Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger des von der Ernst-Franz Vogelmann-Stiftung zusammen mit den Städtischen Museen Heilbronn ausgelobten und mit 30 000 € dotierten renommierten Preises waren 2008 Roman Signer, 2011 Franz Erhard Walther, 2014 Thomas Schütte, 2017 Richard Deacon, 2020 Ayşe Erkmen und 2023 Gregor Schneider (vergleiche dazu und zum Folgenden https://www.vogelmann-stiftung.de/vogelmann-preis/).
Mit der 1964 in Haldensleben, Sachsen-Anhalt, geborenen Andrea Pichl wird erstmals eine in Ost-Berlin aufgewachsene Künstlerin ausgezeichnet. Pichl macht in ihren Arbeiten den Bedeutungswandel des öffentlichen und privaten Lebens vor und nach der deutschen Wiedervereinigung erfahrbar. Sie setzt sich mit Architektur, Stadtplanung und sozialen Räumen auseinander, untersucht und kommentiert die fragwürdige Ästhetik und den ideologischen Hintergrund standardisierter Bauformen insbesondere im Kontext der internationalen Nachkriegsmoderne und des sozialen Wohnungsbaus. In ihren Installationen kombiniert sie Fotografien, Zeichnungen und Dekofragmente, legt Geschichten und Geschichte frei und hinterfragt die damit verbundenen Gesellschaftsentwürfe. Mit ihrer Auszeichnung ist eine für 25. April bis 6. September 2026 geplante Ausstellung in der Kunsthalle Vogelmann verbunden.
Wer die Arbeit der Preisträgerin schon jetzt kennenlernen will, hat dazu noch bis 4. Mai 2025 bei der im Hamburger Bahnhof in Berlin in der Kleihueshalle unter dem Titel »Wertewirtschaft« eingerichteten Rauminstallation Gelegenheit (vergleiche dazu https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/andrea-pichl/: und https://www.monopol-magazin.de/andrea-pichl-berlin-hamburger-bahnhof-wertewirtschaft-beuys-der-fruehstueckstisch-von-erich-mielke): Pichl bezieht sich in ihrer parallel zur Dauerpräsentation von fünfzehn zentralen Werken von Joseph Beuys konzipierten Schau mit ihrem Titel auf die von Beuys in den 1970er-Jahren propagierten »Wirtschaftswerte«, die er in Produkten des täglichen Bedarfs wie den in der DDR abgepackten Lebensmitteln und einfachen Haushaltsgeräten verkörpert sah und die er als Träger von Wärme, Lebensenergie und Quelle von Kreativität begriff (vergleiche dazu https://pinakothek-beuys-multiples.de/product/wirtschaftswerte/?lang=de und https://www.edition-staeck.de/kuenstler/joseph-beuys/?art=wirtschaftswert).
Pichl stellt diesen beuysschen »Wirtschaftswerten« die in der DDR propagierte »Wertewirtschaft« gegenüber, deren Ziel es war, ausgesuchte Waren gewinn- und devisenbringend im Westen zu verkaufen. Dazu gehören für sie die im sogenannten Genex-Katalog angepriesenen und im Westen als Geschenk für befreundete DDR-Bürger zum Verkauf angebotenen Türen, Türklinken, Stühle, Sessel, schmiedeeisernen Gartenzäune und Musterhäuser, die in und neben den im Hamburger Bahnhof aufgebauten modularen schwarzen Mini-Bungalows zu sehen sind (vergleiche dazu ›Geschenke ohne Grenzen.Die Firma Genex‹ unter https://www.geschichte-doku.de/deutsch-deutscher-alltag/themen/?a=genex und ›Geschenke in die DDR. Genex-Katalog Ausgabe 1986‹ unter https://www.schmalenstroer.net/books/Alte %20Kataloge/GENEX%20 Katalog%201986.pdf). Die zur Skulptur gewordene ausrangierte DDR-Straßenlaterne »VEB-Leuchtenbau« weist den Weg in die Ausstellung (vergleiche dazu ›Reimar Stange, Andrea Pichl in Berlin‹ in Monopol am 13.11.2024 unter https://www.monopol-magazin.de/andrea-pichl-berlin-hamburger-bahnhof-wertewirtschaft-beuys-der-fruehstueckstisch-von-erich-mielke).
ham, 30. April 2025