kuratiert von Olaf und Anton Stüber mit 80 Rezepten von folgenden 80 Künstlerinnen und Künstlern:
Monira Al Qadiri, Ulf Aminde, Julieta Aranda, Marc Aschenbrenner, Ed Atkins, Yael Bartana, Lucy Beech, Bigert & Bergström, John Bock, Pauline Boudry & Renate Lorenz, Erik Bünger, Martin Brand, Ulu Braun, Klaus vom Bruch, Filipa César, Creischer & Siekmann, Keren Cytter, Chto Delat, Christoph Draeger, Antje Engelmann, Shahram Entekhabi, Köken Ergun, Theo Eshetu, Simon Faithfull, Christian Falsnaes, Harun Farocki, Omer Fast, Fischer & el Sani, Dani Gal, Delia Gonzalez, Douglas Gordon, Andy Graydon, Assaf Gruber, Mathilde ter Heijne, Isabell Heimerdinger, Benjamin Heisenberg, Kerstin Honeit, Christian Jankowski, Anja Kirschner, Knut Klaßen, Korpys/Löffler, Zhenhua Li, Joep van Liefland, Melissa Logan, Dafna Maimon, Antje Majewski, Melanie Manchot, Lynne Marsh, Bjørn Melhus, Almagul Menlibayeva, Ari Benjamin Meyers, Eléonore de Montesquiou, Matthias Müller, Bettina Nürnberg & Dirk Peuker, Marcel Odenbach, Stefan Panhans, Mario Pfeifer, Agnieszka Polska, Ulrich Polster, Mario Rizzi, Julian Rosefeldt, Willem de Rooij, Safy Sniper, Anri Sala, Erik Schmidt, Sandra Schäfer, Amie Siegel, Pola Sieverding, Martin Skauen, Jan-Peter E.R. Sonntag, Vibeke Tandberg, Rebecca Ann Tess, Guido van der Werve, Gernot Wieland, Ming Wong, Ina Wudtke, Shingo Yoshida, Katarina Zdjelar, Stefan Zeyen, Tobias Zielony
Kerber Verlag Bielefeld, 2020, ISBN 978-3-7356-0723-2, 256 Seiten, 190 farbige Abbildungen, Hardcover gebunden, Format 26,5 x 22,5 cm, € 39,80 / CHF 48,87
Kochbücher gibt es wie Sand am Meer und aus allen Zeiten (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Kochbuch). Allein 2018 wurden in Deutschland 1740 Neuerscheinungen aus der Warengruppe Essen und Trinken registriert (vergleiche dazu https://de.statista.com/statistik/daten/studie/993684/umfrage/neuerscheinungen-von-kochbuechern-in-deutschland/, https://kaisergranat.com/rezensionen/die-kochbuch-bestseller und https://www.stevanpaul.de/nutriculinary/2020/10/16/die-besten-kochbuecher-2020/). Sterneköche wie Johannes Lafer, Eckhart Witzigmann, Benedikt Faust und Vincent Klink haben Kochbücher veröffentlicht, aber auch Frauengruppen, die mit dem Verkauf örtliche soziale Zwecke unterstützen wollen. Selbst Kochbücher von Künstlern haben Tradition. Aber das von Olaf und Anton Stüber kuratierte Videoart at Midnight Künstlerkochbuch gibt es nur einmal. Alle 80 beteiligten Künstler verbindet ihre Liebe zum Kochen und Essen mit Freunden und alle waren bei dem von Olaf Stüber und Ivo Wessel gegründeten Künstlerkino-Projekt zu Gast (vergleiche dazu https://www.videoart-at-midnight.de und 10 Years Videoart at Midnight, 2020). Wenn Videokünstlerinnen- und Künstler ihre Lieblingsrezepte zum Nachkochen verraten, kann man mit Alltagskost nach Rezepten der Mütter und Großmütter rechnen, aber auch mit ausgefallenen Vorschlägen wie dem ›Beggar’s Chicken‹ von Ulf Aminde und dem ›Liebestrank #9 von Mathilde ter Heijne.
