Wer die am 26. September 2025 in der Städtischen Galerie Karlsruhe eröffnete Ausstellung RATATATAA des in der Türkei aufgewachsenen und seit 2007 in Frankfurt am Main arbeitenden Künstlerpaars Özlem Günyol (geboren 1977) & Mustafa Kunt (geboren 1978) ohne weiterführende Informationen besucht, wird mutmaßen, dass er sich auf Konzeptkunst einlassen muss. Er wird sich wahrscheinlich fragen, was die wie eine Kletterwand erscheinende Installation „Free Solo“ (2019 –2025)in einer Ausstellung zu suchen und was sie mit der direkt gegenüber installierten Wandzeichnung „Self-Portrait (Jeddah)“ (2024) zu tun hat. Offen bleiben wird wohl auch, was in RATATATAA mit der Stacheldrahtrolle “Self Defence“ (2015) abgesperrt werden soll und warum das Bodenobjekt „The Clock“ (2022) vor der achtteiligen Zeichnung „Toward the Horizon“ (2017) liegt. Er oder sie wird auf den Katalog zur Ausstellung warten, der demnächst im Kehrer Verlag mit Texten von Jörg Heiser, Duygu Demir und Stefanie Patruno erscheinen soll und an der Museumskasse circa 40 € kosten wird.
Oder sie ruft die Internetseite der Städtischen Galerie https://staedtische-galerie.de/exhibition/oezlem-guenyol-mustafa-kunt-ratatataa/ auf und erfährt dort, dass die Künstler nach ihrem Studium an der Hacettepe Universität in Ankara ihre Ausbildung an der Frankfurter Städelschule abgeschlossen haben – Günyol bei Ayşe Erkmen, Kunt bei Wolfgang Tillmans, ihre Werke gesellschaftspolitische und historische Fragen thematisieren und die Bedeutung von Sprache und Symbolen in Diskursen über Macht und Autorität untersuchen und für ihre vielseitigen, formal oftmals minimalistischen Installationen mehrfach ausgezeichnet worden sind, so unter anderem 2017 mit dem HAP Grieshaber-Preis.
Oder er notiert sich die Titel der Arbeiten, geht mit ihnen ins Internet und wird auf der informativen Homepage des Künstlerduos in aller Regel fündig (vergleiche dazu https://gunyolkunt.com/works/).
Dort noch nicht veröffentlicht ist allerdings die für Karlsruhe angekündigte jüngste Arbeit des Duos „Paranoid Circle“(2025), deren Entstehung dem Dauerregen der Tage vor dem Ausstellungsaufbau zum Opfer gefallen ist: Ein Panzer wird auf einer lackierten Stahlfläche fahren und sich wiederholt im Kreis drehen. Durch die kontinuierliche Bewegung, so das Konzept, ritzen sich feine Spuren in das Metall und hinterlassen eine abstrakte Zeichnung. Sie wird nach ihrer Entstehung im Lichthof der Städtischen Galerie Karlsruhe präsentiert und verweist auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes als Waffen- und Munitionsfabrik. In reduzierter Form macht „Paranoid Circle“ die Umwandlung des Hallenbaus in das Kunstmuseum der Stadt sichtbar und fragt, wie sich die Wahrnehmung eines Ortes verändert, wenn sich seine Funktion wandelt. Bis dahin muss die Konzertskizze auf dem Laptop von Mustafa kund genügen.
Zentrales Anliegen der Arbeit von Özlem Günyol & Mustafa Kunt ist das kritische Nachdenken über die Ausbildung von Identitäten im Kontext ihrer kulturellen, sozialen und politischen Entstehungsbedingungen.
ham, 29. September 2025