Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 26. Juni – 13. September 2105 in der Galerie Sabine Knust mit einem Essay von Denise Wendel-Poray
Galerie Sabine Knust, Knust & Kunz GbR München, 2016, 40 Seiten, 31 Farbabbildungen, Broschur mit Rückstichheftung, Format 32,5 x 24 cm
Jonathan Meese Dienstbuch 2015
Photographie Jan Bauer
Jonathan Meese.Com, Berlin, Deutschland 2015, ISBN 70962-201683 020 385-98 / 7991-201683020385-98, Limitierte Auflage: 100 Exemplare, 100 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover, Format 27,8 x 21,5 cm
Jonathan Meeses Ausstellung „Chefsache Richard Wagner“ in der Galerie Sabine Knust (vergleiche dazu http://www.sabineknust.com/AUSSTELLUNG/meese_2015/Meese_6_2015.html) war noch deutlich von der kreativen Aufarbeitung der Aufkündigung seines Regieauftrags für den Parsifal 2016 von Bayreuth geprägt. „»Chemisch gereinigte Weicheierwagnerianer haut ab, bitte«“, schrieb Jonathan Meese auf die Wand des dem „Erzrichard Wagner“ gewidmeten Raums. Acht Stunden lang hatte der Künstler alle vier Seiten von der Decke bis zum Boden bearbeitet. „Er schrieb sie voll in seiner wilden Sprachjongleur- und Wortdreherart, setzte graffitimäßige Zeichnungen in den Letterndschungel und klebte noch schnell die hundert Blatt eines frisch geschriebenen Manifests dazu“. Mitten im Raum sprengte die berühmte Bayreuther Pausenbratwurst, überdimensional proportioniert, eine Kasperletheater-Bühne. »Ich« stand auf der Riesenwurst – und ließ rätseln: „Meese, der unfreiwillige Hanswurst im Bayreuther Ränkespiel? Oder eine Persiflage auf aufgeblasene Bayreuther Egos […]?“ (Britta Sachs, Jonathan Meeses Wagnerwahn. Kunst ist keine Kulturmauschelei. In der FAZ vom 24.08. 2015: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/ jonathan-meeses-chefsache-richard-wagner-bei-sabine-knust-13762193.html).
Auch das ‚Dienstbuch 2015‘ wird von Parsifal dominiert: Auf dem Titel ein Porträt von Jonathan Meese Er hält sein dem Eisernen Kreuz nachempfundenes überdimensioniertes Meese-Kreuz mit beiden Händen fest; hinter ihm sein übermannshohes Gemälde ‚Meeseparsifal’. Auf Seite zwei die Papierarbeit ‚Dr. Parsifal de Large“ 1/33, 2105, auf Seite drei und vier 40 Zeichnungen zum Parsifal, auf Seite 17 der Kampfparsifal ‚Don von Bon de it-ism…“ von 2015 und so weiter. Aus der Ausstellung von Sabine Knust wird auf Seite 51 und 52 ein Foto von der Entstehung der raumgreifenden Wandinstallation „Dr. Little Willie / >Parsifal< ist Chefsache: Bayreuth’s“ gezeigt und auf der vorletzten Seite Jonathan Meese und seine Mutter hinter dem auf einem Podest aufruhenden Kasperletheater mit der Riesenbratwurst. Meese salutiert und seine Mutter Brigitte schaut ernst drein. Weitere Fotostrecken sind seinen Ausstellungen ‚Parsifal de Large‘ bei Daniel Templon in Paris, ‚Spitzenmeesige Women (Schniddeldiddelson)‘ bei Tim van Laere, Amsterdam, ‚Artists and Prophets‘ in der Nationalgalerie Prag, dem Seminar für Jurastudenten der Juristenfakultät Leipzig ‚Kunst und Strafrecht“, dem Gespräch mit Harald Falkenberg ‚Bayreuth: Ein Missverständnis?