Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Band 482, herausgegeben von John Barton,
Ronald Hendel, Reinhard G. Kratz und Markus Witte
Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2017, ISBN 978-3-11-042682-3, 616 Seiten, Hardcover gebunden,
Format 23,5 x 16 m, € 99,95
Der umfangreiche Studienband versammelt glänzend geschriebene Forschungsüberblicke und Einzelstudien
des Lehrstuhlinhabers für Altes Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum
aus den Jahren 1991 bis 2013 zum sogenannten Deuteronomistischen Geschichtswerk, zur Komposition und
Theologie der Klagelieder, zur Intertextualität und innerbiblischen Auslegung unter anderem von Psalm 8,
Psalm 95 und Psalm 104 wie auch zum Monotheismus und zum Bilderverbot. Die Beiträge zum
Deuteronomium und zur Bedeutung des Hexateuchs schließen an seine Habilitationsschrift zum Ende der
sogenannten Priestergrundschrift an, führen sie weiter, vernetzen sie mit literargeschichtlichen Fragen und
begründen, warum Frevel nicht mehr wie Martin Noth von einem einheitlichen deuteronomistischen
Geschichtswerk ausgehen kann. Die Beiträge zur Religionsgeschichte und zur Entwicklung des
Monotheismus gehen auf sein Interesse an der Geschichte der YHWH-Religion zurück, das ihn seit seiner
Dissertation zu Aschera und dem Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs beschäftigt hat.
In den letzten dreieinhalb Jahrzehnten hat sich die Forschungslage deutlich verändert. Frevels knappe Skizze
der unter dem Stichwort Monotheismusforschung geführten Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels
verdeutlich die neue Situation (vergleiche dazu Christian Frevel Studie „Wovon reden die Deuteronomisten?
Anmerkungen zu religionsgeschichtlichem Gehalt, Fiktionalität und literarischen Funktion
deuteronomistischer Kultnotizen“ S. 497–525). Demnach waren die späten 1970er und 1980er Jahre von der
Urmonotheismusdebatte dominiert; die relative Frühdatierung des Ersten Gebots war dabei unbestritten.
Primärquellen wie Tonkrüge, Stelen, Bilder und Inschriften aus archäologischen Funden spielten in der
Diskussion nahezu keine Rolle und wenn, „dann werden sie […] als Bestätigung des biblischen Befundes
gewertet. Hosea und Elija sind die kaum hinterfragten Exponenten einer Frühdatierung des
Ausschließlichkeitsanspruchs. Der Gegensatz Kanaan-Israel oder YHWH-Baal war erkenntnisleitend. Das
deuteronomistische Geschichtswerk stand fest auf der Grundlage des Ersten Gebots und war im Duktus der
These von Martin Noch unbestritten mehr oder weniger frühexilisch“ (Christian Frevel S. 498 f.).
Durch althebräische Inschriften auf Krugmalereien aus archäologische Funden in Kuntilet’Ağrūd kam in
den späten 1980er und frühen 1990er Jahren die Frage auf, ob der Ausdruck „seine Aschera“ in den lokalen
YHWH-Kulten als Partnerin YHWHs gedeutet werden muss. „Dabei wuchs […] die Einsicht, dass Israels
Religion sich nicht wesentlich von den westsemitischen Nachbarreligionen unterschied […]. Der Gegensatz
Israel-Kanaan begann zu bröckeln […]. Die Rückfragen nach den Anfängen des YHWH-Glaubens und
seiner Durchsetzung nahmen stärker religions- als literargeschichtliche Gestalt an. Während sich die
Einbeziehung außerbiblischer Evidenz langsam durchsetzte, verschob sich der textliche Fokus vor allem auf
die Diskussion der Belege, die einen spätvorexilischen Polytheismus plausibilisieren konnten. Dabei traten
die Stellen des deuteronomistischen Geschichtswerkes, insbesondere die Reformberichte der Königsbücher
stärker in das Interesse der Forschung. Schwankend zwischen historischer Evidenz und exilischer
Rückprojektion wurden die Stellen doch als Beleg für einen langsamen Prozess der Durchsetzung des
Alleinvertretungsanspruches gesehen. Die vorexilische Frühdatierung des Ersten Gebots und die Stellung
des Deuteronomiums wurden dabei nicht grundsätzlich hinterfragt. Am Ende der staatlichen Epoche Israels
war die YHWH-Religion weitestgehend unhinterfragt monolatrisch“ (Christian Frevel S. 499 f.).
In den 1990er- Jahren wurde die Frühdatierung der Auseinandersetzung zwischen Baal und YHWH und der
Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs im 9. – 7. Jahrhundert zunehmend infrage gestellt. Durch die Krise des
Quellenmodells brechen die alten Pentateuchquellen und mit ihnen die vormals alte Rechtsüberlieferung
weg. Die Bezeichnung des Privilegrechts als späte „Epitome“, als später Auszug markiert den Bruch. Der
Jahwist wird entweder spätdatiert oder insgesamt infrage gestellt; deshalb kommt ihm weder im 10. noch im
8. Jahrhundert eine monolatrische Spitzenposition zu. Es wird diskutiert, ob die Engführung auf YHWH als
Nationalgott im antiassyrischen Impuls wurzelt. In dieser Phase treten der literarische Diskurs und die
religionsgeschichtliche Evidenz auseinander. Die archäologischen, ikonografischen und epigrafischen
Quellen werden zwar in Einzelstudien untersucht, spielen in der literaturgeschichtlichen Diskussion aber
immer weniger eine Rolle.
„Die letzten fünf Jahre akzelerieren den Zusammenbruch der vormaligen Säulen der Argumentation und
holen die Ernte der sich verstärkenden Spätdatierung wesentlicher Traditionsstränge ein. Sie sind
gekennzeichnet durch ein erneutes intensives Aufleben der Diskussion um das Alter des Ersten Gebots,
allerdings unter vollkommen neuen Vorzeichen […]: Die Forderung zur Alleinverehrung wird jetzt als
Rückprojektion aufgefasst und das Erste Gebot z. T. exilisch, z. T. frühnachexilisch datiert […]. Den
religionsgeschichtlichen Notizen des Deuteronomistischen Geschichtswerkes kommt als Referenz für die
Religion der vorexilischen Zeit keine oder kaum eine Bedeutung mehr zu […]. Der Monotheismus ist nicht
exilisches Ergebnis einer längeren und schon vorexilisch einsetzenden Entwicklung […], sondern es ist ein
plötzlicher Gast“ (Christian Frevel S. 502f.).
Der letzte Aufsatz ist dem Kultbildverbot gewidmet. Nach Christian Frevel ist das dekalogische Bilderverbot
frühestens exilisch. Exodus 20,23 und Exodus 34,17 sind früher und können Ausdruck der spätexilischen
Bilderkritik sein, „insofern sie sich auf Fremdgötterbilder beziehen und nur die praktische Seite des
Ausschließlichkeitsanspruchs darstellen. […] Das Bilderverbot wächst erst aus vorexilischen Wurzeln in
exilischer Zeit zu einem Verbot der Nichtdarstellbarkeit YHWHs […]. Für die These, dass die
Kultbildlosigkeit des YHWH-Glaubens nicht mit der Herkunft YHWHs, sondern mit der Jerusalemer
Tempeltheologie zusammenhängen könnte, spricht zwar einiges, doch reichen die Argumente dafür noch
nicht aus. Die Ursprünge der Kultbildlosigkeit müssen daher offenbleiben“ (Christian Frevel S.576 f.).
ham, 17. September 2017