Dez 12

Gewalt, Krieg, Zerstörung.

Von Helmut A. Müller | In Allgemein

Oder KEIN FRIEDEN NIRGENDWO

Ausstellung im Museum Deutschhof zum 80. Jahrestag der Luftangriffe auf Heilbronn

am 4. Dezember 1944

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler:

Alfred Bär, Axel Arndt, Otto Baum, Joseph Beuys, Hal Busse, Carl R. Bertsch, Els Daniel Stroh,Ayşe Erkmen, August O. F. Friedrich, Wilhelm Gerstel, Erich Geßmann, Alfred Hrdlicka, Heinke Jenkins-Mayer, Karl Kämpf, Horst E. Kalinowski, Michael Kilburg, Werner Knaupp, Käthe Kollwitz, Otto Ludwig Kunz, Walter Kurtz, Eberhard Linke, Anja Luithle, Fritz Mader, Walter Maisak, Hanns Reeger, Hermann Rombach, Wilhelm Schäffer, F. W. Schindhelm, Else Schwarz Binder, Roman Signer, Helmut A. Steegmüller, Werner Stötzer, Annika Winkelmann.

Wer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Heilbronn oder seinen Nachbarorten geboren wurde, kann alljährlich am 4. Dezember auf dem Ehrenfriedhof im Köpfertal der Opfer der Fliegerangriffe im Dezember 1944 gedenken, bei denen rund 60 Prozent der Stadt zerstört wurden und zwischen 6500 und 7000 Menschen ums Leben gekommen sind (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriffe_auf_Heilbronn und https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/zerstoerung-heilbronns-gedenken-80-jahre-vierter-dezember-100.html).

Die Städtischen Museen begleiten derzeit den 80. Jahrestag der Zerstörung Heilbronns mit einer Ausstellung von rund 100 Exponaten aus dem eigenen Bestand aus den Jahren 1914 bis 2022, die sich mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und Fragen der sich ununterbrochen fortsetzenden menschlichen Gewalt auseinandersetzen. Die Ausstellung fragt nicht wie Leitmedien wie die Süddeutsche Zeitung oder die ZEIT, wann das organisierte Töten und Kriege begannen, ob Gewalt angeboren oder erlernt ist und ob wir eigentlich nur „die netten Affen“ sind, sondern wie am Krieg beteiligte, mit ihm konfrontierte und wie heutige Künstler Kriege ins Bild gesetzt haben und setzen (vergleiche dazu Urs Willmann, Als der Krieg in die Welt kam. In: Die Zeit, № 50 vom 28. November 2024, S. 31 und Jakob Wetzel, „Wir sind eigentlich die netten Affen“. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 277 vom 30. November/1. Dezember 2024, S. 35). Damit kommen neben den Opfern der Luftangriffe vom 4. Dezember 1944 auf Heilbronn auch die rund 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs, seine rund 30 Millionen Toten in der Zeit nach 1945, seine Folgeschäden, die seit 1945 ausgetragenen Kriege und heutige Sichtweisen auf den Krieg in den Blick.

Hans Kilburgs sinnbildhaftes Großformat „Fast 7000 Tote, 4.12.1944“ von 1996 eröffnet die Ausstellung. Im dem Ersten Weltkrieg gewidmeten Kabinett setzen hautnah am Kriegsgeschehen beteiligte Frontsoldaten wie Wilhelm Schäffer (1891–1976, vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Schäffer_(Künstler)⟩, der im Krieg als Kriegszeichner und Kartograph eingesetzte Hermann Rombach (1890–1970, vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Rombach) und andere die Trostlosigkeit und Schrecken der Schützengräben und ihre Desillusionierung in Zeichnungen und Feldpostbriefen ins Bild. Wilhelm Gerstel ⟨1879–1963, vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Gerstel_(Bildhauer)⟩ hält wenige Jahre später die Langeweile im Kriegsgefangenenlager fest.

Das 1944 völlig zerstörte Heilbronn geht in Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Hanns Reeger (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Reeger), Carl R. Bertsch (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Rudolf_Bertsch) und Els Daniel-Stroh (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Els_Daniel-Stroh) ein. 

Unter den jüngeren Künstlerinnen der Ausstellung sind die Arbeiten von Annika Winkelmann (vergleiche dazu https://www.aenner.com/cv/) und von Anja Luithle (vergleiche dazu https://anjaluithle.de/) mit die interessantesten. Roman Signers »Gewehr« von 2006 und Ayşe Erkmens Landminen- und Handgranatenobjekt »Objects of Mine« von 1996/97 stehen für das Dilemma der derzeit wieder wichtiger gewordenen Suche nach friedlicheren Zeiten. Signers »Gewehr« könnte als bildnerischer Ausdruck der Parole „Frieden schaffen ohne Waffen“ gelesen werden und Ayşe Erkmens »Objects of Mine« als Hinweis auf die von Olaf Scholz Ende Februar 2022 ausgerufene Zeitenwende (vergleiche dazu die Kolumne von Olaf Zimmermann vom 26. März 2022, die den Beschluss der Bundesregierung reflektiert, als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro in die deutsche Verteidigung zu investieren. In: https://www.kulturrat.de/themen/texte-zur-kulturpolitik/naiv/. Und zur Zeitenwende: https://www.fes.de/wissen/zeitenwende).

Dass sich viele gewaltfreie Auswege aus den weltweit 369 Kriegen, Krisen und Konflikten wünschen, ist offenkundig (vergleiche dazu https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1112076/umfrage/anzahl-aller-kriege-und-konflikte-weltweit/#:~:text=Kriege, Bürgerkriege und zwischenstaatliche Konflikte weltweit bis 2023&text=Die Zahl der jährlichen Konflikte,insgesamt 59 Kriege und Konflikte.). Dass sich Kriege aber nicht allein mit pazifistischen Einstellungen vermeiden lassen und als Pendant unter anderem die von Boris Pistorius mit der Litauen Brigade der Bundeswehr umgesetzte „Operation Zeitenwende“ brauchen, ist nach Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, den Kriegen im Nahen Osten und dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien offenkundig (vergleiche dazu Alexander Weinlein, Operation Zeitenwende. In: Das Parlament Nr. 49–51 vom 7. Dezember 2024, S. 6. Und: https://www.fr.de/politik/anzeichen-assad-syrien-sturz-kam-schnell-und-unerwartet-doch-es-gab-zr-93460262.html). Vielleicht wird ja der Pazifismus und die Realpolitik simultan gebraucht und vielleicht hatten die alten Römer mit ihrer Devise „Si vis pacem, para bellum“ nicht ganz unrecht.

ham, 11. Dezember 2024

Kommentare sind geschlossen.

COPYRIGHT © 2023 Helmut A. Müller