft zugrunde liegt.
Der japanische Garten erscheint dabei als soziales Konstrukt und Kompendium, als
Gesamtkunstwerk und als angewandte Philosophie.

ham, 31. Januar 2018

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