Publikation zur gleichnamigen Großen Landesausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart vom 8. Dezember
2017 bis 2. April 2018, herausgegeben von Elsbeth Wiemann mit Aufsätzen unter anderem von Jürgen von
Ahn, Dietmar Lüdke, Birgit Ulrike Münch, Eva Tasch, Edwin Ernst Weber und der Herausgeberin,
Katalogtexten unter anderem von Andreas Tacke, Bernd Konrad, Benjamin D. Spira, Hans-Martin Kaulbach
und Timo Trümper und einem Heiligenglossar von Iris Haist
Staatsgalerie Stuttgart, Hirmer Verlag, 2017, ISBN 978-3-7774-2918-2, 384 Seiten, 420 Farbabbildungen,
Hardcover gebunden, Format 28,5 x 24,5 cm, € 45,00 (D) / € 46,30 (A) / CHF 54,90
Die Tradition Großer Landesausstellungen in Baden-Württemberg geht auf das Jahr 1977 zurück, als
anlässlich des 25-jährigen Landesjubiläums in Stuttgart die außerordentlich erfolgreiche Staufer-Ausstellung
stattgefunden hat.
Zum Reformationsjubiläum 2017 hat man sich nicht für eine Ausstellung zur Reformation im Herzogtum
Württemberg und in der Markgrafschaft Baden und der Kurpfalz, sondern für eine erste monografische
Ausstellung zum Meister von Meßkirch und damit für einen ›katholischen‹ „kultur- und
theologiegeschichtlichen Kontrapunkt“ (Christiane Lange S. 9) entschieden: Nach dem bekanntermaßen
katholischen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg „darf man nicht übersehen, dass der
Wittenberger Thesenanschlag eine kirchliche Spaltung auslöste, die Deutschland über lange Zeit bestimmte
und prägte. Wir können uns glücklich schätzen, gegenwärtig in einer Zeit zu leben, die das Nebeneinander
der Konfessionen als ein Miteinander begreift. Dabei verstehen wir heute die konfessionellen Unterschiede
als eine Aufforderung zum Dialog, ebenso aber auch als eine Möglichkeit zur gegenseitigen Bereicherung.
Es ist dieser Aspekt des wechselseitigen Bereicherns, der sich auch in den Bildern des Meisters von
Meßkirch widerspiegelt. So zeigen sich die Tafeln mit ihren Goldgründen und Heiligendarstellungen
zunächst klar der katholischen Tradition verbunden. Zugleich aber finden sich auf den Bildern Vorlagen von
Künstlern verarbeitet, die zu den frühen Anhängern der Reformation zählen“ (Winfried Kretschmann S. 8).
Dass die von Elsbeth Wiemann kuratierte Ausstellung mit knapp 190 Exponaten von 57 Leihgebern aus elf
Ländern und der von ihr herausgegebene spektakuläre Katalog zum Großereignis werden konnten, liegt auch
daran, dass neben den Früh- und Hauptwerken des Meisters von Meßkirch und dem rekonstruierten
umfangreichen Altarzyklus für die Stiftskirche St. Martin in Meßkirch (vergleiche dazu https://
www.staatsgalerie.de/presse/meister-von-messkirch.html und https://www.youtube.com/watch?
v=mKILYUGkTys) auch Werke von Zeitgenossen wie Albrecht Altdorfer, Hans Baldung Grien, Bartel
Beham, Lucas Cranach d. Ä. und der nach seinem heutigen Standort benannte protestantische Gothaer
Tafelalter von Heinrich Füllmaurer gezeigt werden konnte, der mit seinen 162 Einzeltafeln als
umfangreichstes Tafelwerk der altdeutschen Tafelmalerei gilt. Timo Trümper geht in seinem Aufsatz für den
Katalog der Frage nach, wie Herzog Ulrichs Anordnung aus dem Jahr 1536, die „ärgerlichen Bilder“ mit
Wissen der Obrigkeit und der Prediger wegzutun und die „unärgerlichen“ zu dulden, mit seinem aller
Wahrscheinlichkeit nach von ihm selbst in Auftrag gegebenen Altar in Einklang zu bringen ist (vergleiche
dazu https://www.google.de/search?
