Wie 100 gesunde Lebensjahre dank Spitzenforschung und Hightech-Medizin jetzt schon möglich werden – und was wir selbst dafür tun müssen

DVA, München, 2024, ISBN 978-3-421-07035-7, 226 Seiten, Hardcover, mit Schutzumschlag, 22 x 14 cm, € 24,00

Methusalix dürfte nur den „Asterix und Obelisk“-Lesern bekannt sein, Methusalem dagegen allen, die sich für sein biblisches Alter interessieren. Nach 1. Mose 5, 21 ff. soll er 969 Jahre alt geworden sein: „Als Henoch 65 Jahre alt war, zeugte er den Methusalah … Als Methusalah 187 Jahre alt war, zeugte er den Lamech. Und nachdem Methusalah den Lamech gezeugt hatte, lebte er noch 782 Jahre und zeugte Söhne und Töchter. So betrug Methusalahs ganze Lebenszeit 969 Jahre;

dann starb er.“ Dem biblischen Alter Methusalems liegt die Rechnung zugrunde, dass zwischen dem Auszug der Israeliten aus Ägypten und dem Beginn der Schöpfung 2666 Jahre liegen. „Rechnet man die Kette der Ahnen zurück, müssen die ersten zehn Nachfolger Adams dieses hohe Alter erreichen“. (Ralph Kurz, Das „biblische Alter“ – Theologisches zur Langlebigkeit. In: https://www.zfg.uzh.ch/static/2004/kunz_bibAlter.pdf). 

Langlebig sollen aber vor dem Fall nicht nur die ersten Menschen gewesen sein, sondern auch die zehn babylonischen Urkönige (vergleiche dazu und zum Folgenden Ralph Kurz, a. a. O.). Nach einem griechischen Schriftsteller aus dem alten Babylon soll Alorus, der erste König, 36 000 Jahre regiert haben, der dritte 46 800 Jahre und der zehnte 64 800 Jahre. Keilschriftliche Texte erklären ihr hohes Alter mit ihrer göttlichen Herkunft. Dagegen bleibt die Bibel maßvoll. Die ältesten Menschen werden nicht mehr als 1000 Jahre alt. Ihr Leben ist von Anfang an begrenzt und sie sind sterblich. In Psalm 90, 10 werden die Angaben dann realistisch: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon“. Wer heute mit über Achtzigjährigen spricht, wird selten hören, dass das Altwerden nur Freude macht. Noch sind die gut dokumentierten 122 Jahre und 164 Tage, die die Französin Jeanne Calment als ältester Mensch erreicht hat, die Ausnahme.

Nach der Longevity-Forschung, die der Spiegelreporter und Bestsellerautor Thomas Schulz in seiner jüngsten Publikation „Projekt Lebensverlängerung“ weitgehend allgemeinverständlich vorstellt, kann man heute in die jetzt gut bekannten zwölf Kennzeichen des Alterns eingreifen und sie womöglich sogar teilweise rückgängig machen, wenn man 100 Jahre alt werden will. Dazu würde 

  1. gehören, dass wir die mit dem Alter schlampiger werdenden Reparaturmechanismen der DNA        

       wieder auf Trab bringen.

2.   müsste der Prozess der sich mit der Zeit verkürzenden Telomere, in denen die Bauanleitungen 

      für alle Körperprozesse gespeichert sind, aufgehalten oder rückgängig gemacht werden.  

      Forscher versuchen deshalb, die Abnutzung der Telomere per Gentherapie zu stoppen und sie

      wieder länger zu machen.

3.   müssten die Faktoren die Alterung beeinflussen, bestimmbar werden. Das Epigenom verändert 

      sich als Reaktion auf Ernährung, Medikamente oder Stress, damit sich 

      Zellen auf Umweltveränderungen anpassen können. An diesen Modifikationen lässt sich 

      bestimmen, welche Faktoren die Alterung beeinflusst haben.

4.   Unsere Proteine, die Arbeitspferde, die unsere Körperfunktionen antreiben, müssen recycelt 

       werden, wenn sie beschädigt sind. Wenn die Fitnesssysteme nicht mehr laufen, verklumpen 

       sie zum Teil wie z.B. bei Alzheimer. Man kann diesen Prozess, die Proteostase, aber auch wie-  

       der ankurbeln.

5.   Die mit zunehmenden Alter weniger aktive Selbstreinigung per Autophagie kann sowohl

      durch das Ernährungsverhalten als auch durch Zusatzstoffe angeschoben werden.

6.   Ernährung ist einer der praktikabelsten Eingriffe in das menschliche Altern. Intervallfasten 

       wirkt sich positiv auf die Gesundheit und auf die Lebensspanne aus.  

7.   Zu den Aufgaben der Mitochondrien gehört es, Energie  mithilfe der Zellatmung zu erzeugen.

      Wenn sie nicht mehr richtig funktionieren, nehmen Entzündungen zu und sterben Zellen ab. 

