Chr. Belser, Stuttgart, 2023, ISBN 978-3-7630-2920-4. 208 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover mit Leinenrücken, Format 30 x 25,3 cm, € 45,00

1465 tritt der zwischen 1433 und 1440 in Seligenstadt geborene und am 11. August in Brügge verstorbene Hans Memling ebendort erstmals in Erscheinung, als er das Bürgerrecht erhält (vergleiche dazu und zum Folgenden (https://www.deutsche-biographie.de/sfz61501.html). Die westflämische  Stadt muss  angesichts ihres Handels mit Luxusgütern und ihren vielen  Auftraggebern der ideale Ort für den aufstrebenden Künstler gewesen sein. Vermutlich hatte er seine erste Ausbildung in Mainfranken erhalten  und ist in Köln mit dem Werk von Stefan Lochner bekannt geworden. Möglicherweise war er in Brügge für einige Zeit als Geselle in der Werkstatt von Rogier van der Weiden tätig. Unmittelbar nach Rogiers Tod wird er in Brügge fassbar und findet rasch Erfolg und Ansehen. Zu seinen Auftraggebern zählten die alteingesessenen Patrizier, die Mitglieder der Kooperationen und Bruderschaften und die Vertreter der großen ausländischen Handelshäuser und Banken, die in Brügge Filialen unterhielten. Memling war Gildemeister und Mitglied der Bruderschaft „Unserer lieben Frau vom Schnee“. 1480 erwarb er ein großes steinernes Haus. Bei einer steuerlichen Taxierung wurde er zu den vermögenden Einwohnern gezählt.

Die Publikation ›Hans Memling in Brügge‹ ist aus Anlass der Neugestaltung des im Dezember 2023 wiedereröffneten Brügger Museums Sankt-Jans-Hospital erschienen (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Sint-Janshospitaal_(Brügge)), in dem sich noch immer sieben seiner Werke befinden. Vier von ihnen wurden eigens für diesen Ort angefertigt. Es wurde 1893 als erstes Museum der Kulturstadt Brügge eröffnet und sein Hauptsaal war ganz dem Werk von Memling gewidmet. In die von der Konservatorin für frühe niederländische Malerei erarbeiteten Publikation sind Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt der Musea Brugge: Decoding Memling eingeflossen, das den Entstehungsprozess der Bilder Memlings über materialtechnische Untersuchungen bis ins letzte Detail nachverfolgen will.

Im in der Mitte des 12. Jahrhundert errichteten Johanneshospital  (vergleiche https://de.wikipedia.org/wiki/Sint-Janshospitaal_(Brügge)#/media/Datei:Wikimonuments-5_Oud_Sint_jans_hospitaal_Zuidgevel.jpg) befindet sich unter anderem Memlings monumentaler Johannes-Altar von 1479 und sein Ursulaschrein (vergleiche dazu https://www.museabrugge.be/de/besuch-unserer-museen/unsere-museen-und-denkmaler/sint-janshospitaal), den er im Auftrag der im Hospital für die tägliche Pflege zuständigen Brüder und Schwestern geschaffen hat-

Hans Memlings Triptychon mit Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten ist den Schutzheiligen des Johanneshospitals gewidmet. Anlass für die Bestellung war vermutlich der Bau der Apsis der Hospitalkirche, mit dem 1473/74 begonnen und die 1477 eingeweiht wurde. Die linke Seitentafel des geöffneten Altars zeigt die Enthauptung des Täufers (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hans_Memling_063.jpg)). Die Szene ist vor den Palast von König Herodes verlegt, „der dort an einer gedeckten Tafel sitzt. Der Ehrenteppich hinter dem weltlichen König zeigt dasselbe Brokatmuster wie der Teppich hinter Maria auf der Mitteltafel. Dies ist der Rahmen, in dem Salome tanzen und das Haupt von Johannes dem Täufer einfordern wird. Johannes’ Enthauptung bildet die Hauptszene der linken Tafel. Sein kopfloser Leichnam, erkennbar am purpurnen Gewand, ist im Vordergrund platziert. Seine Hände sind gefaltet. Auch Salome, die auf einer Schale das Haupt von Johannes empfängt, ist leicht zu erkennen, da sie die gleiche Kleidung wie in der Palastszene im Hintergrund trägt. Der Kopf von Johannes befindet sich etwa auf gleicher Höhe wie das Christuskind auf der Mitteltafel“ (Anna Koopstra S. 27; vergleiche dazu die Mitteltafel unter https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hans_Memling_065.jpg).

Im Hintergrund der Mitteltafel sieht man den Täufer beim Predigen. Am linken Bildrand führen ihn die Soldaten des Herodes ab. Ganz unten tauft er Jesus im Jordan. Auf der Mitteltafel und auf der rechten Seitentafel (vergleiche dazu https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hans_Memling_068.jpg?uselang=de) wird in ähnlicher Weise das Leben von Johannes dem Evangelisten erzählt. Es gibt jedoch einen großen Unterschied: Die rechte Tafel widmet sich ganz den Visionen des Apokalyptikers.

Der Reliquienschrein der heiligen Ursula geht auf die Umbettung ihrer Reliquien am 21. Oktober 1489, dem Namenstag der Heiligen, in einen anspruchsvoll konzipierten Schrein zurück. (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hans_Memling_072.jpg).  „Aus einem im Stadtarchiv von Brügge hinterlegten Dokument wissen wir, dass der Weihbischof der Diözese Tournai, Gillis de Bardemakere, und der Pfarrer Jodocos de Smedt bei den Feierlichkeiten zugegen waren, ebenso wie der damalige Spitalmeister Jan Floreins, der Bursier Jacob de Ceuninc, die Priorin Jossine von Dudzele sowie weitere Ordensbrüder und -schwestern … Obwohl die Namen der Hersteller (Schreiner, eventuell ein Schnitzer und der Maler) in dem Dokument nicht erwähnt sind, ist gewiss, dass Hans Memling die lebendigen Szenen auf dem Ursulaschrein malte. Die Tatsache, dass ein Schrein in erster Linie ein religiöses Kultobjekt war, mag erklären, warum Memling ihn nicht signierte“ (Anna Koopstra S. 72).

Memlings Triptychon des Jüngsten Gerichts von 1467–71 (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Jüngste_Gericht_(Hans_Memling)), dessen Mitteltafel sich heute im Nationalmuseum Danzig befindet, wird im Kapitel über Memlings Auftraggeber besprochen. Weitere Kapitel widmen sich Memlings Moreel-, Floreins- und Reins-Triptychen, dem Diptychon des Maarten van Nieuwenhove, der Malerei in den Burgundischen Niederlanden und Memling als Porträtmaler. Nach Anna Koopstra ist Hans Memling einer der bekanntesten Maler der sogenannten „Flämischen Primitiven“ und ein zentrales Bindeglied in der frühen niederländischen Malerei zwischen seinen Vorgängern Jan van Eyck (um 1390 –1441) und Rogier van der Weyden (1399 oder 1400 –1464) und seinen Nachfolgern Gerhard David (um 1455 –1532) und Jan Prevost (1462 – 1525/1529).

ham, 6. Februar 2024

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