q=gothaer+tafelaltar&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwiRuM__v8vcAhXH2KQKHU
pkC24QsAR6BAgGEAE&biw=1677&bih=901#imgrc=_). Im Ergebnis kann der Gothaer Tafelaltar
aufgrund seiner ausgeprägten Textbezogenheit als protestantisches Lehrbild im Sinne Luthers verstanden
werden, das auch die Forderung des Reformators Erhard Schnepf erfüllt, „die Malerei als wichtiges Medium
in die Vermittlung einzubeziehen“. Durch seine Kleinteiligkeit sowie seinen theologischen Anspruch „erhält
der sogenannte ›Altar‹ […] den Charakter eines Studien- und Lernobjektes, das wesentliche Elemente der
christlich-lutherischen Lehre transportiert […]. So kann angenommen werden, dass […] Herzog Ulrich mit
seiner öffentlich propagierten Politik gegen Bildwerke in Kirchenräumen den aufwendig gestalteten ›Altar‹
für eine persönliche Verwendung in seiner Residenz hat anfertigen lassen, und zwar zur religiösen
Unterweisung seiner selbst und seiner Familie, vielleicht auch um den protestantischen Glauben als
wichtigen Grundpfeiler seiner Regierung zu festigen […]. Als Altar im klassischen Sinn wurde der als
solcher bezeichnete ›Gothaer Altar‹ allerdings weder in Württemberg noch in Gotha verwendet“ (Timo
Trümper S. 111).
Die wissenschaftlichen Aufsätze des Katalogs widmen sich unter anderem dem ›Mäzen‹ des Meisters von
Meßkirch Graf Gottfried Werner von Zimmern, dem Wirken und Werk des Meisters von Meßkirch, dessen
manieristisch anmutende Verbindung renaissancehafter, vor allem durch die Druckgrafik vermittelter
Gestaltungsfaktoren mit einem noch spätgotischen Formenkanon „wohl nicht zuletzt auf die Bedürfnisse
seiner Auftraggeber“ zurückgeht, „deren Selbstverständnis als Anhänger des alten Glaubens in
Darstellungsmodus und Ikonographie der von ihnen georderten Werke Ausdruck finden sollte. Indem der
Meister von Meßkirch für die traditionellen Bildinhalte ambitionierte, mit den neuesten Tendenzen
wetteifernde, das Alte gleichwohl Bewahrende Formulierungen fand, wurde er – bezogen auf seine
entwicklungsgeschichtliche Bedeutung – zu einem der frühesten Maler der Katholischen Reform. Im hohen
Goldanteil und dem überbordenden ornamentalen Reichtum einer vorreformatorischen Stiltendenz folgend,
boten seine Tafeln ein bildnerisches Äquivalentem ungeborenen Glauben seiner Auftraggeber an ein und
dieselbe Lehre. So ist die Altarausstattung von St. Marien in Meßkirch als offensive Manifestation dieser
Traditionswahrung zu verstehen und dies umso mehr, als hier auch am öffentlich praktizierten ›katholischen‹
Bildgebrauch festgehalten wurde. Mit der Fortführung der sakralen Bildtradition in betont prachtvoller Weise
und unter Einbeziehung anachronistischer Elemente sowie dem Beharren auf altgläubig bestimmtem
Bildgebrauch sind die wichtigsten Kriterien benannt, die auch für die spätere ›gegenreformatorische‹ Kunst
im Zeitalter der Konfessionalisierung charakteristisch werden sollte“ (Elsbeth Wiemann S. 42). Dem
einstigen Hochaltaraufsatz von St. Martin in Meßkirch ist ebenso ein eigener Aufsatz gewidmet wie dem
Heilsapparat Altar – Heiligenbild – Reliquiar und dem liturgischen System der Heilsvermittlung. Dazu
kommen Aufsätze über die Ausmalung der Klosterkirche der Zisterzienserinnen von Heiligkreuztal, zur
Wappenmalerei, zur Passionsfrömmigkeit und den ›Leidens-Bildern‹ des Meisters von Meßkirch und
schließlich auch noch zur Kunsttechnologie seiner Tafelgemälde.
Der Katalogteil setzt mit seinen frühen Andachtsbildern, Hausaltären und Porträts ein, darunter dem Bildnis
von Eitelfriedrich III. von Zollern, den Sigmaringer Marientafeln, alle um 1520 und dem Wildensteiner Altar,
um 1536 (vergleiche zu Letzterem https://de.wikipedia.org/wiki/Wildensteiner_Altar). Unter dem Stichwort
Papierarbeiten wird auch des Meisters Entwurf für das Rahmenwerk des ehemaligen Hochaltarretabels von
St. Martin, um 1535/38 verhandelt. Es folgen ein umfangreiches Kapitel über die Altarausstattung der Pfarrund
Stiftskirche von St. Martin in Meßkirch, ein Kapitel über Vorläufer und Zeitgenossen, ein Kapitel über
Archivalien und Memorabilien der Freiherren und Grafen von Zimmern und kurze Kapitel über die
reformatorischen Bildwelten, die reformatorische Agitationskunst, den Bilderstreit und den Bildersturm, die
traditionelle Ikonografie und den neuen Glauben und die reformatorischen Lehrbilder.
Christiane Lange ist ohne Wenn und Aber zuzustimmen, wenn sie den zur Ausstellung vorgelegten Katalog
zum „Standardwerk zum Meister von Meßkirch“ (Christiane Lange S. 9) erklärt.
ham, 1. August 2018