Der 1974 in Tirana, Albanien geborene Anri Sala (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Anri_Sala und https://hausderkunst.de/ausstellungen/anri-sala-der-oeffentlichkeit-von-den-freunden-haus-der-kunst) schlägt ein Fleischgericht mit Quitten, Äpfeln und Wintergemüse für 4 Personen nach dem Rezept seiner Mutter vor. Man benötigt 500 g entbeintes Kalbfleisch, 2 mittelgroße Zwiebeln, 1 große gereifte Quitte, 2 mittelgroße grüne Äpfel, den weißen Teil von 3 Stangen Lauch, 3 mittelgroße Karotten, 3 Kartoffeln, 5 – 7 Knoblauchzehen, 5 Lorbeerblätter, schwarze Pfefferkörner, Butter, Olivenöl und Salz.
Bei der Zubereitung wird das Fleisch in Würfel geschnitten. Dann werden die Lorbeerblätter, die schwarzen Pfefferkörner, Butter oder Öl (je nach Geschmack) hinzugefügt. Das Ganze wird gesalzen, mit Wasser bedeckt und gekocht, bis das Fleisch gar und zart ist und etwas Flüssigkeit übrig bleibt.
Danach werden das Gemüse und die Früchte geputzt und geschnitten (Zwiebel und Lauch in Ringe), mit Butter oder Öl in einer Pfanne erhitzt und zusammen mit den übrigen Knoblauchzehen angebraten. Jetzt fügt man die weiteren Zutaten in folgender Reihenfolge hinzu: Zwiebeln, Lauch, Karotten, Kartoffeln, Quitten und Äpfel. Alles wird bei mittlerer Temperatur so lange gegart, bis die Zutaten zart sind. Jetzt kann man das Fleisch und die verbliebene Flüssigkeit hinzufügen, die Temperatur ausschalten und die Pfanne einige Minuten zugedeckt stehenlassen. Der gesamte Inhalt wird in eine Backform gegeben und 20 Minuten bei 180 ºC gebacken, bis die Flüssigkeit verdunstet ist und die Oberfläche der Zutaten goldfarben wird.
Das Westerwälder Dampfnudel-Rezept der 1970 in Altenkirchen geborenen Sandra Schäfer (vergleiche dazu https://www.adbk.de/de/akademie/kollegium/professoren-innen/2562-prof-sandra-schaefer.html und https://www.schirn.de/magazin/kontext/double_feature_video_art_sandra_schaefer/) stammt von ihrer Großmutter.
Man braucht 500 g Mehl, 40 g frische Hefe, 1/4 l Milch, 50 g Zucker, 1 Prise Salz, 1 Ei und 50 g Butter.
Die Zubereitung wird so vorgegeben: „Mehl in eine Schüssel geben, eine Mulde graben, zerbröselte Hefe, 1 TL Zucker und 2 EL lauwarme Milch zu einem Vorteig verrühren. An einem warmen Ort zugedeckt 20 Minuten gehen lassen.
Butter zerlassen und mit Milch verrühren, Zucker und Salz dazugeben, zusammen mit dem Ei zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Gut durchkneten, bis der Teig Blasen schlägt und sich glatt von der Schüssel löst. 50 Minuten ruhen lassen. 8 Klöße formen und erneut 10 Minuten gehen lassen.
Jetzt müssen die Klöße noch gedämpft werden. Wer keinen Dampfgarer hat, macht es so: Einen großen Topf mit etwas Wasser füllen und kochen lassen. Ein Geschirrtuch über den Topf spannen, Klöße mit ausreichend Abstand hineingeben – die Klöße dürfen das kochende Wasser nicht berühren. Deckel darüber und 15 bis 20 Minuten dämpfen“. Zu den Dampfnudeln kann eine fruchtige Heidelbeersoße, eine Vanillesoße oder gekochtes Obst gereicht werden.
