Das mit der Endung »a« scheinbar aus dem Lateinischen stammende, aber ursprünglich aus dem Griechischen kommende „anhedonia“ bedeutet im Allgemeinen die Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden. In der klinischen Psychologie und Psychotherapie steht „Anhedonie“ im Kontext von Depressionen für die Verminderung von positiven Reaktionen, beim Überlebens-Syndrom für die überdauernde Unfähigkeit, Zerstreuung zu genießen. Deshalb fragt man sich, warum die 1995 in Weingarten geborene Karlsruher Meisterschülerin Lea Gocht ihre zum Werner-Stober-Förderpreis 2024 in der Städtischen Galerie Karlsruhe eingerichtete Installation „anhedonia II“ nennt.

Nach dem Kunstportal Baden-Württemberg (vergleiche dazu und zum Folgenden  https://www.kunstportal-bw.de/2025/05/23/lea-gocht-anhedonia-ii/) weitet Gocht den Begriff „anhedonia“ auf kollektive Empfindungen wie Ohnmacht, Kontrollverlust oder Suche nach Handlungsfähigkeit aus, die in Reaktion auf gesellschaftliche Krisen entstehen. Die Künstlerin arbeite seit 2024 an einer fortlaufenden Installationsreihe, die den Titel „anhedonia“ trägt.

Während „anhedonia I“ in der Galerie Brutal in Hannover auf die Auswirkungen des menschen- gemachten Klimawandels fokussiert war, beleuchtet „anhedonia II“ die psychischen Belastungen des Individuums im gegenwärtigen Zustand der Multikrisen. Dafür hat Gocht den Projektraum des Museums in ein surreales Szenario verwandelt, das zwischen lustvoller Utopie und unterschwelliger Dystopie angesiedelt ist. „Aufgeschichtete Schaumstoffmatratzen auf einem Boden, der aus unzähligen Fotografien verschiedener Straßenoberflächen zusammengesetzt ist, bilden das Refugium von Stoffkatzen. Zusammengenäht wurden sie aus mehreren Schnittmustern, die fotografische Elemente eines weiblichen Körpers zeigen. Die so entstehenden Zwitterwesen aus Mensch und Tier wirken ebenso grotesk wie humorvoll und regen zum Nachdenken über unterschiedliche Wahrnehmungen von Körperlichkeit an. Der Eindruck einer endzeitlichen Landschaft wird durch die Vorratsfässer und Dosen mit Kichererbsen verstärkt“, die Assoziationen an empfohlene Katastrophenvorsorge wecken (a. a. O.).

ham, 7. Juli 2025

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