Kerber Photo, Kerber Verlag Bielefeld/Berlin, 2020, ISBN 978-3-7356-0597-9, 92 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Hardcover, Leinen, gebunden, Format 15,5 x 19,6 cm, € 24,00
Die 1977 in der Nähe von Hamburg geborene Absolventin der postgradualen Meisterklasse der Ostkreuzschule für Fotografie Berlin Anja Putensen (vergleiche dazu anja putensen) erinnert mit ihrer feinen Publikation ›Das Gut‹ an die noch aufzufindenden Spuren baltischer Gutshauskultur in den ländlichen Gebieten Est- und Lettlands (vergleiche dazu https://www.kerberverlag.com/de/1743/anja-putensen). Die Gutshäuser gehen auf die vom 13. bis weit ins 19. Jahrhundert eingewanderte deutsche Oberschicht zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Besitz der Gutsherren reduziert und enteignet; ein Großteil der Familien flüchtete (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Lettischer_Unabhängigkeitskrieg und https://de.wikipedia.org/wiki/Estnischer_Freiheitskrieg).
Im Zweiten Weltkrieg wurde Est- und Lettland sowohl durch Deutschland als auch durch Russland besetzt und danach zwangsweise in die Sowjetunion eingegliedert. Viele Esten und Letten wurden nach Sibirien deportiert oder flüchteten Richtung Westen. Die neuen Siedler, vornehmlich Russen, nutzten die Gutshäuser als Schulen, Kinderheime, Sanatorien oder Viehställe. Viele Gutshäuser sind zwischenzeitlich verfallen. Die erhaltenen dienen vorwiegend dem Tourismus (vergleiche dazu etwa http://www.mois.ee/deutsch/, https://www.latvia.travel/de/artikel/schlosser-und-landguter-lettlands und https://www.sueddeutsche.de/reise/schloesser-und-gutshaeuser-in-lettland-ueber-allem-klappern-die-stoerche-1.1333628) oder werden von Immobilienmaklern zum Verkauf angeboten (vergleiche dazu etwa https://gutsdorf.de/lettland/).
Anja Putensens mit einer analogen Mittelformatkamera auf Rollfilmen aufgezeichneten fotografischen Recherchen vermitteln mögliche Bilder fiktiver Gutshäuser, die sich aus Zimmerfluchten, Interieurs, Parkanlagen, Wäldern und Wiesen verschiedener Einzelanwesen zusammensetzen lassen. Kindheitserinnerungen estnischer, lettischer und deutschsprachiger Autoren erinnern an vergangene Zeiten. Ein kartografischer Index im Anhang des Buches verortet die fotografierten Anwesen in Estland und Lettland.
ham, 13. Mai 2020