Das ›Beggar’s Chicken‹ des 1969 in Stuttgart geborenen Ulf Aminde (vergleiche dazu https://www.ulfaminde.com und https://de.wikipedia.org/wiki/Ulf_Aminde) verdankt sich seiner Ausbildung als Keramiker. Aus dieser Zeit stammt auch das Rezept, das er als Lehrling im selbstgebauten Ofen ausprobieren konnte. Das Huhn, das Aminde zum Backen vorschlägt, wird mit geschälter Zitrone gefüllt. „Unter die Haut kommt frischer Rosmarin, dann alles salzen, pfeffern und in Backpapier wickeln. 5 kg Ton mit dem Nudelholz zu einer Platte walzen, das Päckchen einwickeln und an den Rändern gut verstreichen. Ich empfehle, das sorgsam zu machen, aber vor allem kein Wasser zu verwenden. Das Tonpaket sollte an allen Seiten dieselbe Stärke von 2,3 cm haben. So entsteht eine kleine Skulptur. Aufs Blech gelegt in den Ofen und die erste Stunde nicht zu heiß, vielleicht 150 ºC, damit der Ton gleichmäßig anziehen kann, dann volle Kanne alles geben, was eben der eigene Ofen schafft und nach insgesamt 3 Stunden herausnehmen. Das Aufschlagen der Form würde ich am Tisch machen, es ist ein toller Moment, wenn alle dabei sind. Das Huhn muss nicht zerteilt werden, es wird sich alles von alleine lösen. Dazu gibt es salziges, selbst gebackenes Hefebrot, Zitronenjoghurtdip und Salat mit reichlich Dressing. Ich trinke dazu Wasser“.
Für den von der 1969 in Straßburg geborene niederländische Video-, Konzept- und Installationskünstlerin Mathilde ter Heijne (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Mathilde_ter_Heijne und https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=mathilde+ter+heijne+woman+to+go&sa=X&ved=2ahUKEwiWyfe75vXtAhV0AWMBHaFoDMUQjJkEegQIBhAB
&biw=1503&bih=916) vorgeschlagenen ›Liebestrank # 9‹ benötigt man 9 Schnapsgläser mit süßem Rotwein, 9 frische Basilikumblätter, 9 frische rote Rosenblätter, 9 ganze Nelken, 9 Apfelsamen, 9 Tropfen echten Vanilleextrakt, 9 Tropfen Erdbeersaft, 9 Tropfen Apfelsaft, 9 kleine Stücke Ginsengwurzel, 9 rosa Kerzen, 1 großen Kochtopf, 1 feines Sieb und 1 kleine Glasflasche.
Ter Heijne schreibt folgende Zubereitung vor: „Die Kerzen an der Stelle anzünden, an der gearbeitet werden soll. Alle Zutaten in den Topf geben und erhitzen. Während des Umrührens folgende Worte sprechen: ›Aus 2 mach 1, sonst lieber keins. Aus 2 mach viel und auch mit Stil. Aus gestern leer mach heute voll – Jawohl! Aus gestern nimmer mach morgen immer – immer! Aus hier und da mach gut und wahr – Ja! Aus hin und her mach immer mehr. Aus niedrem Triebe mach wahre Liebe!‹
Auf niedriger Stufe weitere 9 Minuten köcheln lassen. Den Topf vom Herd nehmen und während er abkühlt, die Namen folgender 9 Liebesgöttinnen laut aufsagen: ›Venus, Ishtar, Astarte, Nephtys, Hathor, Aphrodite, Freya, Arianrhod, Ivana‹. Den frischen Trank durch das feine Sieb gießen, um die gröberen Teile zu entfernen, in die bereitgestellte Flasche füllen und verschlossen im Kühlschrank aufbewahren. Gekühlt … servieren“.
Zutaten wie Totentrompeten, Asafoetida, bekannt auch als Teufelsdreck, Ginkgo-Nüsse, japanische Misopaste, Gomasio und andere sind mutmaßlich nicht in allen örtlichen Läden vorrätig. Deshalb empfiehlt es sich, das eigene Nachkochen langfristig zu planen und sich die fehlenden Zutaten rechtzeitig im Fachhandel zu besorgen.
ham, 30. Dezember 2020