       Mitochondrienproteine könnten ein potenzieller Anti-Agin-Faktor sein.

8.   Alternde, seneszente Zellen könnten mit Medikamenten abgetötet werden. Damit würden Al-

      terskrankheiten wie Arthrose und möglicherweise auch Diabetes und Parkinson behandelbar.

      Vielleicht ließe sich auch der gesamte Alterungsprozess verlangsamen.

9.  Forscher glauben, dass sie Stammzellen verjüngen können, indem sie ihnen vorgaukeln, sich in 

      einem jungen Körper zu befinden.

10. Im Blut gibt es Faktoren, die Informationen zur Alterung des ganzen Organismus speichern. 

      Das Umgekehrte gibt es aber auch: Blut von jungen Mäusen verbessert die Funktion der Leber 

      und der Muskeln. Eine Rolle spielen dabei scheinbar eine ganze Reihe von Proteinen, die

      mit Entzündungen zu tun haben. Die Neutralisierung dieser Faktoren könnte potente Anti-

      Aging-Effekte haben.

11. Entzündungszellen wehren bei Verletzungen schädliche Eindringlinge wie Bakterien ab. Ist die 

       Gefahr gebannt, verschwinden die Entzündungen. Im Alter schwelen sie aber häufig im 

       Hintergrund weiter. Zu den Folgen gehören Herzprobleme, Gewebeschäden und Diabetes.  

       Deshalb versucht man, sie übergreifend medikamentös zu blockieren.

12.  Falsche Ernährung und Stress können das Mikrobiom ins Chaos stürzen. Ein gesundes Darm-

        Mikrobiom hält offenbar länger jung.

Wer 100 Jahre alt werden möchte, sollte schon in jungen Jahren die grundlegenden Risikofaktoren vermeiden, die das Altern beschleunigen, so unter anderem Übergewicht, hohen Blutdruck, hohe Cholesterinwerte, Nikotin, Alkohol, Drogen, Stress, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel. Viele Tumore lassen sich behandeln, wenn sie früh entdeckt werden. Bluttests helfen zur Krebsfrüherkennung. Sport hilft nicht nur, das Krebsrisiko zu vermindern, sondern auch die Krankheit besser zu überwinden und die Nebenwirkungen der Behandlung zu verringern. Auch das Gehirn ist noch im hohen Alter formbar. Neugierde und Lernen halten es fit. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf sind die Grundpfeiler für ein langes und gesundes Leben. Fortschritte in der Medizin und der Biotechnologie und Longevity-Stoffe wie Metformin, GLP-1-Antagonisten, Rapamycin, Fisetin, Taurin, Spermidin, Resveratrol, Vitamin D und Omega-3 eröffnen neue Perspektiven. 

Der derzeit neueste Fortschritt im Kampf gegen den Tod konnte in der Publikation von Thomas Schulz noch nicht berücksichtigt werden: Nach einem Bericht des Fachmagazins Nature ist es weltweit erstmals gelungen, eine akute Herzschwäche  bei einem Rhesusaffen und einem Menschen mit einem aus Stammzellen gewonnenen Pflaster zu behandeln. „Für ihren Versuch nutzten die Forscher Stammzellen aus bereits ausgereiftem Gewebe. Diese Zellen programmierten sie im Labor zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) – also, wenn man so will, eine Stufe rückwärts zurück zum Ausgangspunkt der Zelldifferenzierung. Aus diesen iPSC-Zellen können wiederum ausdifferenzierte Körperzellen entstehen, und damit auch Gewebe und organähnliche Mikrostrukturen, genannte Organoide. Zumindest theoretisch bilden sie also einen Grundstoff für das Ersatzteillager des Körpers. In der Studie lösten die Forscher bei Rhesusaffen unter Vollnarkose im Herzkatheder einen Herzinfarkt aus. Anschließend nähen sie das Pflaster auf das beschädigte Herz, es musste anschließend mit Blutgefäßen versorgt werden, um so neue Muskelzellen aufzubauen […].“ (Felix Hütte, Ein Pflaster für ein kaputtes Herz. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 25 vom 31. Januar 2025, S. 12). Das Herzgewebe ist nach der Implantation tatsächlich gewachsen und hat die Herzwand deutlich stärken können. Allerdings stellen die untersuchten Pflaster keine körpereigene Struktur dar. Deshalb müssen die Affen und Menschen lebenslang eine Immunsuppression erhalten, damit das Immunsystem die Implantation nicht angreift.

Man wird sich, wenn die medizinischen und biotechnologischen Fortschritte so weitergehen, auf ein längeres vitales Alter von potenziell 30 statt bisher 15 bis 20 Jahren einstellen, an eine zweite Karriere denken und bisherige Spar- und Finanzpläne an die gewonnenen Jahre anpassen müssen.

ham, 31. Januar 2025

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