Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 16.12.2012 – 24.02.2013 im Museum Sinclair-Haus, Bad
Homburg, hrsg. von der Altana Kultur Stiftung mit Texten von Andrea Firmenich, Martina Padberg
und Johannes Janssen
Altana Kultur Stiftung Bad Homburg v.d. Höhe, Wienand Verlag Köln 2012, ISBN 3-934860-25-7, 176
S., zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 29 x 22 cm, € 25,–
Wer wie Friedrich Schleiermacher mit dem „Gefühl der schlechthinigen Abhängigkeit“ auf Caspar
David Friedrichs „Mönch am Meer“ und seine Kreidefelsen auf Rügen schaut, wird die Sehnsucht
nach einheitlichen Lebensentwürfen, Ganzheit, Sinn und Allversöhnung nicht mehr vergessen
können. Er wird zwar der Klarheit klassizistischer Weltauffassung, Rationalität undAufklärung ihr
begrenztes Recht einräumen, aber dann letztlich doch auf eine Synthese von Anschauung,
Philosophie, Kunst und Religion setzen und damit auf einen utopischen Wirklichkeitsentwurf, dem
„die Entgrenzung des ästhetischen Erfahrungsraumes zum übergreifenden Ganzen“ ebenso zu
Grunde liegt wie „der Primat der produktiven Einbildungskraft gegenüber dem der theoretischen
Philosophie im idealistischen Systemdenken G.W.F. Hegels…“ (Lore Hühn in RGG4 Band 7 R-S,
Tübingen 2004, Spalte 610). Für den amerikanischen Videokünstler Bill Viola war die Romantik „eine
der wichtigsten und radikalsten Bewegungen in der Geschichte der Kunst“. Deshalb hat er junge
Künstler dazu aufgerufen, den Staub von ihren Kunstbüchern zu blasen und sich daran zu erinnern,
„dass die Romantik erstmals die Bereiche der menschlichen Gefühlwelt erschlossen hat, die
außerhalb unserer Kontrolle liegen“ (Bill Viola). Nach Auffassung von Andrea Firmenich nimmt er
damit schon in den 1970er Jahren die Renaissance des Romantischen vorweg. Viola ist einer von 41
Künstlern, die für die Wiederaufnahme und Transformation der romantischen Idee am Beginn des
21. Jahrhunderts stehen und belegen, dass sie auch noch nach 250 Jahren Früchte zeitigt. Viola zeigt
in seinem frühen Video ‚Reflecting Pool‘ von 1977-1979 einen Mann, der aus einem Wald kommend
an ein Wasserbecken tritt „sich dort kurz sammelt, einen Schrei ausstößt und springt … Anstatt zu
falleln, erstarrt er schwebend in der Luft und verschwindet schließlich. Später wird er, nunmehr
nackt, also verwandelt, aus dem Wasserbecken auftauchen und in den Wald zurückkehren“ (Martina
Padberg). Für Padberg reflektiert die Arbeit Fragen wie die nach dem Beginn und Ende des
menschlichen Lebens, nach seinen physischen und spirituellen Grenzen und nach seinen
Möglichkeiten der Transformation im Leben und über den Tod hinaus. Darren Almond zeigt die
Kreidefelsen von Rügen im Licht von Vollmondnächten. Hiroyuki Masuyama baut Gemälde von
Caspar David Friedrich nach, sucht dazu und fotografiert „Orte, die den von Friedrich gemalten
Landschaften ähneln, und fügt seine visuellen Klone dann aus hunderten, manchmal tausenden von
Einzelaufnahmen am Computer zusammen“ (Martina Padberg). Die in LED-Leuchtkästen
präsentierten Kompositionen sind nach Padberg „nicht mehr vom kosmischen Naturerleben
durchdrungen“ (Martina Padberg). „Die Romantik ist für mich kein Untersuchungsgegenstand,
sondern ein Spiegel: Indem ich mich der Malerei von Caspar David Friedrich … nähere, wird der
Graben zwischen uns sichtbar. Dann erkenne ich mich, meine Zeit, meine Kultur, meine Sprache“
(Hiroyuki Masuyama). Melanie Wioras unter anderem schon 2005 im Hospitalhof Stuttgart
vorgestellte Serie der ‚Eyescapes‘ zeigt Landschaften im Spiegel der Augen der Fotografin. Wiora
rückt bei ihren Aufnahmen ihren eigenen Augen so nahe, „dass sie die sich im Auge spiegelnden
Landschaften ablichten kann. Indem sie dem Betrachter … direkt zeigt, was sie … sieht, kehrt sie den
Prozess des Fotografierens um… Dort wo Außen und Innen zusammenfallen, wo die Welt Eingang in
den Menschen findet, kann er … das Universum an sich handelnd erleben“ und „Eins werden mit
dem Unendlichen….“ (Martina Padberg/Friedrich Schleiermacher).
(ham)
Download: Im Schein des Unendlichen – Romantik und Gegenwart
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