9. Juli bis 9. Oktober 2022 in der Städtischen Galerie
Der seit 1989 von der Stadt Bietigheim-Bissingen alle drei Jahre ausgelobte Grafikpreis »Linolschnitt heute« ist 2022 in die 12. Runde gegangen und nach wie vor international nachgefragt: Aus rund 500 zumeist digitalen Bewerbungen aus der ganzen Welt wurden der fünfköpfigen Jury 123 Originale vorgestellt, aus der die drei diesjährigen PreisträgerInnen, die drei Ankäufe und weitere 38 Künstlerinnen für die Ausstellung und den Katalog ausgewählt wurden. Nach Isabell Schenk-Weininger, der Leiterin der Städtischen Galerie, spiegelt sich das in den Jahren 2019, 2020 und 2021 dominierende Thema Corona erstmals in diversen Arbeiten. Unter anderem deshalb steht die 10-teilige 200 x 1440 cm große Arbeit ›Coronapark‹ des dritten Preisträgers Florian Haas mit am Anfang der Ausstellung. Haas lässt in seiner 2021 fertiggestellten Arbeit einen Vergnügungspark entstehen, „dessen Silhouette von den Loopings einer Achterbahn markiert wird. Dort fährt der ›Coronaexpress‹ durch den gesamten Freizeitpark, vorbei an den einzelnen Stationen, die einen zeitlichen Bogen des Pandemieverlaufs markieren …“ (Isabel Herda im Katalog zur Ausstellung S. 23).
Der zweite Preis wurde der in Südkorea geborenen Alum Lee für ihre Serie ›Karomuster No.1 – No. 100, 2019-2021, je 22,5 x 30,5 cm / ca. 21,5 x 30 cm, Unikat zugesprochen. Als Lee Stofftaschen nähen wollte und der Karostoff zugeschnitten auf dem Boden lag, trat sie „versehentlich auf den Stoff und war gebannt vom veränderten Erscheinungsbild der vermeintlich immer gleichen Geometrie: ›Besonders interessant war, dass sich das Muster aus geraden Linien in eine komplette Kurve verwandelte‹. Das Karomuster verließ nun seine gewohnte Laufbahn. Rechte Winkel wurden zu spitzen, gerade Linien wurden zu Kurven, Zweidimensionalität wurde zu Dreidimensionalität. Diese minimalistischen Veränderungen in alltäglichen Mustern sind es, die Lee faszinieren“ (Jasmin Höning im Katalog S. 18).
Der erste Preis geht an den in Köln geborenen Maler und Grafiker Philipp Mager, für den seine künstlerische Tätigkeit überlebensnotwendig ist wie Essen und Trinken. Als Meisterschüler von Klaus Fußmann hatte er von diesem nicht nur malerische, sondern auch druckgrafische Impulse für die Technik des Farblinolschnitts bekommen. „Das Schneiden mehrerer Platten und die zahlreichen Druckvorgänge im Handabzug sind bei Magers vielfarbigen Grafiken wesentlich aufwändiger und zeitintensiver als der Arbeitsprozess bei seiner Malerei. Eine Auflage wäre deshalb kaum möglich … Mit der malerischen Wirkung durch die Vielfalt der Farben in Kombination mit der Präzision der Konturlinien erlangt Mager einen unverwechselbaren Stil … Zunächst hatte Mager für seine Hochdrucke Holzplatten verwendet, doch im weicheren Linoleum sind die Schnitte für die von ihm bevorzugte ligne claire leichter umzusetzen – jene im französischen Comic beliebte schwarze Konturlinie, welche meist einfarbig gefüllte Flächen einfasst. Da Mager zuvor Tusche vollflächig auf dem Blatt aufträgt, erscheint die in die Linolplatte gegrabene Linie nach dem Abdruck schwarz. Die schwarze, rußhaltige Grundierung ist außerdem dafür verantwortlich, dass die Oberfläche aufgrund von durchscheinenden Flecken verlebendigt wird, dass alle darüber liegenden Farben pudrig-gedämpft und trotz ihrer Kontraste harmonisiert werden. Häufig setzt Mager auch im Irisdruck erzeugte Farbverläufe ein. Bei ausgewählten Bildsegmenten erreicht er dadurch plastische Wirkungen, die zu den gedruckten Partien in reizvollem Gegensatz stehen“ (Isabell Schenk-Weininger S. 12). Magers mittelformatige Farblinolschnitte stammen aus dem Jahr 2021 und tragen die Titel ›An der Steilküste‹, ›Der Spiegel‹ und ›Vollmond 1‹.
Philipp Mager hat für den Umschlag des Katalogs eigens eine zweifarbige Originalgrafik geschaffen. Der mit dieser Originalgrafik gedruckte Katalog umfasst 112 Seiten, hat die ISBN-Nummer 978-3-927877-94-8 und kostet 24,00 €.
ham, 11. Juli 2022