‘ im Roten Salon der Volksbühne Berlin, der Performance „»You«. Living in the Erzbox: L.O.V.E. de Large“ in der Nationalgalerie Prag und anderen Auftritten gewidmet. Jonathan Meese hat mit der Prager Performance gleichzeitig seine Rauminstallation ‚Jonathan Meese: My Über Daddys‘ eröffnet. „ Für diese Installation hat er 13 sogenannte Prophetenbilder gemalt. Die überlebensgroßen Bildwerke umrunden auf großen Staffeleien […] die Holzbox […]. In der Nationalgalerie in Prag entspinnt Jonathan Meese einen hitzigen Monolog in Form fiktiver Telefongespräche mit seiner daheim gebliebenen Mutter, einigen der 13 Propheten und sonstigen Protagonisten des Zeit- und Weltgeschehens, um ihnen und dem anwesenden Publikum seine Demokratie-Kritik, aber auch einzige gesellschafts(un)politischste Alternative entgegenzuhalten. Jonathan Meese proklamiert gute zwei Stunden aus seiner Holzkiste heraus die DIKTATUR DER KUNST und deren zentrales Machtorgan: K.U.N.S.T.“ (Jonathan Meese, Dienstbuch 2015 S. 59). Auf der Holzbox steht in roten Großbuchstaben „Parsifalmeese. Meeseparsifal“.
Zwischenzeitlich haben sich neue Horizonte aufgetan. Am Rande der Art Basel 2016 hat Jonathan Meese verkündet, dass er in Wien den Stoff verwirklichen wird, der ihm in Bayreuth versagt geblieben ist, „also Richard Wagners »Parsifal«. Die Premiere ist auf Juni 2017 geplant […]. Der Bayreuther Parsifal hätte »Babyparsifal« heißen und auf einer blütenübersäten Naturbühne spielen sollen. Die Wiener Version wird hingegen in die Zukunft katapultiert und «Mondparsifal» heißen. Frei nach »Mondbasis Alpha 1«, der britischen Fernsehserie aus den 70er-Jahren […]. Auch die Musik wird nicht von Richard Wagner stammen, es wird eine durch den österreichischen Komponisten Bernhard Lang besorgte Nachkomposition sein, die »viel Loops und Synthesizer« enthält. Das Konzept hinter der neuen Oper, laut dem Intendanten“ Thomas „Zierhofer-Kin: den Mythos Parsifal sowie den Mythos Wagner durch die »schöpferischen Giganten« und »Kernreaktoren«, also Meese und Lang, in seine Elementarteilchen zerlegen und danach wieder neu zusammensetzen. Die moralische Wertung der Figuren in Wagners »Bühnenweihfestspiel« will Meese dabei auf den Kopf stellen. Nicht der Zauberer Klingsohr soll der Bösewicht sein, sondern die Gralsgemeinschaft. Denn diese sei eine »Sekte, eine schreckliche Truppe von selbstgerechten, vermoderten Typen, die befreit werden müssen«. Bösewicht Klingsohr sei dazu auserkoren, die falsche Idylle zu zerstören und somit die Welt von der schädlichen Ideologie zu befreien. Eine ähnliche Rolle schwebt Meese auch für sich selbst vor, und zwar in Bezug auf den bayreuthschen Grünen Hügel. Richard Wagner, den er als einen »Künstler der Zukunft« versteht, müsse man »von dem Mief, der ihn umgibt«, befreien und »ent-tempeln«. »Wir müssen uns radikalisieren«, rief der Künstler zum Schluss seines Auftritts in Basel, worauf er manierlich unter den in schönster Meese-Manier gemalten Parsifal-Plakaten für Selfies mit den Kunstmesse-Touristen posierte“ (Ewa Hesse, Gralssuche auf dem Mond. In sonntagszeitung.ch.Kultur vom 19. Juni 2016; vergl. dazu auch ttp://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kunst/gralssuche-auf-dem-mond/story/15372790).
ham, 11. Juli 2016